GOZ-Analyse 2004

Unerträglich sozialverträglich

Die GOZ-Analyse bringt es auf den Punkt: Die deutschen Zahnärzte subventionieren über den seit achtzehn Jahren unveränderten GOZ-Punktwert die Beihilfe von Bund, Ländern und Kommunen und leisten über diese stille Form der Enteignung schon jetzt einen schmerzhaften Sonderbeitrag zur Sanierung der öffentlichen Kassen. Und weiter: Die von den privaten Krankenversicherungen stets gegen eine Punktwertanpassung ins Feld geführte angebliche Leistungsausweitung kann die deutlichen Honorarverluste bei weitem nicht ausgleichen.

Im Jahre 1997 wurde das Projekt „GOZAnalyse“ als Gemeinschaftsvorhaben der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) ins Leben gerufen. Mit der Analyse werden – auf Dauer angelegt – Daten zum privatzahnärztlichen Liquidationsverhalten erhoben und ausgewertet.

Seit 1998 werden bundesweit bei mittlerweile fünfhundert teilnehmenden Zahnärzten – streng anonymisiert – sämtliche GOZ/ GOÄ-Positionen mit Häufigkeit, Multiplikator und Betrag sowie die Material- und Laborkosten, getrennt nach Praxislabor und gewerblichem Labor, erfasst. Ergänzt wird dieses Datenmaterial um soziodemographische Daten, zum Beispiel Alter, Geschlecht, Praxisorganisation, Kammerbereich, Anteil der Privatpatienten. Die Kombination dieser Daten lässt eine so vielschichtige Auswertung der Erhebungsdaten zu, dass diese eine fast unerschöpfliche Erkenntnisquelle darstellen.

Das Projekt ist beispiellos in der deutschen Gesundheitslandschaft, auch und besonders hinsichtlich der Qualität des erhobenen Datenmaterials. Zwar analysiert auch der Verband der Privaten Krankenversicherungen das zahnärztliche Abrechungsverhalten in einer jährlichen Studie, diese krankt aber an zwei wesentlichen Mängeln, einem quantitativen und einem qualitativen:

Erstens werden vom PKV-Verband nur rund 10 000 Rechnungen erfasst – damit sind die statistischen Auswertungsmöglichkeiten deutlich beschränkter – dagegen kann die GOZ-Analyse auf stolze 90 000 ausgewertete Rechnungen verweisen. Zweitens kann die PKV-Auswertung notwendigerweise keinen wirklich repräsentativen Querschnitt der Abrechnungen bieten, da eine Vielzahl – vor allem kleinerer – Rechnungen wegen der Beitragserstattungen nicht eingereicht und damit nicht erfasst werden können. Während die Ärzteschaft Zahlen und Behauptungen der PKV mangels eigener Erhebungen praktisch ausgeliefert ist, vermag die Zahnärzteschaft eigenes Material dagegenzusetzen und so die eigenen Positionen zu stützen. Von daher kommen der GOZAnalyse und ihren Ergebnissen als empirischem Datenpool bundesweit eine strategische Bedeutung in gebührenpolitischen Fragen zu.

Auch das, was ganz aktuell aus der Politik auf die Zahnärzteschaft zukommt, wird offenbaren, wie richtig die Entscheidung für das Projekt der GOZ-Analyse war und weiterhin sein wird. Nur gesicherte, belastbare Argumente sind geeignete Werkzeuge, um die Weichen doch noch in die richtige Richtung zu stellen.

Zwei Kernprobleme

Festzuhalten ist: Für die Politik existieren derzeit zwei Kernprobleme, die nach den Ausführungen im Koalitionsvertrag von Union und SPD kurzfristig einer Klärung zugeführt werden sollen: Die ständig wachsende Zahl nicht krankenversicherter Bürger (nach Presseveröffentlichungen bis zu 300 000 Menschen) und die angespannte Haushaltslage der Länder. Beide genannten Problemkreise sollen unter Ausblendung der tatsächlichen Ursachen auf dem Rücken und zu Lasten vor allem der Zahnärzte einer scheinbaren Lösung zugeführt werden. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es dazu:

Es wird eine Behandlungspflicht zu bestimmten Gebührensätzen für privatversicherte Personengruppen, zum Beispiel Beihilfeberechtigte und Standardtarifversicherte, sowohl bei wahlärztlichen Leistungen in Krankenhäusern als auch bei ambulanten Leistungen niedergelassener Ärzte geschaffen. Die dafür vorgesehenen abgesenkten Gebührensätze werden in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und für Zahnärzte (GOZ) verbindlich verankert.

Dass dieses Vorhaben die aufgezeigten Probleme nicht zu lösen vermag, liegt eigentlich auf der Hand. Erst jedoch durch die GOZ-Analyse sind die zahnärztlichen Standesvertreter bei ihrer Lobbyarbeit in der Lage nachzuweisen, dass durch weiter abgesenkte Gebührensätze weder eine Steigerung der Attraktivität des Standardtarifs der PKV und – mit Blick auf die seit Jahren unterbliebene Punktwertanhebung – ein zusätzliches „Sonderopfer Zahnmedizin „aus rein fiskalischen Gründen erhoben wird.

Der Umstand, dass die Grundlage der zahnärztlichen Liquidation, die derzeit geltende Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober 1987, am 1. Januar 1988 in Kraft trat und seither in unveränderter Form gilt, dürfte eigentlich wesentliche Änderungen im Abrechnungsverhalten nicht zu Tage treten lassen. In der Tat sind auch keine wirklichen Brüche erkennbar. So betrug der Rechnungsbetrag im Jahre 1999 durchschnittlich 344 Euro, im Jahre 2004 entsprechend 364 Euro. Dieser leichte Trend wird allerdings ganz wesentlich, wenn die Preisentwicklung der letzten Jahre ergänzend in die Betrachtung einbezogen wird. In der Zeit von 1988 bis 2004 sind die Preise für Dienstleistungen und Reparaturen um über 50 Prozentpunkte gestiegen. Allein um diesen Preisanstieg honorarseitig auszugleichen, müsste eine Rechnung von 364 Euro aus dem Jahre 1988 heute gut 486 Euro betragen.

Dem Zahnarzt steht nach § 5 Abs. 1 GOZ ein Gebührenrahmen vom einfachen bis 3,5fachen des Gebührensatzes zur Verfügung. Auch ein Grund für die Forderung von Union und SPD nach abgesenkten Gebührensätzen ist das Vorurteil, die Zahnärzte würden über Gebühr von den Steigerungsmöglichkeiten der GOZ Gebrauch machen. Diese in der Öffentlichkeit hartnäckig existierende Meinung wird nicht zuletzt durch die für den Laien nicht erkennbaren Unterschiede zwischen der Liquidation nach GOZ und GOÄ gespeist.

Verzerrter Eindruck

Dass dies eben nur ein verzerrter Eindruck ist, belegt die GOZ-Analyse. 79,3 Prozent aller zahnärztlichen Leistungen wurden im Jahr 2004 mit einem Steigerungssatz von bis zu 2,3 abgerechnet. Von den über dem 2,3fachen abgerechneten Leistungen entfallen gerade einmal 0,1 Prozentpunkte auf Steigerungssätze über dem 3,5fachen Satz. Ein Verhältnis, welches über die letzten Jahre praktisch keine Veränderungen erfahren hat.

Mit dem vorgelegten Zahlenmaterial der GOZ-Analyse wird der mehr als verantwortungsbewusste, ja schon sozialverträgliche Umgang der Zahnärzteschaft mit der privaten Gebührenordnung deutlich. An dieser Tatsache können auch einige „Ausreißerrechnungen“ nichts ändern. Dies hat auch letztlich das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 25.10.2004 (Az.: 1 BvR 1437/02) so gewertet. Fraglich ist, ob es auch in Sachen GOZ das letzte Wort haben wird.

Sanitätsrat Dr. Otto W. MüllerPräsident der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, für das Projekt „GOZ-Analyse“Johannesstr. 767346 Speyer

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