Stellungnahme der DGZMK

Zahnfarbene Restaurationen aus Keramik: Inlays, Teilkronen und Veneers

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Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung/ DGZ und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde/ DGZMK

Fragestellung

Können vollkeramische Inlays, Teilkronen und Veneers für die Anwendung in der Praxis empfohlen werden?

Hintergrund

In der Vergangenheit haben sich zur Versorgung ausgedehnter Defekte der Zahnhartsubstanzen Gussrestaurationen aus Metall sowie Metallkeramikrestaurationen als der Goldstandard bewährt. Dies beruht zum einen auf dem sehr breiten klinischen Anwendungsspektrum und zum anderen auf standardisierten zahntechnischen Verfahren sowie langjähriger klinischer Erfahrung. Zahnärztliche Behandlungskonzepte werden heute entscheidend bestimmt durch Faktoren wie Zahnhartsubstanzschonung, Biokompatibilität der Werksstoffe und dem Wunsch der Patienten nach Ästhetik. Dentale Keramiken zur Herstellung vollkeramischer Restaurationen erfüllen bei gegebener Indikationsstellung diese Anforderungen weitgehend. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der keramischen Werkstoffe einerseits sowie der Adhäsivtechnik andererseits hat zu einer signifikanten Erweiterung der ursprünglich vorgesehenen Indikation für Keramikrestaurationen geführt.

Bei Keramikinlays, -teilkronen und -veneers unterscheidet man im Wesentlichen zwei Komponenten: den keramischen Werkstoff und das Verbund-System (Befestigungskomposit, Adhäsive und zugehörige Hilfssubstanzen). Keramiken und Werkstoffe zum Befestigen sind nach deutschem und europäischem Recht (EU-Direktive 93/42, beziehungsweise Medizinproduktegesetz) Medizinprodukte und unterliegen deshalb den entsprechenden Richtlinien hinsichtlich Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität. Nur Werkstoffe mit dem CE-Zeichen dürfen verwendet werden. Füllungs- und Befestigungswerkstoffe gehören dabei der Klasse II a an. Dies besagt, dass unter bestimmten Umständen das CE-Zeichen vom Hersteller selbst verliehen werden kann und eine klinische Prüfung vor der Einführung auf dem Markt möglich, aber nicht verpflichtend ist. Ausreichende präklinische und klinische Untersuchungen (letztere über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren) sind jedoch für eine endgültige Empfehlung zu fordern. Die bei der Bearbeitung von Dentalkeramiken üblichen Schutzmaßnahmen sind auch bei der Herstellung der Inlays, Teilkronen und Veneers zu beachten. Die Versorgung eines Zahnes mit einer Keramikrestauration ist insgesamt gesehen ein sehr aufwendiges Verfahren.

Keramiken für Inlays, Teilkronen und Veneers

Für die Anfertigung vollkeramischer Restaurationen steht heute eine Vielzahl verschiedener Keramiken zur Verfügung. Man unterscheidet im Wesentlichen

• Silikatglaskeramiken• Aluminiumoxidkeramiken und• Zirkonoxidkeramiken.

Für Inlays, Teilkronen oder Veneers werden heute in der Regel Glaskeramiken oder Feldspatkeramiken verwendet, die adhäsiv an den Zahnhartsubstanzen befestigt werden müssen. Vorteilhaft bei diesen Keramiken sind ihre hohe Transluzenz, schmelzähnliche Härte und – gegenüber Verblendkeramiken – höhere Festigkeit. Speziell bei Teilkronen ist es denkbar, diese alternativ aus glasinfiltrierter Aluminiumoxidkeramik oder auf der Basis von Zirkonoxidkeramiken herzustellen. Hierbei übernimmt das glasinfiltrierte beziehungsweise zirkonoxidbasierte Gerüst aus Hochleistungskeramik die Aufgabe des Metallgerüstes als Basis für die aufgeschichtete oder gepresste Verblendung. Im Falle der Verwendung solcher Hochleistungskeramiken kann die Befestigung mit konventionellen Befestigungsmaterialien (wie Zinkphosphatzement, Glasionomerzement) erfolgen. Allerdings sind hierzu über Fallbeschreibungen hinaus noch keine wissenschaftlichen Daten verfügbar. Daher beziehen sich die folgenden Ausführungen im Wesentlichen auf Restaurationen aus Silikatglaskeramiken.

Die biologischen und technischen Eigenschaften des Werkstoffes Keramik sind im Allgemeinen gut, wenn auch die bei verschiedenen Produkten im Vergleich zum Schmelz höhere Mikrohärte zu erhöhter Abrasion am Antagonisten führen kann. Die auf dem Markt erhältlichen, industriell vorgefertigten Keramiken (das heißt, solche, die mittels CAD/CAM verarbeitet werden), können als wissenschaftlich anerkannt gelten [7]. Mit dem CEREC-System zum Beispiel liegen klinische Ergebnisse über mehr als fünf Jahre vor [2, 17, 21]. Gleiches gilt für bestimmte Feldspat- und Glaskeramiken [5, 6, 9, 13, 18, 23]. Es können nur solche Keramiken für die Herstellung von vollkeramischen Inlays, Teilkronen und Veneers empfohlen werden, mit denen positive klinische Ergebnisse über einen Zeitraum von mindestens drei bis fünf Jahren vorliegen (siehe oben). Weiterhin sollte bedacht werden, dass eine Keramikrestauration nur so gut sein kann, wie ihre Verarbeitung. Dabei können einzelne Herstellungsverfahren (zum Beispiel bei subtraktiven Verfahren unter Verwendung industriell gefertigter Rohlinge) das Risiko verarbeitungsbedingter Qualitätseinbußen (zum Beispiel fehlerhafte Anmischung von Keramikmassen, fehlerhafte Funktion des Pressofens) herabsetzen.

Eine weitere Einteilung dentaler Keramiken basiert auf der Art und Weise der Herstellung des Werkstückes. So werden keramische Restaurationen im zahntechnischen Labor häufig durch schichtweises Brennen oder durch Pressen eines erwärmten Glaskeramik- Rohlings in eine Hohlform hergestellt. Alternativ dazu können sie aus industriell vorgefertigten Keramikrohlingen in der Regel durch Beschleifen in ihre endgültige Form gebracht werden (CAD/CAMTechnik, Kopierschleifen). Restaurationen nach dem CAD/CAM-Verfahren können sowohl im Labor als auch in der Praxis („chairside“) hergestellt werden. Dadurch können die Restaurationen einerseits – wie dies bei direkten Kompositversorgungen der Fall ist – in einer Sitzung eingegliedert werden, ohne dass die Gefahr einer Kontamination der Dentinoberfläche während der Provisorienphase besteht. Die Daten der digitalen Abformung können andererseits auch an ein zahntechnisches Labor übertragen werden, in dem das Werkstück entsprechend hergestellt wird.

Adhäsive Befestigung

Inlays, Teilkronen und Veneers aus Silikatglaskeramiken müssen in aller Regel mittels Adhäsivtechnik am Zahn befestigt werden. Sie umfasst den Schmelz- und Dentinverbund sowie den Keramikverbund (Ätzung mit Flusssäure, Silanisierung); die Verknüpfung erfolgt mit einem Befestigungskomposit.

Bei der Auswahl des geeigneten Befestigungskomposits ist zu berücksichtigen, dass durch Verwendung hoch visköser Befestigungskomposite negative Folgeerscheinungen wie das Auswaschen dieses Werkstoffes aus der Zementierungsfuge und dadurch bedingte marginale Imperfektionen verringert [19] sowie die technische Handhabung (Überschusskontrolle) erleichtert werden können [10]. Auf eine ausreichende Polymerisation ist zu achten.

Dualhärtende Befestigungskomposite sind klinisch bewährt und gewährleisten auch bei dickeren keramischen Werkstücken eine ausreichende Polymerisation. Bei der Verwendung dualhärtender Befestigungskomposite muss allerdings darauf geachtet werden, dass deren Selbsthärtungsmechanismus durch Adhäsivsysteme mit sauren Bestandteilen (selbstkonditionierende Adhäsive, One-Bottle-Bonds) inhibiert werden kann. Hier sollte deshalb auf bewährte und klinisch erprobte Bondingsysteme mit Mehrschrittapplikation zurückgegriffen werden.

Seit einiger Zeit sind selbstätzende, sogenannte Universal-Befestigungskomposite, auf dem Markt erhältlich, welche selbsthärtend sind, aber alternativ auch durch Licht polymerisiert werden können. Dabei entfallen nach Angaben der Hersteller die Vorbehandlungen von Schmelz und Dentin, die Keramik sollte jedoch wie üblich geätzt und silanisiert werden. Die Schmelz- und Dentinhaftung dieser Materialien wird in der Literatur kontrovers diskutiert [3]. Es liegen noch zu wenige Daten aus klinischen Untersuchungen vor, um eine abschließende Empfehlung auszusprechen [22].

Eine zugeführte Lichtenergie von 16 Joule pro Fläche (das heißt, zum Beispiel 20 Sekunden Bestrahlung mit 800 mW/cm2), wie sie bei Kompositkunststoffen empfohlen wird, sollte bei Keramiken mittlerer Transluzenz (wie Empress) verdoppelt, bei weniger transluzenten, eher opaken Keramiken verdreifacht werden (wie Empress 2). Es gibt experimentelle Hinweise darauf, dass bei transluzenter Keramik (wie Empress) die Verwendung rein lichthärtender Werkstoffe zum Befestigen möglich ist, wenn die Schichtdicke der Keramik 2mm nicht wesentlich überschreitet (wie bei Veneers) [8].

Beim adhäsiven Befestigen ist das Anlegen von Kofferdam unbedingt empfehlenswert. Grundsätzlich ist ein geeigneter Pulpaschutz indiziert. Zur Vermeidung einer postoperativen Hypersensibilität ist für eine vollständige Versiegelung des freiliegenden Dentins zu sorgen. Für die Befestigung sollte daher ein Adhäsivsystem mit einer nachgewiesen guten Dentinhaftung ausgewählt werden. In Pulpanähe wird die Applikation eines Kalziumhydroxid-Präparates empfohlen.

Ein Einpressen des Befestigungskomposits in den Gingivasulkus ist zu vermeiden, Überschüsse sind sorgfältig zu entfernen.

Keramikinlays

Keramikinlays sind indiziert, wenn die Kavität allseits gut zugänglich ist. Auch für dentinbegrenzte Bereiche (tiefe approximal- zervikale Stufe) liegen bei konsequenter Anwendung der Adhäsivtechnik akzeptable klinische Ergebnisse vor [9]. Die Materialstärke des Inlays darf nicht weniger als 1,5 mm betragen; das erfordert möglicherweise (besonders bei jugendlichen Patienten) eine Präparation, durch welche das Pulpagewebe traumatisiert werden kann. Hier sind im Einzelfall andere Versorgungsarten zu wählen. Wie bei allen adhäsiven Restaurationen ist eine wesentliche Voraussetzung für Keramikinlays eine ausgezeichnete Zahnpflege, nicht zuletzt deshalb, weil sich Bakterien insbesondere am Befestigungskomposit anheften und dort vermehrt wachsen. Inzwischen liegt eine Reihe von Studien vor, die über gute klinische Langzeiterfahrungen berichten [5, 9, 18]. Dies gilt auch für Inlays, die nach dem CAD/CAM-Verfahren (CEREC) hergestellt wurden [2, 17, 21]. Daher kann die Versorgung mit keramischen Inlays zur Seitenzahnrestauration heute als Routineverfahren angesehen werden.

Keramikteilkronen

Es existieren keine Richtlinien dafür, wann für Keramikrestaurationen eine „kritische Kavitätengröße“ erreicht ist, die eine Teilkrone anstelle einer Inlaypräparation notwendig macht.

Es konnte gezeigt werden, dass es am Patienten bei ausgedehnten Keramikinlays gegenüber Keramikteilkronen zu einer fortschreitenden Spaltbildung insbesondere an dentinbegrenzten Randabschnitten kam [11, 14]. Aus den vorliegenden Untersuchungen kann gefolgert werden, dass bei ausgedehnten Restaurationen eine Versorgung mit einer Keramikteilkrone erwogen werden sollte. Weiterhin zeigte sich in einer klinischen Untersuchung [17], dass mit Keramikinlays versorgte wurzelkanalbehandelte Zähne eine geringere Überlebensrate aufwiesen als vitale Zähne. Daraus kann abgeleitet werden, dass endodontisch behandelte Zähne bei der Abwägung zwischen Keramikinlay und Keramikteilkrone bevorzugt mit einer Teilkrone versorgt werden sollten.

Im Vergleich zu Inlays aus Keramik sind die Erfahrungen mit Teilkronen im Seitenzahnbereich aus diesem Werkstoff wesentlich geringer. Publizierte Daten aus klinischen Untersuchungen geben jedoch Hinweise darauf, dass mit modernen Keramiken Überlebensraten erzielt werden können, die nach bis zu sieben Jahren bei 81 Prozent liegen [6]. Vergleichbare Gussmetallrestaurationen erzielten eine Überlebensrate von 86 Prozent nach zehn Jahren [24].

Besonders abgewogen werden sollte die Anfertigung von Keramikteilkronen bei Patienten mit ausgeprägtem Bruxismus. Ansonsten gelten im Seitenzahnbereich die gleichen Empfehlungen hinsichtlich Indikation, Präparation, Dicke der Keramik und dem sonstigen Vorgehen wie bei Keramikinlays. Auch CAD/CAM-Verfahren sind zur Herstellung von Keramikteilkronen geeignet [2, 4]. Ungeklärt ist, wie viel Zahnhartsubstanz belassen werden kann (Inlay- Präparation) und ab welcher Dicke der verbliebenen Kavitätenwand diese reduziert werden muss (Teilkronen-Präparation), um eine spätere Fraktur zu vermeiden. Experimentelle Befunde geben Hinweise darauf, dass die verbleibende Kavitätenwand eine Dicke von mindestens 2 mm haben sollte, andernfalls ist auch bei strikter Anwendung der Adhäsivtechnik mit Frakturen zu rechnen. Damit ist aber auch das teilweise Belassen von zum Beispiel bukkalen Kavitätenwänden bei Keramikteilkronen in vielen Fällen möglich. Insgesamt können Teilkronen aus Keramik als wissenschaftlich anerkannt gelten [6, 23].

Keramikveneers

Unter Keramikveneers versteht man Verblendschalen (beziehungsweise Teilkronen im Frontzahnbereich) aus keramischen Werkstoffen, die mittels Adhäsivtechnik an der Zahnhartsubstanz befestigt werden. Die erforderlichen Materialien und Techniken entsprechen somit weitgehend denjenigen, die bei der Versorgung mit Keramikinlays verwendet werden (Presskeramik, Sinterkeramik, CAD-CAM Fertigung). Im Wesentlichen umfasst die Indikation des Keramikveneers die Versorgung im anterioren Bereich, zum Beispiel bei Verfärbungen, Hypoplasien, bei einem Diastema oder bei entsprechenden kariösen Defekten und bei ausgedehnten Frontzahnfrakturen [1, 16]. Bei der Indikationsstellung für ein Keramikveneer sollte bedacht werden, dass diese Art der Restauration in Konkurrenz steht mit weniger invasiven Verfahren, das heißt Kompositrestaurationen, und der Behandler abwägen muss, ob er im jeweiligen Falle direkten oder indirekten Verfahren den Vorzug gibt. Ästhetisch zufrieden stellende Resultate sind meist dann zu erwarten, wenn das Veneer zirkulär von Schmelz begrenzt wird. Um eine bestmögliche mikromechanische Retention mithilfe der Schmelz-Ätztechnik zu gewährleisten, und um eine Irritation der Pulpa zu minimieren, soll bei der Präparation möglichst wenig Dentin freigelegt werden.

Klinische Langzeituntersuchungen, die eine fundierte Bewertung der Restaurationsart „Veneer“ erlauben, vor allem hinsichtlich der Dauerhaftigkeit des ästhetischen Erscheinungsbildes, der durchschnittlichen Verweildauer im Mund oder bezüglich lokaler Nebenwirkungen (langfristige Reaktionen der Pulpa und des marginalen Parodontiums, Sekundärkaries und mehr) wurden publiziert. Die labiale Verblendung anteriorer Zähne mit einem Keramikveneer kann damit heute als wissenschaftlich anerkannte definitive Restaurationsart bezeichnet werden [15, 16].

Daten aus klinischen Studien mit relativ wenigen Fällen deuten darauf hin, dass modifizierte, oral-inzisale Keramik-Veneers zur (Wieder-)Herstellung der Eckzahnführung beziehungsweise zur Etablierung einer eckzahngestützten Okklusion geeignet sind. Diese Maßnahmen im Rahmen der zahnärztlichen Funktionstherapie setzen in der Regel eine vorherige Funktionsdiagnostik und gegebenenfalls eine Simulation der Therapie mit reversiblen Mitteln voraus [12, 20].

Bewertung

Die oben getroffenen Aussagen führen zu der Bewertung, dass Keramikinlays, -teilkronen und -veneers für die Anwendung in der Praxis empfohlen werden können, sofern die materialspezifischen Eigenschaften bei der Indikationsstellung, Präparateauswahl und -verarbeitung sorgfältige Berücksichtigung finden.

Die vorliegenden Empfehlungen basieren auf Daten experimenteller Untersuchungen, retrospektiver klinischer Erhebungen sowie kontrollierter klinischer Studien (Evidenzgrad B). Insbesondere die Zahl randomisierter klinischer Studien bedarf einer weiteren Steigerung, um eine zuverlässige Indikationsabgrenzung zu direkten zahnfarbenen Restaurationen einerseits und indirekten Gussmetallrestaurationen andererseits vornehmen zu können. Auch der Haltbarkeitsvergleich von Keramikinlays, -teilkronen und -veneers im Vergleich zu verschiedenen Formen von Vollüberkronungen bedarf einer weiteren wissenschaftlichen Absicherung.

G. Schmalz, RegensburgW. Geurtsen, HannoverB. Haller, UlmM. Federlin, Regensburg

Mit freundlicher Genehmigung aus dzz 9/07

 

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