Herpes zoster bei Erwachsenen

Rosen, die nie verblühen

Windpocken sind besonders ansteckend. Fast jedes Kind macht irgendwann ihre Bekanntschaft. Das gleiche Virus, das bei Kindern den Bläschenausschlag auslöst, kann Jahre später auch den Erwachsenen peinigen: als Gürtelrose oder Herpes zoster. Bei jedem zweiten Patienten verursachen die oft sehr schmerzhaften „Rosen“ lange andauernde Nervenschmerzen.

Die gemeinsamen Erreger von Windpocken und Zoster sind die Varicella-Zoster-Viren (VZV), die zur Gruppe der Herpesviren gehören. Sie wandern nach Ausheilung der ersten Infektion, der Windpockenkrankheit, entlang der Nerven in die so genannten Spinal- und Hirnnervenganglien. Dort „schlafen“ sie viele Jahre lang. Macht dann das Immunsystem durch Krankheit oder Stress eine Schwächephase durch, werden sie erneut aktiv.

Gürtelrosen können in jedem Alter auftreten, bei Menschen über 50 Jahren kommen sie aber besonders häufig vor. Ein großes Problem: Auch nach Abheilen der „Rose“ leidet bis zu jeder zweite Betroffene unter lange andauernden Nervenschmerzen, genannt Postherpetische oder Postzosterische Neuralgie (PHN / PZN).

Die Viren erwachen

Normalerweise beginnt die Krankheit mit vieldeutigen Symptomen. Oft gehören Übelkeit, Kopfschmerzen, Hautkribbeln, Durchfall und Schüttelfrost dazu. Eindeutig wird die Diagnose, wenn nach drei bis vier Tagen die heftigen, brennenden und juckenden Schmerzen einsetzen, die den Rumpf wie ein breites Schmerzband umfassen. „In etwa 55 Prozent der Fälle entsteht ein halbkreisförmiger Ausschlag thorakal, von der Mittellinie des Rückens bis zur Mittellinie der Körpervorderseite – daher der Name Gürtelrose“, berichtete Prof. Dr. Ralf Baron, Leiter der Sektion Neurologische Schmerzforschung am Universitätsklinikum Kiel, beim Schmerzkongress in Berlin. „Es bilden sich stecknadelkopfgroße, wasserklare, perlartige Bläschen, die dem Ausbreitungsgebiet eines Dermatoms folgen.“ Bei den meisten Patienten kommt es innerhalb von vier Wochen zur Abheilung der Hautveränderungen und nach acht Wochen zum Ende der Schmerzsymptomatik. Persistieren die Beschwerden jedoch oder folgt dem Akutschmerz eine anhaltende Schmerzsymptomatik, besteht Verdacht auf eine PZN.

Der Bereich von Brustkorb und Rumpf ist nicht der einzige Lokalisationsort des Zosters: Bei jedem vierten Patienten sind Kopfnerven betroffen, zwölf Prozent der Gürtelrosen entwickeln sich am Hals. In solchen Fällen erstrecken sich die Bläschen über den halben Kopf, eine Stirnseite, Gesichts- oder Nackenseite. „Das kann gefährliche Folgen haben“, warnt Prof. Dr. Sawko W. Wassilew, Direktor der Dermatologischen Klinik Krefeld. „Beim Zoster ophthalmicus ist der erste Ast des Trigeminus-Nervs betroffen. Bei 50 Prozent der Patienten muss mit schwerwiegenden Komplikationen gerechnet werden.“ Häufig komme es zu geschwollenen Augenlidern, Bindehautentzündung, Herabhängen des Augenlids, Entzündungen verschiedener Augenbereiche und zu Lähmungen. Auch Erblindungen seien möglich. Wassilew weiter: „Der Zoster oticus entsteht beim Befall des zweiten oder dritten Asts des Trigeminus und gefährdet vor allem das Gehör und das Gleichgewichtsorgan. Es kann zu Schwindel, Tinnitus und Taubheit kommen. Eine häufige Folge ist die Fazialisparese.“ Betroffen ist nach Angaben des Experten auch der Mundbereich. „Der Zoster oticus führt zu Läsionen der Mundschleimhaut mit Entzündungen wie etwa Aphthen, Erosionen, Ulzerationen und Gingivitis“, erklärt der Mediziner.

Bleibende Schmerzen

Bei manchen Menschen verursacht die Gürtelrose nur leicht brennende, juckende Beschwerden; andere dagegen haben so starke Schmerzen, dass sie die Krankheit zunächst für eine Blinddarmentzündungoder eine Nieren- oder Gallenkolik halten. Doch auch nachdem die Hauterscheinungen abgeheilt sind, bleiben manchmal – wie eingangs erwähnt – Nervenschmerzen zurück. „Die PHN oder PZN ist eine besonders schwere Komplikation“, konstatiert Prof. Dr. Peter Wutzler, Direktor des Instituts für Virologie und Antivirale Therapie der Universität Jena. „Wir verstehen darunter einen Schmerz, der länger als vier Wochen anhält oder der erst vier Wochen oder später nach einem schmerzfreien Intervall wieder einsetzt.“

Wutzler und seine Mitarbeiter begleiteten in einer Studie über 2 000 Patienten, die akut unter Gürtelrose litten. Das Ergebnis nach einem halben Jahr Beobachtungszeit:

• 10 bis 20 Prozent der Erkrankten entwickelten chronische postzosterische Schmerzen;

•  das PHN-Risiko nimmt im Alter zu. Laut Studie sind 25 bis 50 Prozent der Zosterpatienten mit PHN älter als 50 Jahre;

•  bei Älteren halten sich die Schmerzen besonders hartnäckig. Bei 30 bis 50 Prozent länger als drei Monate, bei 20 Prozent sogar länger als ein Jahr. Seit einigen Jahren lässt sich die Gürtelrose mit sogenannten Virostatika effektiv behandeln. Voraussetzung ist, dass die Therapie in einem möglichst frühen Stadium beginnt. Zusätzlich kommen Schmerzmittel zum Einsatz. Weitere Medikamente aus der Gruppe der Antidepressiva und Anti-Epilepsie- Mittel (Antikonvulsiva) können ebenfalls die Schmerzen lindern und die Häufigkeit der PZN verringern.

Prof. Baron: „Realistische Ziele einer medikamentösen Therapie der PZN sind eine Schmerzreduktion von 30 bis 50 Prozent, eine Verbesserung der Schlafqualität, die Erhaltung der sozialen Aktivität und des sozialen Beziehungsgefüges und die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Aber: Eine völlige Schmerzfreiheit kann fast nie erreicht werden.“

Neuer Impfstoff

Aus diesem Grund wurde in den USA ein neuartiger Zoster-Impfstoff entwickelt. Seine Erprobung erfolgte in einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie an 38 546 Erwachsenen über 60. Die Mediziner registrierten in den darauf folgenden drei Jahren 957 Fälle eines Herpes zoster, davon 315 unter den geimpften und 642 unter den mit Placebo behandelten Personen. Das PHN-Risiko verringerte sich dank der Behandlung um mehr als zwei Drittel.

Die Europäische Kommission hat den Impfstoff „Zostavax“ von Sanofi Pasteur MSD bereits zugelassen, allerdings erst in tiefgefrorener Form. Die Zulassung einer den hiesigen Gewohnheiten konformen kühlschrankstabilen Formulierung ist beantragt, könnte jedoch bis zum Frühjahr 2007 dauern. Ob die Impfung eines Tages für alle Senioren empfohlen wird, steht auch in den USA noch nicht fest. Die Kosten liegen dort mit 500 Dollar pro Impfung extrem hoch. Der in Europa zu erwartende Preis der Impfung ist noch nicht bekannt.

In der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ kommentierte der Kieler Immunologe Prof. Dr. Jörg Steinmann die aktuelle Lage so: „Um bei älteren Menschen einen Impferfolg erzielen zu können, muss man sehr große Virusmengen einsetzen. Daher war der in dieser Studie eingesetzte Impfstoff zehnfach höher dosiert als die (für Kinder) zugelassenen Impfstoffe. Trotzdem hat er nur zwei Drittel der Patienten vor der Neuralgie geschützt. Damit ist gezeigt, dass die Impfung prinzipiell funktioniert. Bis zur allgemein empfehlenswerten Herpes-Zoster- Impfung ist es aber noch ein weiter Weg.“

Lajos SchöneGerstäckerstr.981827 München

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