40. Jahrestagung Neue Gruppe

Wege zur Implantation

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Zum vierzigjährigen Bestehen der Neuen Gruppe fand die Jahrestagung 2006 in Hannover statt. „Wege zur Implantation“ – so die Überschrift in deren Zeichen sich das Tagungsprogramm widerspiegelte. Verfahren und Techniken der Hart- und Weichgewebeaugmentation standen im Vordergrund der Veranstaltung.

Der Beginn der Vorträge wurde durch Prof. Dr. Dr. Nils-C. Gellrich, Hannover, eingeleitet, der in seinem Vortrag unter der Überschrift „Moderne patientenorientierte Verfahren zu Diagnostik und Augmentation des Implantatlagers“ auf die Vorteile des 3D- Imaging durch das Digitale Volumen- Tomogramm (DVT) hinwies. Als einen unmittelbaren Vorteil für die Diagnostik nannte Prof. Gellrich beispielsweise die präoperative Diagnostik zur Entnahme eines Teiles der Crista zygomaticoalveolaris. Diese eignet sich seiner Meinung nach, bedingt durch die physiologische Kurvatur der anatomischen Struktur, besonders gut für die komplexe Rekonstruktion von defizitären transversalen Dimensionen des Kieferkamms. Anschließend ergriff Prof. Dr. Dr. Friedrich W. Neukam, Erlangen, das Wort, und stellte in seinem Vortrag die Indikationen und Kontraindikationen für Implantate in Abhängigkeit vom Restknochenangebot dar.

Als absolute Werte kristallisieren sich laut Prof. Neukam aus der Literatur eine vertikale Grenzhöhe von sechs bis acht Millimetern und eine Breite von vier Millimetern für eine große implantationstechnische Sicherheit und somit gute Langzeitprognose heraus. Auch osteoplastische Rekonstruktionen zum Aufbau des atrophierten Unterkiefers beziehungsweise die Sinusbodenelevation des Oberkiefers sind heute als wissenschaftlich abgesicherte Therapiekonzepte anzusehen.

Besonderes Augenmerk lenkte der Dozent auf die Sofortimplantation. Hierbei führte er tierexperimentielle Studien an Hunden an, bei denen es acht Wochen nach der Extraktion eines Zahnes zu Resorptionen von bis zu zwei Millimetern gekommen war. Wird nach der Extraktion direkt implantiert, so wird die Resorption aufgrund der schlechteren Durchblutung noch verstärkt.

Weiterhin wies der Referent auf die hohe Erfolgssicherheit der Sinusbodenelevation hin, wobei es, wissenschaftliche Literatur zugrunde gelegt, keine signifikanten Unterschiede bezüglich der verwendeten Ersatzmaterialien zur Elevation gebe.

Tissue engineering

„Das therapeutische Potenzial von tissue engineering“ lautete die Überschrift des Vortrages von Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen, Freiburg.

Prof. Schmelzeisen wies zu Beginn seines Vortrages auf den Goldstandard augmentativer Verfahren hin, der nach wie vor in der Verwendung von autologem Knochen liegt. Als entscheidenden Nachteil machte er je nach Entnahmeort des Augmentats auf die nicht unerhebliche Morbidität durch den Eingriff aufmerksam. Somit wagte er einen Blick über die Verfahren der Zahnmedizin, die sich vor allem in der Verwendung von Materialien begründen, hinaus zum Fachbereich der Orthopädie. Hier stehen bei der Therapie nicht Materialien im Vordergrund, sondern Zellen. Somit wäre eine Kombination dieser beiden Therapieansätze sicherlich eine Bereicherung der Zahnmedizin. Als langfristiges Ziel verwies der Referent auf Materialien, die eventuell höheres Potential als der autologe Knochen aufweisen, um die Entnahmemorbidität des Patienten komplett zu umgehen.

Ein erster Schritt in diese Richtung zeigt eine Tierstudie, in der der Einsatz von Stammzellen in Verbindung mit alloplastischem Material nach 16 Wochen eine bessere Knochenneubildung mit Knochenpenetrationen auch in den Mikroporen gezeigt hat als bei der Verwendung alleiniger Spongiosa. Somit wird der Stellenwert von Stammzellen bei Augmentationsverfahren laut Prof. Schmelzeisen in Zukunft zunehmen.

Sofortbelastung und Sofortversorgung

Ein beschleunigtes Versorgungskonzept ist im Bereich der Implantologie sehr erstrebenswert und wird im Unterkiefer bereits bei interforaminären Implantatversorgungen erfolgreich umgesetzt. Ähnliches klinisches Vorgehen im Oberkiefer oder im postforaminären Unterkiefer ist aber bislang wenig untersucht. Als wesentliche Voraussetzung für die ungestörte Osseointegration stellten Prof. Dr. Dr. Elmar Esser und Dr. Stefan Hümmeke, beide Osnabrück, die Ver- meidung jeglicher mechanischer Überbelastung des Implantatbettes dar. Anhand einer Studie von Cannizzaro & Leone wurde für den Einzelzahnersatz im Oberkiefer ein positiver Trend für die Sofortbelastung im Gegensatz zur konventionellen Behandlung mit sekundärer Belastung aufgezeigt.

Zeitpunkt der Implantation

Mit dem richtigen Implantatzeitpunkt befasste sich Dr. Ronald Jung, Zürich, und gab den Zuhörern in seinem brillanten und klar gegliederten Vortrag Entscheidungshilfen an die Hand, diesen richtig zu wählen. Zu Beginn zeigte er die vier möglichen Implantationszeitpunkte auf und entwickelte auf dieser Grundlage ein Konzept zur Umsetzung in der Therapie. Der Zeitpunkt der Implantation sollte auch befundabhängig gewählt werden und kann nicht pauschalisiert werden. Die Sichtbarkeit der Zähne hat entscheidenden Einfluss auf den Zeitpunkt, da im sichtbaren Bereich eine Typ 1 Implantation auf Grund der zu diesem Zeitpunkt nicht abschätzbaren Rezessionen nicht Erfolg versprechend sein kann in Hinsicht auf eine adäquate Ästhetik. Der Referent wies erneut darauf hin, dass durch eine Sofortimplantation nicht per se Knochen erhalten werden kann. Auch die Anzahl der Wurzeln hat Einfluss auf den Zeitpunkt, da es unter Umständen bei mehrwurzeligen Zähnen bei einer Sofortimplantation zu Problemen mit der Primärstabilität kommen kann, da die Alveole eine zu geringe Knochenstruktur aufweist.

Der Einheilmodus, der wiederum aufgrund des Gingivaphänotyps gewählt werden sollte, beeinflusst ebenfalls den Zeitpunkt der Implantation. Wird die transmukosale Einheilung gewählt, so sollte ein dicker Biotyp der Gingiva vorliegen, der dann mit einer Implantation von Typ 1 kombiniert werden kann. Bezüglich des Knochenangebotes sollen laut Jung mindestens drei Millimeter vorhanden sein um die Primärstabilität zu gewährleisten. Als zusammenfassende Arbeitsthese schlussfolgerte Dr. Jung, dass bei einem Frontzahn eine Typ 2, bei einem Prämolaren eine Typ 1 und bei einem Molaren eine Typ 3 Implantation gewählt werden kann.

Optimierung der Implantatästhetik

Der Freitagnachmittag stand schließlich im Zeichen der Berner Schule. Prof. Dr. Daniel Buser, Bern, zeigte in seinem Vortrag Möglichkeiten und Grenzen zur Optimierung der Implantatästhetik auf, die durch lokale Knochenaugmentationen ermöglicht werden.

Entscheidend sei es seiner Meinung nach, bereits bei der Planung ein der Lage im Kiefer entsprechendes Implantat in Hinsicht auf den Durchmesser auszuwählen. Ansonsten kann es zu ästhetisch ungünstigen prothetischen Versorgungen kommen, da dem Techniker keine Freiräume zur Gestal tung des Zahnersatzes bleiben. Gleiches gilt für die Lage des Implantats, wobei ein zu weit nach vestibulär gesetztes Implantat im Frontzahnbereich ähnliche Probleme nach sich zieht. Zwei Millimeter vestibuläre Knochenlamelle sind nach seinen Angaben mindestens nötig, um eine ausreichende Ernährung der bukkalen Knochenstrukturen zu gewährleisten und um Rezessionen im Bereich der Gingiva vorzubeugen. Bei diversen Fallberichten erstaunte Prof. Buser mit seiner klinischen Umsetzung bei Befunden von vier fehlenden Frontzähnen. Hierbei ist es seiner Meinung nach ästhetisch am sinnvollsten, in der regio des mittleren Schneidezahns und im anderen Quadranten in regio des seitlichen Schneidezahns zu implantieren und die restlichen Zähne durch eine Brücke beziehungsweise Anhängerbrücke nach distal zu ergänzen. Somit sei eine maximale prothetische Stabilität und ästhetische Ausformung des Weichgewebes gegeben. Die Möglichkeit der Implantation in regio der jeweiligen Zweier nannte Prof. Buser erst als zweite Alternative. Eindringlich wies der Referent darauf hin, dass bei einer dünnen vestibulären Lamelle eine Überextension mit Knochenmaterial sinnvoll sei um eventuelle Resorptionen zu kompensieren.

Bezüglich der Augmentationen stellte Prof. Buser klar, dass der Goldstandard immer noch in der Verwendung autologen Knochens, gegebenenfalls in Verbindung mit DBBM (Demineralized Bovine Bone Matrix) für eine verbesserte Volumenstabilität, liege. Im weiteren Verlauf diskutierte er die Verwendung von Sofortimplantaten im Vergleich zur konventionellen Spätimplantation. So sprechen seiner Meinung nach ein ausreichendes Knochenangebot, ein dicker Gingivabiotyp und ein fehlen jeglicher Entzündungszeichen in der Implantationsregion für das Verfahren der Sofortimplantation. Abschließend ging der Referent auf den lokalen Kammaufbau mit der GBR Technik ein. Allerdings verwies er hier auch auf den nach wie vor geltenden Goldstandard der Blockaugmentation, welcher am nächsten Tag ausführlich von Dr. Michael Pikos aufgegriffen wurde.

Augmentationstechniken

Dr. Michael Pikos, Palm Habor, Florida, gab einen Einblick in die aktuellen Verfahren der horizontalen und vertikalen Augmentationstechniken. Aus seiner ausschließlich implantologisch ausgerichteten Praxis zeigte der Referent in einem anschaulichen Vortrag seine präoperativen Planungen und die entsprechende chirurgische Umsetzung.

Bei jeglicher Blockaugmentation fertigt der Referent vorher ein Computertomogramm an, um anhand dieser Daten präoperativ die Entnahme- und auch die Empfängerregion beurteilen zu können. Bei der Augmentatentnahme von der Symphysenregion verschafft sich der Referent durch eine intrasulkäre Inzision Zugang zu der vestibulären Kortikalis. Hierbei sei es von entscheidender Bedeutung „the 5mm rule“ zu befolgen. Danach sollte fünf Millimeter Abstand zu den Wurzelspitzen der Unterkieferfrontzähne, fünf Millimeter Abstand nach mesial zum Foramen mentale und fünf Millimeter zur Unterkante des Unterkiefers eingehalten werden.

Bei der Augmentation anlässlich des Sinusbodenlifts haben sich seiner Erfahrung nach eine Mischung aus 50 Prozent autologem und 50 Prozent xenogenem Material bewährt. Nach Angaben des Referenten hat sich eine Erfolgsrate bei mandibulären Blockaugmentaten von 97,5 Prozent eingestellt.

Abschließend ergriff Dr. Eduardo Anitua, Vitoria, das Wort. In seinem zentralen Thema PRGF (Plasma Rich in Growth Factors) erläuterte er die Wirkungen und unterstrich diese durch klinisch belegte Studien. Ein wesentlicher Unterschied bestehe hierbei zu PRP. PRGF, so Anitua, induziert unter anderem die Angiogenese und ist das einzige System, das keine Leukozyten und somit auch keine inflammatorischen Interleukine enthält, da es bei einer geringeren Zentrifugationsgeschwindigkeit gewonnen wird als PRP. Des Weiteren stellte er einige Neuerungen vor, wie einen Implantatbohrer, der mit nur 50 rpm benutzt wird, um zusätzlich Knochenspäne zu sammeln. Abschließend zeigte er klinische Bilder in hervorragender Qualität über den vielfachen Einsatz von PRGF. So ergibt sich bei der Anwendung von PRGF in der Alveole unmittelbar nach einer Extraktion der Vorteil einer schnelleren und besseren Regeneration und somit eine Verkürzung der Behandlungsdauer bei der Implantatversorgung allgemein. Im Zusammenhang der Kieferkammprophylaxe nach der Extraktion ist dieses Verfahren daher ein in der Praxis durchaus sinnvoll einsetzbares Verfahren als „biologische Augmentationsalternative“.

Dr. Martin Sachs –Praxis Dr. Raphael BorchardHoyastraße 148147 Münstersachs@paroimplant.de

Dr. Stefan SchnitzerPraxis Dr. Dr. Andres StrickerWessenbergstraße 678462 Konstanz

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