Gut versorgt
Weil die europäischen Gesundheitssysteme vor neuen Herausforderungen stehen, will die EU mit der „Offenen Methode der Koordinierung, kurz OMK, ihre Sozial- und Gesundheitspolitik besser aufeinander abstimmen. Das betonte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, deren Ministerium die Langzeitstudie auflegen ließ. Der BMGBericht vergleicht die Sozialversicherungssysteme von 1994 bis 2004 der damals 15 EU-Staaten.
Ziel sei es, allen den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung zu ermöglichen und Kriterien, wie Qualitätsorientierung und finanzielle Nachhaltigkeit, im Gesundheitswesen der EU zu etablieren. Die Länder sollen voneinander lernen und ihre Erfahrungen für die Weiterentwicklung der Systeme nutzen. Soweit die Theorie. Doch was besagt die Praxis?
Kurz gefasst kommt die Studie zu folgenden Ergebnissen: Deutschlands Gesundheitssystem kann sich im Vergleich mit den meisten anderen Mitgliedstaaten der EU sehen lassen. Was das personelle Angebot angeht, ist Deutschland sogar spitze – sowohl bei den Ärzten als auch bei der Versorgung mit Langzeit- und Akutbetten. Die Versorgungsdichte mit Zahnärzten, Krankenschwestern und Apothekern liegt indes im Mittelfeld. Im Schnitt kommen in der BRD auf 100 000 Einwohner insgesamt 352 Ärzte und 858 Klinik- und Pflegebetten. Nur Belgien und Griechenland besitzen eine höhere Ärztedichte. In der EU insgesamt gibt es auf 100 000 Einwohner im Mittel 320 Mediziner und 575 Betten.
Bei der Lebenserwartung reiht sich Deutschland dagegen nur ins Mittelfeld ein. Ganz vorn positionieren sich Schweden, Spanien, Italien und Frankreich. Schweden hat die geringste, Großbritannien die höchste Säuglingssterblichkeit. In Deutschland sterben im Durchschnitt 4,1 von 1 000 Neugeborenen; Männer werden 76,2, Frauen 82,1 Jahre alt.
Gesundheit: Väterchen Staat zahlt
Die Gesundheitsausgaben betragen hierzulande pro Kopf 2 608 Euro. Mehr gaben im Vergleichszeitraum nur die Luxemburger (4 116 Euro), Österreicher (2 844 Euro) und Franzosen (2 620 Euro) für ihre Gesundheit aus. Davon zahlen Patienten in Deutschland 12 Prozent aus eigener Tasche zu. In der EU liegt der Selbstzahleranteil hingegen bei 14,3 Prozent. Steht Deutschland also bei den Pro-Kopf-Ausgaben an vierter Stelle, belegt es bei der Gesundheitsausgabenquote am Bruttoinlandsprodukt zusammen mit Frankreich die Pole-Position (10,6 Prozent). Der EU-Durchschnitt beträgt 9,5 Prozent. Auch bei der öffentlichen Gesundheitsausgabenquote besetzt Deutschland (8,2 Prozent) einen Rang weit vorn: Wir stehen nach Frankreich (8,4 Prozent) auf Platz zwei. Hier liegt die EU durchschnittlich bei 7,3 Prozent. Mit anderen Worten: Was die Zahlungsbereitschaft für Gesundheitsleistungen betrifft, sind wir nicht zu toppen. Was die Belastung der öffentlichen Haushalte dafür angeht, übertreffen uns nur die Franzosen.
Bayern ist nicht gleich NRW
Doch auch innerhalb Deutschlands gibt es große Unterschiede: Baden-Württemberg, gefolgt von Bayern steht bei der Lebenserwartung an erster Stelle. Schlusslichter bilden Sachsen-Anhalt, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Säuglingssterblichkeit erzielen ebenfalls Baden- Württemberg und Bayern, zusammen mit Sachsen, die besten Werte. Ganz unten rangieren Thüringen und NRW. Die höchste Arztdichte haben Berlin, Bremen und Hamburg. Am Ende stehen Brandenburg und Niedersachsen, sowohl bei den Haus- wie bei den Fachärzten. Bei der Zahnarztdichte stehen neben Thüringen auch Berlin und Hamburg an der Spitze. Abgeschlagen sind Brandenburg, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Die Landesärztekammer Sachsen rügte allerdings, dass bei dieser Aufstellung die Qualität der medizinischen Versorgung nicht geprüft wurde. Letztlich sei die Qualität der Versorgung aber zentral für die Beurteilung von Gesundheitssystemen.
Dazu gehörten die Effektivität und Sicherheit der Versorgung, Patientenrechte, Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren wie Innovationen. Ebenso Wartezeiten für OPs und Termine bei Fachärzten. Hier, so die Landesärztekammer, sei Deutschland mit Sicherheit vorne zu finden.