Medizinerquoten in Österreich

Teilsieg für die Alpenrepublik

Heftarchiv Gesellschaft
Österreich muss seine umstrittenen Quoten für das Medizin- und Zahnmedizinstudium vorerst nicht abschaffen. Dies sieht ein zwischen Österreich und der Europäischen Kommission geschlossener Kompromiss vor. Deutsche Studienplatzanwärter müssen folglich weiter damit rechnen, dass österreichische Universitäten sie ablehnen.

Die Europäische Kommission hat im Streit um die Medizinerquoten in Österreich eingelenkt. Kurz vor dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder Mitte Oktober in Lissabon kündigte Kommissionspräsident José Manuel Barroso an, die Alpenrepublik vorerst nicht vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen. Das im Januar eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren soll für zunächst fünf Jahre auf Eis gelegt werden. Mit der Klage wollte Brüssel die österreichische Regierung zwingen, die Zugangsbeschränkungen für ausländische Medizin- und Zahnmedizinstudenten an österreichischen Universitäten aufzuheben.

Hürden für deutsche Studenten

Die Hürden, die vor allem deutsche Studenten benachteiligen, da Österreich bei ihnen als Studienland besonders beliebt ist, gelten seit dem vergangenen Wintersemester. Seitdem sind an den Medizin- und Zahnmedizinuniversitäten in Wien, Graz und Innsbruck drei Viertel der Studienplätze Abiturienten aus Österreich vorbehalten. Weitere 20 Prozent gehen an Anwärter aus anderen EU-Ländern. Die verbleibenden fünf Prozent dürfen Studenten aus Drittstaaten belegen.

Eine solche Regelung verstoße gegen das Gebot der Freizügigkeit, urteilte die Europäische Kommission und drohte mit einer Klage vor dem EuGH.

Wegen dieser Frage sind Brüssel und Wien allerdings nicht zum ersten Mal aneinandergeraten. Vor einigen Jahren hatte die Kommission Österreich schon einmal vor dem EuGH verklagt, weil die Alpenrepublik den Ansturm von Studienplatzanwärtern aus dem Ausland mit diversen Tricks zu bewältigen versuchte. Deutsche Abiturienten beispielsweise durften in Österreich nur mit dem Medizinstudium beginnen, wenn sie einen entsprechenden Studienplatz in Deutschland nachweisen konnten.

Unter diese zehn Jahre währende diskriminierende Praxis zog der EuGH im Juli 2005 einen Schlussstrich. Daraufhin führte Wien die Quotenregelung ein.

Dem Land gehen die Ärzte aus

Doch selbst die Gefahr einer erneuten Klage kann die Alpenrepublik nicht einschüchtern. Ende Mai händigte Wissenschaftsminister Johannes Hahn der Kommission eine 600- seitige Stellungnahme aus, die belegen sollte, warum Österreich nicht auf die aktuellen Quotenregelungen verzichten kann. Hauptgrund sei, dass dem Land allmählich die Ärzte ausgehen, heißt es in dem Papier. Denn die meisten ausländischen Studenten blieben nach dem Studium nicht in Österreich, sondern gingen zurück in ihre Heimat oder in andere EU-Länder. Die Argumentation reichte der Kommission jedoch nicht aus. Der Streit um die Zugangsbeschränkungen gärte weiter.

Mitte Oktober legte die österreichische Bundesregierung daher nach und drohte damit, den Zwist um die Quoten zum Thema auf dem EU-Gipfel zu machen, um die Kommission unter Druck zu setzen, zumal die Angelegenheit aus österreichischer Sicht auch die Frage nach der Grenze zwischen nationalen und europäischen Zuständigkeiten aufwirft. Das zog. Mit der Aussetzung des Verfahrens will Kommissionspräsident Barroso den Österreichern nun mehr Zeit geben, ihre Position zu untermauern.

Der Streit zwischen Wien und Brüssel ist damit allerdings noch nicht endgültig beigelegt. Sollte es der österreichischen Regierung nämlich nicht gelingen, Brüssel zu überzeugen, muss das Land weiterhin mit einer Aufhebung der Quotenregelung durch den EuGH rechnen.

Petra SpielbergRue Belliard 197/b4B-1040 Brüssel

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