Gebäudetechnik in der Praxis

Perfektes Betriebsklima

Manche mögen’s heiß... Aber sicher nicht auf dem Behandlungsstuhl. Denn auch wenn es die gegenwärtigen Temperaturen kaum erahnen lassen: Der nächste Sommer kommt bestimmt. Und mit ihm nicht nur die angenehmen Stunden im Freien, sondern auch die oftmals unerträgliche Hitze in Innenräumen. In Zahnarztpraxen können die Temperaturen dann leicht über längeren Zeitraum die Marke von 25 °C überschreiten und die Leistungsfähigkeit und Konzentration der Mitarbeiter einschränken. Was tun?

Die letzten Sommer waren in Deutschland durchweg wärmer als im langjährigen Mittel. Und dieser Trend wird sich wohl weiter fortsetzen. Denn der beginnende Klimawandel sorgt für deutlich mehr Wetterextreme. Damit einher gehen in vielen Fällen überhitzte Innenräume. Ein Problem, das auch Dr. Ulrich Spohr und Dr. Stefan Schmidt kennen: In ihrer Praxis für Kieferorthopädie in Kassel-Wilhelmshöhe herrschte während der heißen Tage im letzten Sommer wochenlang der Ausnahmezustand, weil es in der Penthouse-Lage unterm Dach zu heiß wurde. „Bei der Suche nach Einsparpotenzialen in Sachen Wärme haben wir dann irgendwann sogar beschlossen, unsere Nemo-Bildschirmschoner abzuschalten“, berichtet Dr. Ulrich Spohr lachend. „Irgendwie mussten wir ja versuchen, die Temperaturen in den Griff zu bekommen.“ 

Treibhaus Arbeitsplatz

Neben derlei Trickgriffen bleibt oft nur die Möglichkeit, die Fenster zu öffnen und auf Durchzug zu hoffen, um so die verbrauchte Warmluft zumindest gegen frische austauschen zu können. Oder sich mit dem Treibhausklima abzufinden und auf kühleres Wetter zu warten. Dabei ist in der auch für Zahnarztpraxen gültigen Arbeitsstättenverordnung – die deutlich strengere, vor allem hygienetechnische Aspekte umfassende DIN 1946 Teil 4 gilt in der Regel nur für Krankenhäuser – eindeutig festgelegt, dass in Arbeitsräumen „während der Arbeitszeit eine unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein muss.“ Um das zu ermöglichen, darf in Arbeits- und Praxisräumen bei Außentemperaturen von bis zu 32 °C die Innentemperatur 26 °C nicht übersteigen. Bei höheren Außentemperaturen müssen die Innenraumtemperaturen dann ebenfalls mindestens sechs Grad unter der Außentemperatur bleiben. Als Maßstab gelten dabei nicht die Temperaturen in einem besonders kühlen Bereich, sondern die am einzelnen Arbeitsplatz. Hintergrund der Gesetzgebung: Bei etwa 20 °C ist der Mensch hundertprozentig leistungsfähig. Bei 28 °C sinkt die Leistungsfähigkeit nach wissenschaftlichen Untersuchungen auf 70 Prozent und bei 33 Grad sogar auf unter 50 Prozent! Lassen sich die vorgegebenen Werte nicht einhalten, dann sind aus rechtlicher Sicht zwei Faktoren wichtig: Zum einen stellen höhere Temperaturen grundsätzlich einen Sachmangel der betreffenden Immobile dar. Der Praxisinhaber, wenn er nicht der Eigentümer des Objekts ist, hat daher das Recht, eine Mietminderung zu erwirken. Dabei gilt in jedem Fall, keine Zeit zu verlieren. Denn ein heißer Sommer ohne Rückmeldung lässt den Anspruch verfallen! Rügt ein Praxisinhaber die hohen Temperaturen also erst, nachdem er zwei Jahre lang die volle Miete gezahlt hat, dann kann er nachträglich keine Mietminderung mehr geltend machen. Wichtig ist dabei, den Mangel nicht nur mitzuteilen, sondern auch tatsächlich die gekürzte Miete zu überweisen oder nur unter Vorbehalt zu zahlen. Denn wenn der Zahnarzt die Miete weiterhin und vorbehaltlos in voller Höhe zahlt, kann der Vermieter rechtlich davon ausgehen, dass sich der Mieter mit dem vorgefundenen Zustand arrangiert hat.

Mit kühlem Kopf arbeiten

Darüber hinaus sind natürlich die Angestellten der Praxis betroffen: Wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden können, dann dürfte in den Räumlichkeiten eigentlich niemand beschäftigt werden. Rein rechtlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen ordnungsgemäßen, der Arbeitschutzrichtlinie entsprechenden Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Sobald dies hier nicht mehr gegeben ist, könnten Beschäftigte also klagen, auch wenn dies kaum vorkommt. Dennoch sollte sich der Praxisinhaber der Problematik bewusst sein und wenigstens das „Betriebsklima“ an anderer Stelle verbessern. Durch kostenlose Getränke etwa oder – wenn möglich – durch verlängerte Pausen oder flexible Arbeitszeiten.

Alternative Klimaanlage

Wer sich mit den hohen Temperaturen nicht abfinden will oder kann, für den bietet sich der Einbau einer Klimaanlage an. Diese Option sollte vor allem dann bedacht werden, wenn die Innenraumtemperaturen in einzelnen Räumen oder der gesamten Praxis aufgrund baulicher Gegebenheiten (Dachetage, Südorientierung et cetera) über längeren Zeitraum deutlich oberhalb von 26 °C liegen. Eine Klimaanlage sorgt je nach Wunsch für eine konstante Temperatur durch Kühlung der Luft und kann gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit durch Entoder Befeuchtung regulieren. Einige Modelle reduzieren zusätzlich den Staubanteil in der Luft durch Filterung

Gegen ein altes Image

Trotz dieser offensichtlichen Vorteile haben Klimaanlagen nach wie vor einen schlechten Ruf. „Meist stammt dieses negative Image noch aus den 70er-Jahren, als an eine fachgerechte Reinigung ebenso wenig gedacht wurde wie an Maßnahmen zur Energiesenkung der oft überdimensionierten Anlagen“, so Dipl.-Ing. Hans Kordel, Spezialist für Lüftungs- und Klimatechnik. Seither werden Klimaanlagen bei vielen Menschen in erster Linie mit Energieverschwendung sowie mit Keimen, Schimmelpilzen und anderen Mikroorganismen in Verbindung gebracht. Manche Mitarbeiter in Büros oder Praxen mit Klimaanlagen klagen außerdem über Kopfschmerzen, andere über Allergien, trockenen Hals, gereizte Augen oder erhöhte Infektanfälligkeit – alles mehr oder weniger unspezifische Beschwerden, die unter dem Begriff „Sick Building Syndrome“ zusammengefasst werden. Und in der Tat: „Gerade ältere und nicht fachgerecht gewartete und gereinigte Anlagen können in vielen Fällen problematisch sein“, so Kordel. „Wenn die Anlagen aber nach dem neusten Stand der Technik geplant, gefertigt und gewartet werden, dann sind sie in der Regel relativ unbedenklich, und es lassen sich mit ihnen meist bessere Raumluftwerte erzielen als durch herkömmliche Fensterlüftung. Wichtig ist allerdings, dass die Geräte in der Regel einmal jährlich durch einen Haustechniker oder den Hausbesitzer gewartet und zusätzlich alle fünf bis zehn Jahre durch einen Experten überprüft werden.“

Richtige Dimensionierung

Hat sich der Praxisinhaber trotz der anstehenden Investitions-, Energie- und Wartungskosten zum Einbau einer Klimaanlage entschieden, dann gilt es – am besten in Zusammenarbeit mit einem Haustechniker –, eine effiziente und vor allem richtig dimensionierte Anlage auszuwählen. Eine gute Lösung sind energieeffiziente Systeme mit Wärmerückgewinnung, deren Einbau aber meist nur bei Neubauten lohnt. Für eine bestehende Zahnarztpraxis empfiehlt sich dagegen eher ein Kleinklimagerät zur temporären Kühlung einzelner Räume. Abhängig von den baulichen Bedingen vor Ort lassen sich dabei Stand-, Wand- oder Deckenlösungen einsetzen. Wichtig ist jeweils die Ausblasrichtung, um unangenehme Zugluft zu vermeiden. Optimal ist ein vierseitig ausblasendes Kassettengerät in der Decke. Das verursacht am wenigsten Zugluft. Dazu sind rund 30 cm Platz im Deckenzwischenraum nötig – aber selten vorhanden.

Als Standard-Lösung bieten sich daher so genannte „Split-Anlagen“ an. Sie bestehen aus einem Innengerät, das die verbrauchte Luft ansaugt, filtert und kühlt, und einem damit verbundenen Außengerät, das den Kühlkompressor enthält (moderne Split-Klimaanlagen integrieren außerdem häufig eine Wärmepumpenschaltung, die es ermöglicht, die Klimaanlage auch im Herbst, Winter und Frühling als Energie sparende Zusatzheizung bei einer Außentemperatur von bis zu -15 °C zu betreiben). Bei Stromkosten von etwa 200 Euro pro Saison je Gerät und Raum im Dauerbetrieb sollte man den zu erwartenden Nutzen und die Investitions- und Energiekosten jedoch genau gegeneinander abwägen: Für effiziente Geräte müssen inklusive Einbau etwa 3 000 Euro je Raum einkalkuliert werden. Dabei heißt es allerdings vorausschauend zu handeln und sich am besten im Winter oder im Frühjahr zu entscheiden. „Die allermeisten Kunden rufen erst im Sommer an“, beschreibt Spezialist Kordel seine Erfahrungen. „Doch wenn die große Hitze erst mal da ist, dann ist es schwierig, überhaupt eine Firma zu finden. Und der Einbau ist dann auch deutlich teurer.“ 

Weniger zu empfehlen sind dagegen mobile „Monoblockgeräte“ mit einem Abluftschlauch, der aus dem Fenster gehängt werden kann. „Die Nachteile dieser Lösung liegen auf der Hand“, so Kordel. „Zum einen strömt ein Teil der nach außen geblasenen Abluft durch das offene Fenster wieder ein, zum anderen machen die Geräte einen ziemlichen Lärm. Darüber hinaus sind sie ziemlich störungsanfällig. Die anfallenden Reparaturen kosten dann oft die Hälfte des Neupreises. Außerdem sind die oft ziemlich langwierig, denn da sich die Geräteausführung dauernd ändert, ist die Lagerung von Ersatzteilen fast unmöglich.“ Wenn sich der Zahnarzt dennoch für den Einbau eines Kleinklimagerätes entscheidet, dann sollte er beim Kauf zumindest auf eine gute Energieeffizienzklasse achten, um Energiekosten zu sparen – die Skala reicht von A (gut) bis G (schlecht).  

Temperierung durch Decken

Einen anderen Weg sind Dr. Ulrich Spohr und Dr. Stefan Schmidt gegangen: Um in ihrer „Penthouse-Praxis“ angenehme Temperaturen zu erzielen, ließen sie sich eine Klimadecke installieren. „Das System besteht aus eingebauten Kühlelementen, die in den abgehängten Decken installiert sind und die mit gekühltem beziehungsweise erhitztem Wasser gespeist werden“, erklärt Kordel das simple Prinzip. „Die bei gewöhnlichen Klimaanlagen häufigen Nebenwirkungen, wie störende Geräuschpegel, Sommererkältungen oder Nackensteife durch Zugluft, entfallen auf diese Weise weitgehend.“ Darüber hinaus berücksichtigen Klimadecken die Tatsache, dass ein bedeutender Teil der Körperwärme über den Kopf abgegeben wird. So wundert es kaum, dass die Decken gemeinhin als angenehmste Art der Klimatisierung empfunden werden. Die außerdem nötige Frischluft kann dann über das offene Fenster einströmen. „Letztlich kommen diese Anlagen aber nur für wenige Praxen in Frage“, so Kordel. „Denn neben den hohen Kosten sollte auch bedacht werden, dass es gerade bei kleineren Räumen mit Fenster und Gerätenutzung oft nicht möglich ist, die erforderliche Kühlleistung aus der Deckenfläche herauszubekommen. Gleichzeitig können die Anlagen nur kühlen, nicht aber entfeuchten, was bei sinkenden Temperaturen automatisch dazu führt, dass die Luft als schwül empfunden wird.“  

Für Neubauten, bei denen der Bauherr die gesamte Haustechnik von Anfang an auf das Konzept abstimmt, kann der Einbau einer Klimadecke in einigen Fällen dennoch sinnvoll sein. Denn bei geeigneten räumlichen Voraussetzungen und richtiger Dimensionierung sind die Kühldecken in puncto Raumkomfort allemal unübertroffen.  

Robert UhdeGrenadierweg 3926129 Oldenburg

 

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