Gesundheitsreform in Frankreich

Gefahr für die Freiberuflichkeit

In Frankreich bahnen sich heftige Auseinandersetzungen zwischen der Regierung sowie Vertretern der Ärzte- und Zahnärzteschaft an. Denn Präsident Nicolas Sarkozy will im Gesundheitswesen drastisch sparen. Auch sollen sich Ärzte und Zahnärzte künftig in überversorgten Regionen nicht mehr frei niederlassen dürfen. Die Heilberufsorganisationen laufen bereits Sturm gegen die Pläne.

Anfang Mai war die Welt noch in Ordnung. Damals hatten Frankreichs Ärzte und Zahnärzte die Wahl von Nicolas Sarkozy zum neuen Präsidenten der Republik noch gefeiert.

Doch damit ist es vorbei. Inzwischen sorgt sich vor allem der ärztliche und zahnärztliche Nachwuchs um seine Zukunft. Der Grund: Junge Heilberufler sollen ihren Praxissitz künftig nicht mehr frei wählen dürfen. Eine Niederlassung soll nur noch in unterversorgten Gebieten – vorwiegend in ländlichen Regionen – erlaubt sein. Rund vier Millionen Franzosen hätten bereits Schwierigkeiten, in ihrer Nähe einen Allgemeinarzt zu finden, so das französische Gesundheitsministerium.

Beschränkung der Zulassung

Die Krankenkassen sollen daher nach den Vorstellungen Sarkozys einen entsprechenden Bedarfsplan gemeinsam mit den Ärzteorganisationen erstellen. Die Zulassungsbeschränkungen könnten bereits ab Juni nächsten Jahres greifen. Änderungen sind zudem bei den Vergütungsstrukturen zu erwarten.

Die Pläne sind Teil eines umfassenden Programms, mit dem die französische Regierung von Beginn kommenden Jahres an das marode staatliche Gesundheitssystem reformieren will. Das Minus der Sozialversicherungen beträgt in diesem Jahr zusammengenommen 11,7 Milliarden Euro. Das sind 60 Prozent mehr als erwartet. Etwa die Hälfte davon (6,2 Milliarden Euro) geht zu Lasten der Krankenkassen.

Innerhalb der nächsten zwölf Monate will die Regierung den Schuldenberg auf 8,9 Milliarden Euro zurückfahren. Bereits 2010, spätestens 2012, sollen die Krankenversicherungen über einen ausgeglichenen Haushalt verfügen.

Die Conféderation des Syndicats Médicaux Français (CSMF), die größte französische Ärztevereinigung, bezeichnete die Reformpläne als inakzeptabel. Sie seien mit der Freiberuflichkeit des Berufsstandes nicht vereinbar, so die CSMF. Erfahrungen in anderen Ländern hätten zudem gezeigt, dass Bedarfssteuerungen nicht den gewünschten Erfolg bringen.

Kritik auch von Zahnärzten

Auch die Vertretung der Zahnärzteschaft, die Conféderation Nationale des Syndicats Dentaires (CNSD) lehnt das Vorhaben der Regierung rundweg ab. Es schränke sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch die freie Arztwahl ein, heißt es in einer Stellungnahme der CNSD. Die eigentlichen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung, wie eine unzureichende Erstattung zahnärztlicher Leistungen, blieben jedoch ungelöst.

Die Vereinigungen fürchten zudem, dass die Reform der Sozialversicherung die Macht der Krankenkassen zu Lasten der Ärzte- und Zahnärzteschaft stärken könnte. Denn die Kostenträger sollen künftig nicht nur die Bedarfsplanung aushandeln, sondern auch Einzelverträge mit niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten abschließen dürfen. Für besonders kostenintensive Behandlungen wären nach den Plänen der Regierung zudem Kostenvoranschläge erforderlich. Dies soll auch für zahnärztliche Leistungen gelten.

Die Regierung will den Hebel allerdings nicht nur bei den Niedergelassenen ansetzen. Auch stationäre Einrichtungen und Patienten sind vom Sparprogramm betroffen. So sollen Krankenhäuser künftig ausschließlich für ihre Leistungen bezahlt werden. Einen Finanzausgleich zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen soll es nicht mehr geben.

Patienten wiederum will Sarkozy mit höheren Selbstbehalten zur Kasse bitten. Für Arzneimittelpackungen und Leistungen der Heilhilfsberufe sollen die Franzosen künftig jeweils 50 Cent aus eigener Tasche zuzahlen. Für Krankentransporte plant die Regierung einen Selbstbehalt von je zwei Euro. Als Obergrenze gelten 50 Euro jährlich pro Kopf. Die durchschnittliche Belastung je Versichertem läge nach Berechnungen des französischen Gesundheitsministeriums bei vier Euro im Monat. Die dadurch erzielten Einnahmen von rund 850 Millionen Euro allein in 2008 sollen in die Versorgung von Alzheimer- und Krebspatienten und in die Palliativmedizin fließen.

Sozial ungerecht

Der Ansatz stößt jedoch bei Ärztevertretern, Gewerkschaften, Sozialisten und Krankenversicherungen auf Kritik. Die Pläne seien sozial ungerecht, medizinisch gefährlich und obendrein ökonomisch unsinnig, so der Allgemeinarzt Christian Lehmann. Eine entsprechende Petition haben bereits mehr als 67 000 Franzosen unterschrieben. Auch haben die Betroffenen ihrem Unmut in zahlreichen Streiks und Demonstrationen Luft gemacht.

Schuld an der Misere sei zudem die Politik selbst, kritisieren Ärztevertreter. Denn es ist erst drei Jahre her, dass die französische Regierung ein umfassendes Sanierungsprogramm für die gesetzliche Krankenversicherung verabschiedet hat. Ziel der Reform von 2004 war es, die Krankenkassen bis Ende dieses Jahres zu sanieren. Das Milliardendefizit belege, dass die Regierung auf ganzer Linie gescheitert sei.

Petra SpielbergRue Belliard 197/b4B-1040 Brüssel

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