Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Stellschrauben für den Praxisalltag

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Der 6. Deutsche Kongress für Versorgungsforschung und gleichzeitig 2. Nationale Präventionskongress im Dresdner Hygienemuseum war eine beeindruckende Großveranstaltung: alles, was in der Fachwelt in diesem Themenkreis Rang und Namen hatte, nutzte die Gelegenheit zu einem Expertendiskurs und Meinungsaustausch. Auch die Zahnärzteschaft war eingebunden und nutzte die Gelegenheit, in einem Workshop die Bedeutung der Versorgungsforschung aus Sicht ihres Berufsstandes darzustellen.

„Auch in der Zahnmedizin hat der Aufbau der Versorgungforschung als junger Zweig der Gesundheitswissenschaften in Deutschland begonnen“, betonte BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich, der zusammen mit Prof. Dr. Michael Walter, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der TU Dresden, die Federführung des zahnärztlichen Workshops übernommen hatte. Ausführlich führte er in das Thema ein. Es gehe dabei um praktisch Fragen, zum Beispiel: Wie wirken sich die Praxisgebühr oder die Festzuschüsse aus? Was passiert, wenn sich Stellschrauben im Gesundheitssystem verändern? Das Monitoring und die ökonomischen Aspekte der großen Volkskrankheiten Karies und Parodontitis oder die Abschätzung von zukünftigen Behandlungsbedarfen seien eine Sache. Hinzu kämen unter anderem die Evaluation von Präventionsstrategien, die Beurteilung von Auswirkungen gesundheitspolitischer Entscheidungen auf die zahnmedizinische Versorgungsrealität, die Qualitätsforschung und das Zahnarzt-Patienten-Verhältnis. Hier werde bereits intensiv geforscht, insgesamt sei aber das Wissen noch sehr lückenhaft und vom Praxisalltag weit entfernt.

„Unsere Hauptaufgabe wird es sein, die versorgungspolitische Bedeutung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Fachöffentlichkeit und Politik deutlicher zu vermitteln“, fasste Oesterreich zusammen. Er halte es für wichtig, den Einfluss struktureller Veränderungen und die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in den klinischen und praktischen Alltag des Zahnarztes zu begleiten und zu bewerten. „Die Versorgungsforschung kann mögliche Fehlentwicklungen aufdecken und Lösungsansätze zeigen.“

Als ein praktisches Beispiel im Rahmen der Versorgungsforschung nannte Prof. Walter die Patientenorientierung im Versorgungssystem. Zusammenhänge zwischen Mundgesundheit und Lebensqualität seien aufschlussreich. Ein interessantes, aber noch weitgehend unentdecktes Feld hierbei sei die Bedarfsforschung. Interessant sei, dass zwischen dem objektiven Bedarf, wie die Experten ihn definieren, und der subjektiven Sicht eines Patient oft erhebliche Unterschiede bestünden.

Gleiches gelte auch für die objektive und subjektive Wahrnehmung von Versorgungsqualität. „Wir wissen nicht, was Patienten wirklich wollen“, sagte Walter. Zum Thema subjektive und objektive Versorgungsqualität führt die TU Dresden derzeit eine Studie durch, die im Rahmen des Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt wird. Dr. Ursula Schütte, TU Dresden, stellte einige Eckpunkte der noch nicht abgeschlossenen Studie vor. Untersucht wird die Lebenswelt von Mitarbeitern verschiedener Dresdner Betriebe, bei denen Arbeitsmediziner und Zahnärzte Hand in Hand arbeiten. Schon jetzt lässt sich ein Trend erkennen, bei der eine starke Diskrepanz zwischen subjektivem Bedarf und objektiver Notwendigkeit von Gesundheitsversorgung zutage tritt.

Auswirkungen der Festzuschüsse

Über die beiden Studien von KZBV und den GKV-Spitzenverbänden zu den Auswirkungen der Festzuschüsse referierte Dr. Harald Strippel vom Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS). Beide Seiten führten aufwendige Untersuchungen zu den Auswirkungen des Systemswechsels im Jahr 2005 von vormals prozentualer Bezuschussung des Zahnersatzes hin zu befundbezogenen Festzuschüssen durch. Beide Studien unterschieden sich in ihrer Methodik deutlich, worauf Strippel im einzelnen einging. Die KZBVStudie leitete aus ihren Ergebnissen Korrekturbedarf bei Reparatur-Festzuschüssen ab. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe dies unterdessen auch umgesetzt. Das Ergebnis der Kassenstudie, nach der es zu Kostensteigerungen für Patienten gekommen sei, sei indes vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden.

Das Beispiel der Festzuschüsse verdeutliche laut Strippel: Wer systemisch gesehen an der Stellschraube Geld drehe, werde auch Veränderungen in diesem Bereich erzielen. Dr. Torsten Mundt, Universität Greifswald, zeigte Beiträge der Study of Health in Pommerania (SHIP-Studie) zur zahnärztlichen Bedarfs- und Versorgungsforschung auf. Hier werde breit zum Thema geforscht. Mundt griff zum Beispiel die Kooperation mit der Universität Newcastle upon Tyne in Großbritannien heraus, bei der aufschlussreiche interkulturelle Vergleiche in der prothetischen Versorgung aufgezeigt werden.

Schwerpunkt Prävention

In einem weiteren Schwerpunkt des Workshops ging es um Prävention. Prof. Dr. Stefan Zimmer, Düsseldorf, skizzierte die Rolle der Speisesalzfluoridierung als Eckpfeiler einer bevölkerungsbezogenen Präventionsstrategie. Es handele sich um eine effektive und effiziente Methode, die auch sozial Schwachen zugute komme. Sinnvoll sei es, sich auch auf EU-Ebene für die flächendeckende Einführung stark zu machen. Neue Thesen zur Prävention von Parodontalerkrankungen formulierte Prof. Thomas Hoffman, Dresden, angesichts aktueller epidemiologischer Datenlagen. Aus systematischen Reviews und Metaanalysen werde deutlich, dass es mittels professioneller Kontrolle des oralen Biofilms ausschließlich gelinge, der gingivalen, nicht aber der parodontalen Entzündung vorzubeugen. Es sei deshalb sinnvoll, aktuelle Präventionskonzepte in der Parodontologie zu überkenken.

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