Termine verpflichten

Der leere Stuhl

Heftarchiv Praxis
Der Termin steht. Der Zahnarzt samt Team auch, nämlich bereit. Aber zu tun gibt es nichts. Der Patient erscheint nicht. Das kostet, die fixen Ausgaben sinken ja deshalb nicht. Bleibt die Frage: Was ist er denn nun wert, der leere Stuhl? Die Richter urteilen da ganz unterschiedlich. Übrigens auch, wenn der Stuhl eben nicht leer, sondern besetzt ist oder aber der Behandler den Termin schlicht vergessen, ergo die Praxis geschlossen hat und ein einbestellter Patient deshalb unbehandelt wieder von dannen ziehen muss.

Sagen Patienten ihren Behandlungstermin kurzfristig ab, bleibt der Behandlungsstuhl für die veranschlagte Zeit mitunter leer. Das wirft Fragen auf. Wer trägt den Honorarausfall, etwa nach § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)? Gibt es Schadenersatz nach § 280, 281, 252 BGB, wenn der Patient seine Nebenpflicht zur Terminabsage verletzt hat? Beides behandelt die Rechtsprechung außerordentlich divergierend. Was wiederum, wenn der Behandler den Termin nicht einhalten kann? Entscheidungen. Die Ansprüche des Zahnarztes bei Nichterscheinen des Patienten zum Behandlungstermin oder im Falle kurzfristiger Absage sind juristisch offenbar nur schwer aufzuarbeiten. Entsprechend divergent wirkt die Rechtsprechung zu Vergütungsoder Schadenersatzansprüchen bei kurzfristiger Terminabsage durch Patienten.

Ein Zahnarzt hatte mit einer Patientin eine schriftliche Behandlungsvereinbarung für einen Zahnersatz abgeschlossen. Mit bewilligtem HKP vereinbarte die Dame einen Termin ohne Wartezeit, der explizit ausschließlich für sie reserviert wurde. Ebenso wusste sie, dass die Vereinbarung bei unentschuldigtem Terminversäumnis – mangels Ersatzpatienten – eine Honorarzahlung auch ohne Behandlung vorsah. Dennoch versäumte sie den Behandlungstermin; bereits zuvor hatte sie eine Behandlung kurzfristig verschoben. Die mehrfachen Anfragen der Praxis nach den Gründen ihres Fernbleibens ignorierte sie, der Zahnarzt klagte das Ausfallhonorar von 1 450 Euro ein. Das Amtsgericht (AG) Nettetal gab dem Kläger Recht: Er habe aufgrund des Behandlungsvertrages einen Honoraranspruch gegen die Patientin, so der Amtsrichter. Die Vereinbarung sei rechtlich korrekt und als Dienstvertrag einzuordnen, da der Zahnarzt nur das Bemühen um den Erfolg seiner Behandlung schulde. Diese Pflicht habe er mit großer Kulanz gegenüber der Frau erfüllt, berichtete der Anwalt-Suchservice. Das letztliche Desinteresse der wohlinformierten Patientin an einer Zahnbehandlung bewahre sie keineswegs vor ihrer Zahlungspflicht. Da der Zahnarzt die durch die Versäumnis verfügbaren zwei Stunden zu anderen Zwecken habe nutzen können, kürzten die Richter das Ausfallhonorar auf 1 300 Euro.

Ähnlich erfolgreich schien die Klage eines Zahnarztes, dem die Landesrichter zunächst einen Anspruch auf Schadensersatz sowie die Erstattung der Anwaltskosten für Mahnungen zusprachen. Der Patient legte Berufung ein – mit Erfolg: Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 17. April 2007 liegt jetzt eine obergerichtliche Entscheidung mit anderer Ausrichtung vor. Und die gibt zu denken, weil sie die Darlegungslast der Ärzte und Zahnärzte arg strapaziert.

Im Sommer 2005 sagte der beklagte Patient seinen zweistündigen Behandlungstermin vier Stunden vorher ab. Wegen eines angeblichen Gerichtstermins. Aufgrund dieser Kurzfristigkeit sahen die Landesrichter laut der Zeitschrift „Versicherungsrecht“ zumindest einen Anspruch auf Schadenersatz gegeben. Anders die Oberlandesrichter: Denn die (ebenso serviceorientierte wie ausgebuchte) Bestellpraxis hatte angeboten, den Termin um zwei Monate zu verschieben. Bietet aber eine Praxis bei einer kurzfristigen Absage einen Ersatztermin an, so befindet sich der Patient nicht (mehr) im so genannten Annahmeverzug, erklärten die Richter. Insofern seien die Gründe für die Terminänderung unerheblich, weshalb sie ein Ausfallhonorar für entgangene Vergütung ablehnten.

Den Schaden abgeschafft

Auch hier meinten die Richter zwar, der Patient habe mit der kurzfristigen Absage der Behandlung eine vertragliche Nebenpflicht verletzt, so dass dem Grunde nach die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 281 BGB erfüllt seien. Aber, wandten sie ein, der Zahnarzt wiederum habe nicht schlüssig dargetan, welcher Schaden ihm durch das kurzfristige Ausbleiben des Patienten entstanden sei. Da müsse er schon nachweisen, dass er bei rechtzeitiger Absage einen „Ersatzpatienten hätte behandeln können und behandelt hätte“, den er aber wegen der Kürze der verbleibenden Zeit „nicht behandeln konnte und auch nicht behandelt hat“, berichtet die Zeitschrift „Versicherungsrecht“ weiter. Auch habe der Zahnarzt, der Behandlungen mit langen Vorlaufzeiten ansetzte, nicht nachgewiesen, dass er kurz zuvor Anfragen nach einem dringenden Termin wegen der vorgesehenen Behandlung des Beklagten habe absagen müssen. Ein solcher Nachweis dürfte praktisch nie zu führen sein. Paradoxerweise forderte die bisherige Rechtsprechung gerade den Nachweis einer Bestellpraxis mit fester Terminvergabe als Voraussetzung, um Ansprüche des Zahnarztes anzuerkennen. Genau dieses wurde dem klagenden Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen jetzt zum Verhängnis, weil die langfristige Terminvergabe ja belege, dass der ausgefallene Termin nicht kurzfristig mit einem anderen Patienten hätte besetzt werden können.

Der Doc war weg

Einerseits vertritt die Rechtsprechung häufig die Auffassung, Termine zu vereinbaren diene in erster Linie dazu, im Sinne des § 296 BGB einen geordneten Behandlungsablauf zu sichern, beinhalte aber grundsätzlich nicht die kalendermäßige Festlegung der Leistung. Damit wird gerne der „Annahmeverzug“ der Patienten angezweifelt. Und wenn der Arzt mal einen Termin versäumt? Behandler dürfen Termine nicht einfach verstreichen lassen. Denn nehmen Ärzte einen festen Termin schuldhaft nicht wahr, kann dies Schadenersatzansprüche von Patienten nach sich ziehen. Ärzte müssen ergo unter Umständen Schadenersatz leisten, wenn sie einen Termin versäumt haben: Im konkreten Fall hatte ein Augenarzt eine vereinbarte Op ausfallen lassen; der Patient klagte, weil er unverrichteter Dinge wieder gehen musste.

Mit Blick auch auf das Urteil des Landgerichts (LG) Oldenburg gelten also in der Tat für beide Seiten bei der Termineinhaltung Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten.

OLG StuttgartUrteil vom 17. April 2007Az.: 1.U.154/06

LG OldenburgUrteil Juli 2007Az.: 8 S 515/06

AG Nettetal,Urteil vom 12. September 2006Az.: 17 C 71/03

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