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Erkrankungen durch Zecken

Heftarchiv Medizin
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Der ungewöhnlich milde letzte Winter hat vor allem den Insekten und insbesondere den Zecken gefallen. Experten befürchten für dieses Jahr eine regelrechte Plage und eine weitere Verbreitung der durch Zecken übertragenen Erkrankungen, beispielsweise der FSME und der Borreliose.

Eine erste Auswirkung des Klimawandels, den wir derzeit erleben, dürfte nach Angaben von Professor Dr. Heinz Mehlhorn von der Universität Düsseldorf eine deutliche Zunahme Blut saugender Insekten sein. Denn warme Sommer und milde Winter, wie sie derzeit vorherrschen, kommen Mücken und Zecken entgegen. Es ist deshalb mit einer enormen Vermehrung der lästigen Blutsauger zu rechnen.

Speziell wenn die Winter nur kurz sind, sterben vergleichsweise wenige der Schmarotzer durch Hunger oder Kälte. Nach dem Winter können sie sich dann von relativ hohem Niveau aus fortpflanzen. Ihre Vermehrung wird durch lange und warme Sommer weiter begünstigt, da sich mit den warmen Temperaturen die Entwicklungszeit einer Generation stark verkürzt.

Tritt der Winter wie im vergangenen Jahr erst spät ein, sind die Insekten auch lange aktiv. Ein weiterer Grund kommt hinzu: Wild lebende Tiere, die mit den von Zecken übertragenen Krankheitserregern befallen sind, etwa Nager und Igel – aber auch Füchse und Rehe – dringen mittlerweile vermehrt bis in bewohnte Gebiete vor und bringen die Erreger damit näher an den Menschen heran.

Die wichtigsten durch Zecken übertragenen Erkrankungen sind die Früh-Sommer-Meningo-Encephalitis (FSME), sie trat 2006 mit 541 Fällen auf, und die Borreliose. FSME und Borreliose sind aber bei Weitem nicht die einzigen durch Zecken übertragenen Erkrankungen. Auch Rickettsien, Anaplasmen (Anaplasmose, früher humane granulozytäre Ehrlichiose) und die mit den Malaria-Erregern verwandten Babesien gelangen durch den Zeckenbiss in den tierischen und in den menschlichen Organismus und das durchaus auch hier in Europa.

Ixodes ricinus – der gemeine Holzbock

Für die Übertragung ist in der Mehrzahl der Fälle die häufigste in unseren Breitengraden vorkommende Zeckenart, der gemeine Holzbock, Ixodes ricinus, verantwortlich. Der achtbeinige Blutsauger, der zu den Spinnentieren und innerhalb dieser zu den Milben gehört, ist einer der wichtigsten Krankheitsüberträger in Deutschland und Europa. Er durchläuft bei seinem Lebenszyklus drei Stadien von der noch sechsbeinigen Larve über die Nymphe zum adulten Tier, wobei unterschiedliche Wirte genutzt werden. Jedes Weibchen legt etwa 3 000 Eier, aus denen winzige, weniger als einen Millimeter große Larven schlüpfen. Sie saugen bevorzugt an Mäusen, Ratten oder an Kleinsäugern, wie Kaninchen, Igeln, Füchsen oder Mardern. Die Larven wachsen, häuten sich zu der etwa einen Millimeter großen Nymphe, die auch größere Tiere und sogar den Menschen befallen und vier bis fünf Tage Blut saugen kann.

Nach einer weiteren Häutung entsteht das erwachsene Tier, bei dem Männchen und Weibchen zu unterscheiden sind. Die Entwicklung von der Larve bis zum adulten Tier dauert, so Ralph Peters in einer Informationsschrift des Borreliose Bund Deutschland e.V. , bei optimalem Verlauf mindestens eineinhalb Jahre. Andererseits können die Tiere unter ungünstigen Bedingungen auch etwa zwei Jahre hungern.

Neben Ixodes ricinius macht sich mittlerweile auch in unseren Breitengraden die früher in wärmeren Regionen beheimatete Auwaldzecke Dermacentor reticulatus breit. Sie wurde vermutlich über Haushunde bei Reisen in Mittelmeerländer nach Deutschland eingeschleppt, zeichnet sich durch einen etwas schnelleren Vermehrungszyklus als der gemeine Holzbock aus und kann die gleichen humanpathogenen Erreger übertragen.

Infektionsrisiko steigt mit Dauer der Blutmahlzeit

Wird eine Zecke bei der Blutmahlzeit entdeckt, so sollte sie möglichst rasch entfernt werden. Denn das Infektionsrisiko steigert sich bei der Borreliose mit der Dauer des Saugens. Es ist selbst bei mit Borrelien infizierten Zecken anfangs relativ gering, da die Bakterien sich im Mitteldarm der Zecke aufhalten. Sie werden durch den Biss aktiviert und wandern schließlich über den Stichkanal auf den Wirt über, was eine gewisse Zeit dauert. Anders ist es bei der FSME, da deren Erreger im Speichel sitzen und daher sofort übertragen werden können.

Den Körper absuchen ist die beste Schutzmöglichkeit

Die beste Möglichkeit, sich vor einer durch Zecken übertragenen Erkrankung zu schützen, besteht darin, seinen Körper nach Aufenthalten in möglichen Lebensräumen der Tiere gründlich auf Zeckenbefall zu untersuchen. Die Tiere lassen sich dann meist entdecken, bevor sie gestochen haben. Besonderes Augenmerk sollte man dabei auf Lieblingsorte der Zecken richten. Das sind die Leistengegend, die Genitalien, die Achseln und die Kniebeugen sowie hinter den Ohren, was besonders bei Kindern häufig ist. Generell aber können Zecken sich überall festsetzen. Weniger effektiv als das direkte Absuchen des Körpers aber gleichwohl anzuraten ist das Duschen oder Baden nach einem möglichen Zeckenkontakt, also zum Beispiel am Abend nach einem Waldspaziergang.

Gut untersucht werden sollte auch die Kleidung, die man getragen hat. Waschen alleine genügt nicht, um die Zecken abzutöten, auch das Tieffrieren der Kleidung tötet die Tiere nicht zuverlässig ab, wohl aber das Trocknen in der heißen Luft des Wäschetrockners. Auch sollten Haustiere und speziell Hunde, die oft von Zecken befallen werden, regelmäßig abgesucht werden, da die Zecken auf den Menschen übergehen können. Ratsam ist es ferner, Haustiere und speziell Hunde regelmäßig mit milbenabtötenden Mitteln zu behandeln. Hat sich eine Zecke beim Menschen festgesetzt, so sollte sie möglichst rasch entfernt werden. Eine genaue Anleitung zur Entfernung liefert der Beitrag „Dem Märchen vom Linksgewinde ein Ende“ aus zm 8/2007, der bei zm-online. de oder über den zm-Leserservice zu erhalten ist.

Borreliose

Die Borreliose ist die häufigste von Zecken übertragene Erkrankung. Für Deutschland wird die Zahl der Krankheitsfälle mit 60 000 bis 100 000 pro Jahr angegeben, die Zahl der Infektionen wird auf 240 000 geschätzt. Krankheitserreger sind Borrelien, spiralförmige Bakterien, die zu den Spirochaeten gehören und von den Zecken auf den Menschen übertragen werden.

Erstes Zeichen der Borrelien-Infektion ist das Erythema migrans, die Wanderröte, die sich von der Einstichstelle ausgehend ausbreitet oder auch multiple und untypisch auftreten kann. Allerdings fehlt die Wanderröte bei jedem zweiten Patienten oder wird von diesem zumindest nicht bemerkt.

Infizierte Patienten leiden zugleich meist unter grippeähnlichen Allgemeinsymptomen, wie Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen und eventuell auch Fieber.

Nach Wochen bis sogar Monaten treten häufig weitere Symptome auf, wobei verschiedene Organe von der Infektion betroffen sein können, es kann beispielsweise zu neurologischen Defiziten kommen, zu einer Meningitis, einer Facialparese oder zu einer Arthritis. Auch kardiale Symptome, wie eine Karditis, oder beim Befall der Leber eine Hepatitis sind möglich.

In einer dritten Phase kann die Erkrankung nach Monaten oder eventuell sogar nach Jahren chronifizieren. Je nach Organbefall unterscheidet man dann, so Informationen des Borreliose-Bund Deutschland e.V., zwischen der Lyme-Arthritis der Gelenke, der Neuroborreliose, der Lyme-Karditis bei Herzbeteiligung oder beispielsweise der Hautborreliose.

Behandelt wird die Borreliose mit Antibiotika, eine Impfung ist, anders als bei der FSME, nicht möglich. Die Antibiotika müssen allerdings anders als beispielsweise bei einer Atemwegsinfektion auch bei der frühen Borreliose über mehrere Wochen eingenommen werden.

FSME

Bei der FSME werden mit dem Stich der Zecke nicht Bakterien, sondern Viren übertragen, die zu den Flaviviren gehören. Anders als der Name Früh-Sommer-Meningo-Enzephalitis vermuten lässt, kann es nicht nur im Frühsommer, sondern während der gesamten Zeckensaison zur Infektion kommen, sehr wohl aber entsprechend der Namensgebung zur Meningitis und zur Enzephalitis.

Die Infektion ist auf bestimmte Endemiegebiete beschränkt, in Deutschland im Wesentlichen auf den Schwarzwald und das östliche Bayern, allerdings breiten die betroffenen Gebiete sich kontinuierlich aus. Nicht jeder Zeckenbiss und auch nicht jeder Biss mit einer FSME-infizierten Zecke führt beim Menschen zur Erkrankung. Vielmehr verlaufen die meisten Infektionen blande. Bei rund jedem dritten Patienten aber entwickeln sich nach einer Inkubationszeit von sieben bis 14 Tagen grippeähnliche Symptome und Fieber, wobei bei einem Drittel der Erkrankten nach dem Abklingen des Fiebers und einem fieberfreien Intervall von etwa einer Woche erneut starkes Fieber auftritt, gepaart mit neurologischen Symptomen einer Meningitis und/oder Enzephalitis. Bleibende Schäden können die Folge sein. In seltenen Fällen ist auch ein letaler Verlauf möglich. Eine effektive antivirale Behandlung gibt es bei der FSME nicht, wohl aber Schutzmöglichkeiten durch eine Impfung. Mithilfe eines Totimpfstoffs können bereits Kindern ab dem ersten Lebensjahr sowie Erwachsene geimpft werden. Die hohe Immunogenität der Impfung erlaubt dabei auch eine Grundimmunisierung nach einem Schnellschema innerhalb von nur drei Wochen. Impfungen werden bei Aufenthalten in Endemiegebieten empfohlen, insbesondere, wenn vermehrt Lebensräume von Zecken aufgesucht werden, wie etwa bei Wanderungen in Waldgebieten oder beim Camping. Diese Empfehlungen sind jedoch im Fluss, nicht zuletzt auch weil sich die Endemiegebiete derzeit deutlich ausdehnen.

Babesiose

Bei der Babesiose werden einzellige Parasiten, die Babesia, von der Zecke auf Tiere oder, was seltener der Fall ist, auf den Menschen übertragen. In Europa ist der häufigste Erreger Babesia divergens in den USA ist es Babesia microti. Es gibt neben diesen Spezies auch tierpathogene Babsien, etwa Babesia canis, die Babesiose des Hundes, die durch Dermacentor-Zecken, die sogenannten Auwald- oder auch Schafzecken, übertragen wird. Wegen ihrer Nähe zur Malaria wird sie auch als Hunde-Malaria bezeichnet. Besonders häufig betroffen sind von der Babesiose Patienten nach Splendektomie, wobei neben der Entfernung der Milz auch eine Immunsuppression die Krankheitsprädisposition zu steigern scheint. Infizierte Patienten entwickeln nach einer Inkubationszeit von ein bis drei Wochen meist sehr hohes Fieber bis zu 41 Grad Celsius. Es kann ferner zu Schüttelfrost, Kopf-, Glieder- und Bauchschmerzen, zu weiteren gastrointestinalen Beschwerden bis hin zum Ikterus und zur Hämoglobinurie kommen.

Ehrlichiose

Erreger der Ehrlichiose ist das Bakterium Anaplasma phagocytophilum (früherer Name Ehrlichia phagocytophila), weshalb die Erkrankung inzwischen auch als Anaplasmose bezeichnet wird. Schätzungen zufolge verlaufen rund 60 Prozent der Infektionen inapparent. In den übrigen Fällen manifestiert sich die Erkrankung nach einer Inkubationszeit von zwei bis sieben Tagen mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit und Kopf-, Muskelsowie Gelenkschmerzen. Es können auch Übelkeit und Erbrechen auftreten sowie eine Diarrhoe und Husten. Behandelt wird die Infektion mit Antibiotika, in aller Regel mit Doxycyclin, was meist zur raschen Ausheilung der Infektion führt. Schwere Verläufe scheinen möglich, allerdings ist über die Häufigkeit von Komplikationen wenig bekannt, da bei der Infektion generell von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen ist.

Rickettsiose

Eine weitere durch Zecken übertragene Erkrankung ist die Rickettsiose, auch Mittelmeerfleckfieber genannt. Erreger ist das Bakterium Rickettsia conori. Wie bei den übrigen Infektionen stehen bei der Akutsymptomatik Fieber sowie Kopf- und Gliederschmerzen im Vordergrund. Es kommt außerdem zu einem makulo-papulösen Exanthem. An der Stichstelle der Zecke findet sich ferner oft ein kleines Ulkus mit nekrotischem Zentrum.

Eine häufige Komplikation der Rickettsiose ist die tiefe Beinvenenthrombose. Generell kommt es bei etwa sechs Prozent der Infizierten zu einem schweren Krankheitsverlauf, rund zwei Prozent der hospitalisierten Patienten versterben an der Rickettsiose.

Weiterführende Informationen:Borreliose Bund Deutschland e.V.Bundesverband der Borreliose SelbsthilfeUte FischerIn den Rödern 1364354 ReinheimTel.: 06162/969443info@borreliose-bund.de

Zecken und Krankheitskeime Zecken sind infiziert:

zu rund 30 Prozent mit Borrelienzu acht bis zehn Prozent mit Ehrlichienzu 0,2 bis einem Prozent mit Babesienzu 0,02 bis zwei Prozent mit FSME-Viren

Weitere Beiträge zum Thema Zecken sind in der zm-Ausgabe vom 16. April erschienen.

• Schwierige Frühdiagnose der Borreliose• Zeckenentfernung schnell und kompetent Dieses sind Nachdrucke aus der MMW Nr. 25/2006 (148.Jg.)

Die Autorin der Rubrik „Repetitorium“ist gerne bereit, Fragen zu ihren Beiträgenzu beantwortenChristine VetterMerkenicher Str. 224, 50735 Köln

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