Repetitorium

Die pulmonale Hypertonie

Der Begriff der pulmonalen Hypertonie (PH) oder synonym der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) beschreibt einen Hochdruck im Lungenkreislauf, der ohne erkennbare Ursache auftreten (idiopathische pulmonale Hypertonie, IPAH) und ebenso Folge anderer Erkrankungen (assoziierte PAH) sein kann. Gemein ist den beiden Formen ein zunehmender Anstieg des Gefäßwiderstandes und damit ein Anstieg des Blutdrucks im Lungenkreislauf, was schließlich in eine Rechtsherzinsuffizienz mündet und über ein akutes Herzversagen zum Tod des Patienten führen kann.

Von einer PAH ist auszugehen, wenn der mittlere Blutdruck im Lungenkreislauf, der als Niedrigdruckkreislauf anzusehen ist, vom Normalwert von 10 bis 15 mmHg auf mehr als 20 bis 25 mmHg in Ruhe und/oder mehr als 30 mmHg unter Belastung ansteigt. Erste klinische Symptome treten in der Regel bei Werten von mehr als 30 mmHg in der Pulmonalarterie auf. Ab Werten von 50 mmHg nimmt die Herzauswurfleistung ab.

Ist der Druck im kleinen Kreislauf dauerhaft erhöht, so kommt es zu Umbauvorgängen im Gefäßsystem mit vermehrter Bildung von Bindegewebe und Verdickung der Gefäßmuskulatur. Durch die verdickten und weniger elastischen Gefäßwände wird der Gasaustausch zwischen Blut und Lunge erschwert, und es resultiert eine verminderte Sauerstoffaufnahme. Ein erhöhter Gefäßwiderstand sowie allgemein sich entwickelnde Durchblutungsstörungen der Lunge belasten die rechte Herzkammer, bei der als Konsequenz ebenfalls eine Hypertrophie mit Übergang in die Rechtsherzinsuffizienz die Folge ist.

Erhöhte Druckwerte im Lungenkreislauf haben im Allgemeinen erheblich stärkere gesundheitliche Konsequenzen als eine arterielle Hypertonie im großen Kreislauf. Während diese sich in aller Regel nur langsam progredient entwickelt, kommt es beim Lungenhochdruck oft zu einer sehr schnellen Progression mit rascher Entwicklung eines lebensbedrohlichen Krankheitsbildes.

Die PAH gilt als seltene Erkrankung. Allerdings betrifft dies nur die idiopathische PAH, für die eine Inzidenz von ein bis zwei auf eine Million Einwohner angegeben wird. Die Prävalenz der PAH liegt bei acht bis zehn auf eine Million Einwohner. Als Begleit- und Folgeerkrankung ist der Lungenhochdruck häufiger: Die Inzidenz liegt bei 15 bis 70 auf eine Million Einwohner.

Die Erkrankung wird üblicherweise zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr diagnostiziert. Frauen erkranken dabei doppelt so häufig wie Männer. Allerdings kann die Störung auch bereits bei Kindern auftreten, wobei der Lungenhochdruck dann in aller Regel im Zusammenhang mit einem angeborenen Herzfehler steht oder als familiärer PAH auftritt.

Ursachen der pulmonalen Hypertonie

Der Lungenhochdruck ist, sofern keine idiopathische PAH vorliegt, Folge- oder Begleiterscheinung anderer Erkrankungen. Er kann auf einem angeborenen Herzfehler beruhen oder im Zusammenhang mit einer chronischen pneumologischen Erkrankung stehen, wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), einer Lungenembolie oder einer Lungenfibrose.

Die PAH kann ferner Folge einer Sarkoidose sein, eines Asthma bronchiale oder auch einer HIV-Infektion sowie einer Kollagenose, wie der Sklerodermie oder dem systemischen Lupus erythematodes. Und sie kann als Begleiterscheinung bei manifester Leberzirrhose auftreten. Zum Beispiel entwickeln rund zehn Prozent der Sklerodermie-Patienten einen Lungenhochdruck. Auch bei HIV-Patienten ist ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bekannt, wobei der Zusammenhang zwischen Virusinfektion und Drucksteigerung im Lungenkreislauf noch nicht definitiv geklärt ist. Die Patienten erkranken zumeist etwa zweieinhalb Jahre nach der Infektion. Vermutet wird, dass das Virus die endogene Freisetzung des Vasokonstriktors Endothelin triggert.

Venedig-Klassifikation

Da die Ursachen der Erkrankung deren Prognose maßgeblich beeinflussen, hat die Weltgesundheitsorganisation eine Klassifikation der pulmonalen Hypertonie vorgeschlagen, die analog dem Ort des Expertentreffens (PAH-Weltkonferenz 2003 in Venedig) als „Venedig-Klassifikation“ bekannt wurde. Demnach ist zu unterscheiden zwischen:

• einer PAH ohne erkennbare Ursache (IPAH)

• einer familiären PAH (FPAH)

• einer PAH assoziiert mit Kollagenosen, einer HIV-Infektion oder der Einnahme von Medikamenten (Appetitzüglern) oder Giftstoffen

• einer PAH mit anderen Ursachen (Stoffwechselerkrankungen)

• einer PAH bei pulmonal-venookklusiver Erkrankung oder pulmonal kapillärer Hämangiomatose

• einer anhaltenden PAH bei Neugeborenen.

Davon abzugrenzen ist die pulmonal venöse Hypertonie bei Erkrankungen der linken Herzkammer, die pulmonale Hypertonie bei chronischer Lungenerkrankung oder bei Sauerstoffmangel, zum Beispiel bei einer COPD oder einer Schlaf-Apnoe, die pulmonale Hypertonie aufgrund chronischer Lungenarterienembolien und die pulmonale Hypertonie bei anderweitig nicht klassifizierten Erkrankungen, etwa wenn ein Tumor von außen Druck auf Lungengefäße ausübt.

Idiopathische PAH

Als Ursache der idiopathischen PAH wird eine verstärkte Freisetzung von vasokonstriktiv wirksamen Mediatoren, wie Endothelin und Thromboxan, und/oder eine verminderte Freisetzung vasodilatierender Messenger, wie Stickstoffmonoxid und Prostazyklin, vermutet. Beide Effekte resultieren in einem erhöhten Tonus der Blutgefäße, wobei möglicherweise proinflammatorische Zytokine Remodellingprozesse triggern und somit strukturellen Veränderungen im Bereich der Gefäßmuskulatur Vorschub leisten.

Beobachtungen einer familiären Häufung der idiopathischen PAH deuten eine genetische Prädisposition an, wobei aktuelle Untersuchungen auf verschiedene Kandidaten-Gene hinweisen. Zusammenhänge werden wissenschaftlich gesehen mit Mutationen des BMPR2-Gens (Bone-Morphogenic-Protein-Rezeptor 2), mit dem ALK1-Gen (Activin-Receptor-Like-Kinase1) und mit einem Polymorphismus der Serotonin-Transporter. Liegt dem PAH ein Gendefekt zugrunde, so tritt die Erkrankung häufig schon beim Neugeborenen auf.

Symptome

Die Symptome eines Lungenhochdrucks sind unspezifisch und setzen in der Regel nicht plötzlich, sondern sich langsam entwickelnd ein. Im Vordergrund steht die eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit. Die Patienten fühlen sich müde und zerschlagen und klagen unter Atemnot. Die tritt zunächst nur bei körperlichen Anstrengungen auf, in fortgeschrittenen Stadien dann auch bei schon geringsten Belastungen. Im weiteren Verlauf kommt es außerdem infolge der Rechtsherzinsuffizienz zur Ausbildung von Ödemen, zu kardiovaskulären Symptomen wie Herzklopfen und zu Synkopen.

Diagnosestellung und Beurteilung

Die Diagnose einer PAH erfolgt bedingt durch die zunächst unspezifische Symptomatik bei der Mehrzahl der Patienten erst Jahre nach Auftreten der Symptome, wobei die Patienten im Mittel fünf verschiedene Ärzte konsultiert haben, ehe die richtige Diagnose gestellt wird. Die Experten weisen deshalb immer wieder eindringlich darauf hin, dass bei entsprechender Symptomatik stets auch an die Möglichkeit eines Lungenhochdrucks zu denken ist. Ein Alarmsymptom sind in dieser Hinsicht Zeichen einer Zyanose wie etwa die Blaufärbung der Lippen.

Diagnostisch hinweisend ist neben der Anamnese die körperliche Untersuchung, zu der auch das Abhören der Herztöne gehört. Ein betonter zweiter Herzton ist dabei als klarer Hinweis auf eine PAH zu werten. Auf das Krankheitsbild kann ferner eine Röntgenuntersuchung hindeuten. Besteht der Verdacht auf eine PAH, so sind ein EKG sowie eine Echokardiographie indiziert. Ergeben sich bei der Untersuchung Zeichen einer Rechtsherzbelastung, so ist eine weitere Abklärung bis hin zur Rechtsherzkatheter-Untersuchung erforderlich, die allerdings nur in einem auf die PAH spezialisierten Zentrum erfolgen sollte.

Der Beurteilung des Krankheitsverlaufs dient der „Sechs-Minuten-Gehtest“, ein Testverfahren, in dem ermittelt wird, welche Strecke der Patient innerhalb von sechs Minuten zurücklegt, was Rückschlüsse auf die körperliche Leistungsfähigkeit erlaubt.

Funktionsklassen der PAH

Ähnlich wie die Linksherzinsuffizienz wird der pulmonale Hochdruck in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung in Stadien unterteilt. Man unterscheidet folgende Funktionsklassen:

• Stadium I: Es besteht keine Einschränkung der körperlichen Aktivität, normale körperliche Belastungen führen nicht zu Atemnot oder anderen Beschwerden.

• Stadium II: Es besteht eine leichte Einschränkung der körperlichen Aktivität, aber es kommt nicht zu Beschwerden in Ruhe. Normale Belastungen aber führen zur verstärkten Atemnot, zu Müdigkeit, Brustschmerzen oder Schwächeanfällen.

• Stadium III: Es besteht eine deutliche Einschränkung der körperlichen Leistungskraft, ohne dass Beschwerden in Ruhe auftreten. Allerdings bewirken schon leichte körperliche Belastungen Atemnot, Brustschmerzen und Schwächeanfälle.

• Stadium IV: Eine körperliche Belastung ist praktisch nicht mehr möglich und es kommt zu Symptomen einer Rechtsherzinsuffizienz auch in Ruhe mit Atemnot und Müdigkeit. Schon geringe Aktivitäten verstärken die Beschwerden.

Prognose der PAH

Die Prognose des Lungenhochdrucks hängt direkt von der Krankheitsform und deren Ursache und Ausprägung ab. Bei der idiopathischen PAH haben die Patienten unbehandelt nach der Diagnosestellung noch eine mittlere Lebenserwartung von nunmehr drei Jahren. Da sich die Möglichkeiten von Diagnostik und Therapie deutlich gebessert haben, ist inzwischen von einer deutlich gestiegenen Lebenserwartung und besserer Prognose auszugehen.

Therapie des Lungenhochdrucks

Bei der Behandlung der PAH hat es in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritt gegeben. Das betrifft einerseits Fortschritte bei der Therapie angeborener Herzfehler sowie anderer Grunderkrankungen und andererseits neue Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung der PAH. Deren Erfolge sind umso besser, je frühzeitiger mit der Behandlung begonnen wird, eine Erkenntnis, der jedoch die oft erst verzögert gestellte Diagnose entgegensteht. Eine definitive Heilung der PAH ist aber bislang nicht möglich. Es ist selbstverständlich, dass bei allen Patienten, bei denen eine Grunderkrankung als Ursache der PAH bekannt ist, diese möglichst konsequent behandelt werden muss.

Patienten mit erhaltener pulmonaler Vasoreagibilität – das sind rund fünf bis zehn Prozent der Betroffenen – werden darüber hinaus üblicherweise mit einem Kalziumantagonisten behandelt. Besteht keine Vasoreagibilität, so kommen drei verschiedene Substanzgruppen als Option in Betracht: PDE5-Inhibitoren (Wirkstoff Sildenafil), Endothelin-Antagonisten (Wirkstoff Bosentan) und Prostanoide (Wirkstoff Iloprost). Denn die in der Hypertoniebehandlung üblicherweise eingesetzten Wirkstoffe bewirken im kleinen Kreislauf in aller Regel keine Drucksenkung.

Iloprost:Die längste Therapieerfahrung bei der PAH besteht mit dem Prostazyklinanalogon Iloprost, das ähnlich wirkt wie das körpereigene Prostazyklin, welches bei der PAH nur vermindert gebildet wird. Iloprost wird inhaliert und gelangt somit direkt in die Atemwege, wo es seine Wirkung rasch entfalten kann. Die Inhalation bewirkt Studien zufolge eine deutliche Verbesserung beim Sechs-Minuten-Gehtest, eine Besserung des Schweregrades der Erkrankung und auch eine deutliche Steigerung der Überlebenszeiten.

Bosentan:Beim Wirkstoff Bosentan handelt es sich um einen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten. Er verhindert das Andocken des Botenstoffs Endothelin, der bei der PAH vermehrt gebildet wird, an den Rezeptor und unterbindet damit dessen gefäßverengende Wirkung. In klinischen Studien wurde eine deutlich bessere Belastbarkeit der Patienten unter Bosentan erwirkt und eine Steigerung beim Sechs-Minuten-Gehtest. Inzwischen ist mit dem Wirkstoff Sitaxsentan ein zweiter Vertreter der Substanzgruppe verfügbar.

Sildenafil:Der Phosphodiesterase-5-Hemmer Sildenafil ist unter dem Warenzeichen Viagra® bei der Behandlung der erektilen Dysfunktion bekannt geworden. Er hemmt das gefäßwirksame Enzym Phosphodiesterase-5, das in hoher Konzentration auch in der Lunge gebildet wird. Es inaktiviert den Botenstoff cGMP, der getriggert durch Stickstoffmonoxid freigesetzt wird und für eine Vasodilatation sorgt. Studien dokumentieren auch für Sildenafil eine Zunahme der körperlichen Belastbarkeit der PAH-Patienten, ihrer Leistung im Sechs-Minuten-Gehtest und eine Besserung des Schweregrades wie auch der Lebenserwartung.

Die drei Wirkstoffgruppen sind bislang offiziell nur für die Behandlung der Patienten im fortgeschrittenen Stadium (Stadium III und IV) zugelassen. Es laufen weitere Untersuchungen zu den Effekten der Wirkstoffe bei früheren Krankheitsstadien. Auch wird derzeit in Studien erprobt, inwieweit sich noch effektivere Therapiemöglichkeiten durch die Kombination der verschiedenen Wirkprinzipien ergeben.

Neben den genannten Medikamenten, die gezielt eine Vasodilatation der Lungengefäße bewirken und so den Druck im kleinen Kreislauf mindern, sind symptomatische Maßnahmen indiziert, wie etwa die Gabe von Sauerstoff und eine Behandlung mit Diuretika. Üblicherweise erhalten die Patienten außerdem Antikoagulantien, um dem erhöhten Risiko thromboembolischer Komplikationen zu begegnen.

Lässt sich mit den medikamentösen Verfahren das Krankheitsbild nicht befriedigend kontrollieren, so bleibt auch heutzutage die Lungenrespektive die Herz-Lungen-Transplantation als ultima ratio.

Allgemeine Maßnahmen

Im Bereich der allgemeinen Maßnahmen wird den Betroffenen zu einer moderaten regelmäßigen körperlichen Aktivität geraten. Zu vermeiden sind jedoch Belastungen, die zur Dyspnoe führen, zu thorakalen Schmerzen, Schwindel oder Synkopen. Vorsicht ist auch geboten bei Flugreisen und bei Aufenthalt in großen Höhen.

Es wird ferner den Betroffenen generell zur Grippeschutzimpfung geraten und den Frauen zudem zu einer konsequenten Kontrazeption, da eine Schwangerschaft wie auch die Entbindung für die Patientinnen ein erhebliches Risiko bedeuten.

Die Autorin der Rubrik „Repetitorium“ist gerne bereit, Fragen zu ihren Beiträgenzu beantworten

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

 

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