Primärarztsystem: Warken erwägt Steuerung durch finanzielle Anreize
Mit einem Primärarztsystem will die Bundesregierung die teilweise langen Wartezeiten für einen Termin beim Facharzt verkürzen: Patientinnen und Patienten sollen dafür in Zukunft immer zunächst ihren Hausarzt aufsuchen, der sie dann an eine Facharztpraxis überweist. Bundesgesundheitsministerin Warken hat nun auf dem Branchentreffen „Ärzte IN“ dargelegt, wie sie einen entsprechenden Steuerungseffekt erreichen will. Weil sich viele Ärzte lieber anstellen lassen, wolle Warken es künftig attraktiver machen, in die Selbstständigkeit zu gehen. Das könne durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie mit weniger Bürokratie in den Arztpraxen gelingen.
Es brauche mehr Digitalisierung und man könne die Dokumentation auf mehr Schultern verteilen, medizinische Fachangestellte (MFA) stärker einbinden und so Ärztinnen und Ärzte entlasten. Denkbar sei auch, dass Kommunen künftig Räumlichkeiten in Ärztehäusern zu günstigeren Konditionen vermieten könnten. „Insgesamt braucht es ein Paket, das es wieder attraktiv macht, in die Selbstständigkeit zu gehen“, so Warken.
Um dies nicht zu gefährden, seien Ärztinnen und Ärzte auch nicht bei den benötigten weiteren Einsparungen an der Reihe. „Wir wissen, dass wir die Ärzte brauchen, um ein solches System gut auf die Beine zu stellen und wollen deswegen keine Belastungen schaffen“, erklärte die Ministerin.
Bei der Vorbereitung des Primärarztsystems gebe es derzeit mehr Fragen als Antworten, erläuterte Warken. Noch offen sei etwa, wie man es schaffe, dass die Hausärzte nicht zum Flaschenhals würden und wie verpflichtend die Steuerung ausgestaltet werde. Auch die Frage der Ersteinschätzung sei noch ungeklärt. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wolle jetzt beginnen, mit den Beteiligten, der Ärzteschaft aber auch den Krankenkassen über Vorschläge und Ideen dazu zu sprechen.
Praxisgebühr für Patienten, die direkt zum Facharzt gehen
Warken informierte zudem, welche Form von Steuerungselementen sie sich im Zuge des angestrebten Primärarztsystems vorstellen könnte. Demnach sei etwa eine Praxisgebühr für Patienten denkbar, die direkt einen Facharzttermin wollen, oder ein Bonus für jene, die erst den Hausarzt aufsuchen. Eine Praxisgebühr bei jedem Arztbesuch lehnt die Ministerin hingegen ab.
2026 soll dabei das „Vorbereitungsjahr“ werden und das neue System in ein Gesetz gegossen werden, danach ist die Ausrollung geplant. Entsprechende benötigte digitale Instrumente müssten parallel entwickelt werden. Warken sprach sich zudem dafür aus, das System zunächst in Projektregionen testen zu wollen.
Grüne fordern Gesetzentwurf noch in diesem Jahr
Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat indes eine schnelle Einführung eines umfassendes Primärversorgungssystems gefordert. Es bedürfe der raschen Einführung eines umfassenden Primärversorgungssystems, das auf Digitalisierung, berufsgruppenübergreifende Teams, Koordination der Behandlung der Patienten und Prävention setze, heißt es in dem Antrag an den Bundestag (21/2823). Die Bundesregierung solle das Thema nicht weiter vertagen, sondern dazu noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen.
Die primärversorgende Stelle sei bei Erwachsenen in der Regel die Hausarztpraxis, bei Kindern die Kinderarztpraxis. Die Bundesregierung verkenne bei ihrem geplanten Primärarztsystem, dass angesichts der demografischen Entwicklung und des Mangels an Hausärzten eine Versorgung nur mit multiprofessionellen Teams gelingen könne.
Die Abgeordneten fordern unter anderem konkret, dass in Vorbereitung zur Einführung eines verbindlichen Primärversorgungssystems kurzfristig Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass allen Versicherten innerhalb von 20 Autominuten vom Wohnort eine hausärztliche und kinderärztliche Praxis zur Verfügung steht. Die haus- und kinderärztlichen Praxen sollten die koordinierende Funktion innerhalb des Versorgungssystems übernehmen. Patienten sollten dort möglichst fallabschließend behandelt oder, wenn medizinisch erforderlich, an Fachärzte überwiesen werden.





