Dauerhaft abnehmen

Speck weg und trotzdem bohren

„Ach du dickes Deutschland!“ Dieser Seufzer ging durchs Land, als Ende Januar die Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie vorgestellt wurden. In der Tat waren die Daten von knapp 20 000 Personen schwere Kost: Gemessen und gewogen, entpuppten sich zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen als zu dick, jeder fünfte Bundesbürger ist sogar fettleibig, also adipös. Deutschland wird immer dicker, und auch die Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ihr Team bleiben davon nicht verschont. Hier einige Reflexionen über das Abnehmen und ein Beispiel, wie eine Kollegin es geschafft hat.

Auch sind die Ergebnisse des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys erschreckend: 15 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen sind übergewichtig, davon 6,3 Prozent adipös.

Die Zahlen bestätigen, was das Straßenbild schon seit langem erahnen lässt: Zehnjährige, bei denen der Bauch über die Badehose schwabbelt, Männer, die ihr „Bierfässchen“ vor sich her tragen, Frauen mit reichlich Hüftgold. Für den Trend in Richtung XXL haben Wissenschaftler mehrere Erklärungen. Zum einen haben sich im Lauf der Evolution Gene durchgesetzt, die einem uralten Programm folgen, demzufolge gut gefüllte Fettspeicher das Überleben sichern. Zum anderen spielt unser Lifestyle eine entscheidende Rolle: Überernährung und Bewegungsarmut lassen die Energiebilanz auf Dauer Schlagseite bekommen; Speckröllchen werden zu Speckrollen, der Zeiger auf der Waage klettert in die Höhe. Wie Jahresringe beim Baum schwellen die Fettpolster mit dem Alter an. Die Nationale Verzehrsstudie fand rund 30 Prozent Adipöse bei den über 60-Jährigen.

Bei den Frauen sieht es nicht viel besser aus. 35 Prozent sind übergewichtig, knapp 20 Prozent adipös. Da der weibliche Anteil der Zahnärzte nach wie vor wächst und derzeit allsemesterlich über 50 Prozent Frauen die Approbation erhalten, fallen sie hiermit auch „schwer ins Gewicht“. Ob man übergewichtig oder gar fettleibig wird, entscheiden zu etwa 60 Prozent die Gene. Einige Gene, die das Gewicht regulieren, sind bereits bekannt, und vor kurzem wurde eine neue „Dickmacher-Genvariante“ entdeckt, die fast die Hälfte der Bevölkerung besitzt. Dies ist jedoch kein Grund zum Resignieren. Mit einer vernünftigen Ernährungsweise und viel Bewegung lassen sich solche Erbanlagen durchaus überlisten und ausbremsen.

Chronisch entzündetes Fettgewebe

Wer zu viele Kilos mit sich herumschleppt, hat nicht nur ein kosmetisches, sondern vor allem ein Gesundheitsproblem. Denn mit dem Körpergewicht steigt das Risiko fürBegleiterkrankungen, etwa Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung und Gallensteine. Hauptursache für diese Auswirkungen scheint ein chronisch entzündetes Fettgewebe zu sein. Das Fettgewebe speichert nicht nur überschüssige Energie, sondern produziert auch Substanzen, die als Adipokine bezeichnet werden. Darunter fallen viele Regulatoren des Glucose-, Fett- und Energiestoffwechsels, unter anderem auch entzündungsfördernde Zytokine. Genau diese Substanzen wurden als Störenfriede entlarvt: Ihre Produktion wird bei Übergewicht derart angekurbelt, dass sich das gesamte Fettgewebe entzündet. Immunzellen, die ins Fettgewebe einwandern, verstärken die Entzündung zusätzlich. Zu allem Übel werden diese Zytokine in die Blutbahn freigesetzt, was zu massiven Stoffwechselveränderungen führt. In der Muskulatur und der Leber entwickelt sich eine Insulinresistenz, die einen idealen Nährboden für Krankheiten wie Typ 2 Diabetes und Arteriosklerose bietet.

Bierbauch gefährlicher als Hüftgold der Frauen

Ob und wie sehr Fettpolster der Gesundheit zusetzen, hängt wesentlich davon ab, wo sie sitzen. Dies ist größtenteils genetisch bestimmt, wobei die Männer die schlechteren Karten haben. Ihr Bierbauch ist gefährlicher als das Hüftgold der Frauen. Bauchfett setzt nämlich mehr entzündliche Substanzen frei als das Fett an Hüften und Oberschenkeln und ist zudem wesentlich stoffwechselaktiver. Ein einfaches, aber aussagekräftiges Maß für das Gesundheitsrisiko ist daher der Taillenumfang. Beträgt er bei Männern über 94 cm und bei Frauen über 80 cm, ist das Risiko gering erhöht, bei Werten über 102 beziehungsweise 88 cm ist es stark erhöht.

Besonders Menschen mit wenig Übergewicht können sich mit der Messung des Taillenumfangs darüber klar werden, ob sie überhaupt abnehmen müssen. Bei einem Body Mass Index über 30 (siehe Kasten Seite 35) ist dies keine Frage mehr: der Gesundheit zuliebe sollte auf jeden Fall abgespeckt werden.

Abnehmen – gewusst wie

Die Frage ist nur: Mit welchem Konzept gelingt es, ungeliebte Fettpolster auf Dauer loszuwerden? Das Angebot an Diäten und Abnehmprogrammen ist unüberschaubar groß, und es ist schwierig zu bewerten, ob sie etwas taugen oder nicht. Zusätzlich muss ja auch noch überlegt werden, ob sich diese Maßnahme in den täglichen Arbeitsablauf einbauen lässt. Generell sollte man die Finger von Diäten lassen, die einen hohen Gewichtsverlust innerhalb kurzer Zeit in Aussicht stellen – womöglich ganz ohne Änderung der Lebensgewohnheiten. Vorsicht ist außerdem angebracht, wenn weniger als 1 200 kcal oder weniger als fünf verschiedene Lebensmittel pro Tag erlaubt sind oder wenn die Diät an den Kauf von bestimmten Produkten gekoppelt ist.

Und egal, ob man sich eine Weile von Ananas, Eiern, Kartoffeln ernährt, ob man Trennkost befolgt, Fett oder Kohlenhydrate vom Speiseplan streicht: Wenn die Diät beendet ist und die alten Essgewohnheiten wieder greifen, springen einen die mühsam abgespeckten Pfunde wieder an; oft sind es noch mehr als vorher. Um sie wiederum loszuwerden, fangen viele die nächste Diät an – und leiten ein Auf und Ab durch Dick und Dünn ein: den Jo-Jo-Effekt.

Erfolg versprechender als Diät-Schnellschüsse sind langfristig angelegte Konzepte, die oft unspektakulär daherkommen. Sie vermitteln einen veränderten Lebensstil, der auch die Aspekte Bewegung und Entspannung berücksichtigt, und sie basieren auf einer abwechslungsreichen Ernährung. Diese geht auf persönliche Vorlieben und Abneigungen ein und kennt weder Kalorienzählen noch Verbote. Der Gewichtsverlust erfolgt langsam. Ein Pfund pro Woche ist völlig ausreichend. Oft hilft professionelle Unterstützung, um am Ball zu bleiben.

Um die Spreu vom Weizen zu trennen, fordern Krankenkassen bestimmte Qualifikationen von Ernährungsberatern, wenn Therapien und Abnehmkurse mitfinanziert werden sollen. Zugelassen sind spezielle Fachkräfte wie Ökotrophologen, Diätassistenten oder Ernährungsmediziner.

Low Carb oder Low Fat

Wer mehr Kalorien aufnimmt als er verbraucht, nimmt auf die Dauer zu, unabhängig davon, ob die Kalorien aus Fett, Kohlenhydraten, Eiweiß oder Alkohol stammen. Zum Abnehmen braucht es immer ein Energiedefizit – das heißt im Klartext: Entweder man treibt mehr Sport und erhöht damit den Kalorienverbrauch und / oder man isst weniger und senkt dadurch die Kalorienaufnahme. Das leuchtet ein und ist unbestritten.

Diskutiert wird jedoch der Weg dorthin: Welche Kalorien soll man streichen? Lange galt das Fett als Dickmacher Nummer eins; schließlich liefert es mit 9,4 kcal/g von allen Nährstoffen die meiste Energie. „Fettbremse ziehen“ lautet die Devise daher in vielen Abnehmprogrammen, etwa bei den Weight Wachters und beim Programm der Deutschen Gesellschaft für Ernährung „Ich nehme ab“. Vor einigen Jahren geriet das Fett aus der Schusslinie und der schwarze Peter wurde an die Kohlenhydrate weitergereicht; Zucker und Stärke wurden zum Sündenbock gestempelt. Hintergrund waren Beobachtungen aus den USA, denen zufolge es trotz sinkendem Fettkonsum immer mehr Übergewichtige gab. Light ist in, auch in deutschen Billigketten sind die Produkte der Renner im Kühlregal. Gleichzeitig war aber der Verbrauch an kohlenhydrat-, vor allem zuckerreichen Lebensmitteln deutlich gestiegen. In der Folge lebten extremkohlenhydratarme Diätformen, wie das alte Aktinskonzept, wieder auf. Zudem traten neue Spielarten auf den Plan, bei denen man sich ebenfalls an fett- und eiweißreichen Lebensmitteln satt essen kann, die aber etwas mehr Kohlenhydrate pro Tag erlauben. Diese sollten vor allem aus ballaststoffreichen Quellen wie Gemüse und Vollkornprodukten stammen. Sie bringen Vitamine und Mineralien mit und haben einen niedrigen glykämischen Index, gelangen also langsam ins Blut und benötigen wenig Insulin.

Ein Vergleich beider Konzepte zeigt, dass der Gewichtsverlust bei einer Low-Carb- Diät nach einem halben bis einem Jahr mindestens so groß war wie bei einer fettreduzierten Diät. Vor allem in der Anfangsphase purzeln die Pfunde bei Low Carb. Die Crux ist bei beiden Diäten aber: Sie werden auf Dauer nicht durchgehalten – und das ist letztendlich entscheidend. Langfristig Erfolg versprechend sind eher Ernährungsformen, die individuell auf die persönlichen Vorlieben eingehen und sich an einer kalorienbewussten, abwechslungsreichen Auswahl an Lebensmitteln orientieren:

Auf die richtigen Fette setzen:Um abzunehmen, sollte man insgesamt knapp mit Fett umgehen (siehe Kasten). Die Deutschen verleiben sich etwa doppelt soviel von dieser Energiebombe ein als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, nämlich 130 g statt 60 bis 80 g pro Tag. Besonders tückisch sind die versteckten Fette, die zum Beispiel in Wurst, Käse, Kuchen, Schokolade oder Chips oder Milch enthalten sind. Erstens nimmt man sie oft nicht wahr – ein Croissant liefert zum Beispiel 12 g, eine Scheibe Salami 10 g, ein Big Mäc sogar 25 g Fett. Zweitens bestehen sie größtenteils aus gesättigten Fettsäuren, die den LDLCholesterinspiegel erhöhen und damit das Risiko für Herz- Kreislauf-Krankheiten steigern. Gesünder für Herz und Gefäße sind einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die zum Beispiel in Raps-, Walnuss- und Olivenöl sowie Nüssen enthalten sind. Die wertvollen Omega-3-Fettsäuren stecken vor allem in fetten Seefischen, wie Makrele, Lachs oder Hering. Fisch sollte ein- bis zweimal wöchentlich auf dem Speiseplan stehen.

Vorfahrt für komplexe Kohlenhydrate:

Vollkornprodukte, Obst und Gemüse haben viele Pluspunkte, die das Abnehmen erleichtern: Sie enthalten wenig Kalorien, sättigen gut, und sind eine wichtige Quelle für Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe. Da sie langsam und gleichmäßig ins Blut strömen, lösen sie keine Blutzuckerspitzen aus und belasten auch den Insulinstoffwechsel nicht. Fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag sind ideal – es darf aber auch mehr sein. Als Maß für eine Portion gilt bei Tomaten, Äpfeln oder anderen großstückigen Gemüsen und Früchten eine Hand voll, bei zerkleinertem Gemüse, Erdbeeren oder Kirschen zwei Hand voll, die zu einer Schale geformt werden. Kontraproduktiv beim Abnehmen sind zuckerreiche Lebensmittel. Bonbons, Schokolade, Kuchen, Gebäck, Eiskrem, Pudding, Limonaden und mehr sind wahre Dickmacher.

Die enthaltenen Zucker sind zwar gute und schnelle Energielieferanten für die Zellen. Doch ist deren Energiebedarf gedeckt, wird Zucker in Fett umgewandelt und im Fettgewebe gespeichert. Zudem sind zuckerreiche Lebensmittel oft auch fettreich – Paradebeispiel ist Schokolade – und sie bringen selten wertvolle Begleitnährstoffe mit. Aus diesen Gründen sollten Süßigkeiten beim Abnehmen nur eine Minirolle (als Verzehr gemeint) spielen.

Reichlich trinken:Wasser, ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees sind ideale Durstlöscher: Sie liefern kaum Kalorien und füllen den Magen. Viel trinken regt außerdem den Stoffwechsel an – zwei Liter pro Tag sollte man mindestens schaffen.

Genießen:Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme – es ist ein Stück Lebenslust, bedeutet Genuss und Freude, Geselligkeit und Lebensqualität. Der Alltag mag so hektisch sein wie er will, aber wenigstens einmal am Tag , zum Beispiel abends nach der Praxis, sollte man sich Zeit zum Essen nehmen: Eine duftende Küche, ein schön gedeckter Tisch, ein liebevoll angerichteter Teller – eine solche Atmosphäre entspannt und fegt den Alltags-Ärger für eine Weile beiseite. Ein weiteres Genieß-Argument ist: Wer langsam isst, überrollt sein natürliches Sättigungsgefühl nicht. Das stellt sich etwa 15 bis 20 Minuten nach einer Mahlzeit ein – dann, wenn Schnellesser sich schon längst den Mund abgeputzt und sich vermutlich überfuttert haben. Wer dann abends noch zum Stammtisch muss: Lieber vorher ein Vollkornbrot mit Tomate essen, dann ist man mit einem Salat zufrieden, wenn die Fachkollegen sich die großen Portionen bestellen. Auf den Wein oder das Bier, in dem ja bekanntlich die Kaloriensünden schlummern, lässt sich einfach verzichten, wenn man erklärt, dass draußen das Auto wartet.

Fasten – eine heilsame Verzichtsübung

Eine andere Methode: Jedes Jahr steigen Hunderttausende eine oder mehrere Wochen aus der Gemeinschaft der Esser aus – um inneren Frühjahrsputz zu machen, als Pause vom Alltag, als Erholung für Körper und Seele. Zwar schmelzen die Kilos beim Fasten weg wie warme Butter, doch kann dies lediglich eine Initialzündung zum Abnehmen sein. Nur wer die Ernährung auf Dauer umstellt, kann sein Gewicht auf einem niedrigeren Niveau stabilisieren

Es gibt viele Möglichkeiten zu fasten: in einer Fastenklinik, im Kloster, beim Fastenwandern, in einer Fastengruppe am Wohnort oder sogar auf eigene Faust zu Hause. Erste Fastenerfahrungen sollte man möglichst unter fachkundiger ärztlicher Anleitung machen, denn der Verzicht auf feste Nahrung verändert den Stoffwechsel radikal. Hart sind vor allem die ersten drei Tage, in denen der Hungerstoffwechsel regiert. Der Körper greift seine Energiereserven an, Stresshormone steigen, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme oder innere Unruhe können auftreten. Danach wird es besser – die Stresshormone sinken, der Körper bedient sich vor allem aus den Fettdepots, eine innere Ausgeglichenheit stellt sich ein.

Die bekannteste Fastenart ist das Buchinger- oder Heilfasten. Es findet in Spezialkliniken unter ärztlicher Betreuung statt. An Zusätzen nimmt man täglich Honig, Säfte und Brühe auf. Dazu kommt eine ganzheitliche Behandlung mit Bewegung, Entspannungsmethoden oder Psychotherapie.

Heilfasten eignet sich nicht nur für Gesunde, sondern entschärft auch viele Risikofaktoren, die mit Übergewicht vergesellschaftet sind, wie Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette. Bewährt hat es sich außerdem bei bestimmten rheumatischen, Verdauungs-, Haut- und Atemwegserkrankungen. Andere Fastenvarianten arbeiten mit Obst, Molke, Körnern, Trauben, Ahornsirup oder Zitronensaft.

Voraussetzung für die Umstellung des Stoffwechsels ist bei jeder Fastenvariante, dass höchstens 500 Kalorien pro Tag aufgenommen werden. Fasten ist also keine Nulldiät, sondern eine zeitlich begrenzte Kalorieneinschränkung mit festen Regeln. Dazu gehört unbedingt, viel Wasser zu trinken, körperlich aktiv zu sein und sich viel Ruhe zu gönnen.

In bestimmten Situationen darf nicht gefastet werden, etwa in Schwangerschaft und Stillzeit. Tabu ist Fasten auch bei bestimmten Krankheiten, wie Krebs, Magersucht, schweren Leber-, Nieren- und Schilddrüsenerkrankungen, Demenz und Verwirrtheit.

Dipl oec. troph. Dorothee HahneNordring 1450765 Kölnedhahne@aol.com

 

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