Chronische Mundtrockenheit

Zitronenbonbon versus Speichelersatz

Eine kausale Therapie der Xerostomie ist bislang kaum möglich. Hier wird zusammengefasst, was den Patienten zum Schutz von Mundschleimhaut und Zähnen geraten werden kann, wie eine Restfunktion der Speicheldrüsen auf unterschiedlichste Weise stimuliert werden kann und was hilft, wenn die Produktion ganz ausbleibt.

Das primäre Ziel der Behandlung einer Xerostomie ist die Besserung der gestörten Lebensqualität. Dies kann erreicht werden über eine Steigerung des Speichelflusses oder durch Speichelersatz sowie durch Maßnahmen, die die Folgen der Mundtrockenheit mildern. Selten ist eine kausale Therapie möglich, und selbst wenn, kann ein normaler Speichelfluss in der Regel nicht wiederhergestellt werden. Deshalb ist die zusätzliche symptomatische Therapie unverzichtbar.

Symptomatische Therapie

Getränke und Nahrung

Die ausreichende Flüssigkeitszufuhr stellt für alte Menschen bekanntermaßen ein Problem dar. Die Getränke sollen zuckerfrei und möglichst häufig (wenigstens acht bis zehn Tassen) über den Tag verteilt sein. Vorteilhaft ist das Trinken mit Strohhalm. Kaffee, Tee, Schokolade, Cola und sodahaltige Getränke sollen gemieden werden. Die Speisen sollen weich und feucht sein sowie eher kühl bis Raumtemperatur. Gemüse und Obst werden am besten im Mixer zerkleinert. Geeignet sind Hühnchen und Fisch weich gekocht, Müsli, Mixgetränke. Feste Speisen sind mit Brühe, Saucen, Suppen, Joghurt und Sahne zuzubereiten. Man soll kleine Bissen zu sich nehmen und sorgfältig kauen. Während des Essens sind immer wieder kleine Schlucke zuckerfreier Flüssigkeit zu trinken.

Scharf gewürzte und stark salzige Speisen verursachen Schmerzen und werden daher besser gemieden. Rauchen sollte man ganz einstellen. Alkohol und säurehaltige Getränke sind ebenso zu meiden wie kommerzielle Mundspülmittel. Die Einnahme oder Anwendung von Antihistaminika und abschwellenden Mitteln (Nasenspray: Epinephrin, Phenylephrin, Tramazolin, Oxymetazolin et cetera) ist ungünstig.

Mundhygiene

Der Ausfall des zahnprotektiven Speichels beschleunigt die Karies extrem. Neben einer allgemeinen, täglich mehrfachen Mundhygiene mit einer leicht alkalischen Mundspülung (1/4 l Wasser, 1 Teelöffel Backsoda, 3/4 Teelöffel Salz), sind, insbesondere nach jeder Mahlzeit, die Zahnhygiene mit einer weichen Bürste und Zahnseide sowie die regelmäßige Vorstellung beim Zahnarzt erforderlich. Bei schwerer Xerostomie ist oft eine antibiotische oder antimykotische Behandlung notwendig.

Luftbefeuchtung

Vor allem nachts sind Werte einer relativen Luftfeuchtigkeit 60 Prozent anzustreben. Bei Schnarchern muss im Schlaflabor abgeklärt werden, ob eine Maskenbeatmung mit angefeuchteter Luft notwendig ist. Eventuell kann nachts eine „Schnarchschiene“ getragen werden.

Stimulation der Speichelsekretion

Regelmäßiges Kauen verbessert die Sekretionsleistung signifikant [13]. Empfehlenswert ist wenigstens zweimal tägliches Kauen von zuckerfreiem, xylitolhaltigem Kaugummi und Lutschen von zuckerfreien zitronensäure-, minze- oder zimthaltigen Hartbonbons, falls der Zustand der Schleimhaut dies zulässt. Bei Überdosierung drohen Schmelzerosionen! Eine medikamentöse Stimulation kann mit Cevimelin, Pilocarpin, Bethanechol und Anetholtrithion und andere versucht werden. Patienten mit medikamentös bedingter Mundtrockenheit reagieren gut auf Yohimbin [10].

Künstlicher Speichel

Als künstlicher Speichel stehen zum Beispiel (Artisial®, Oralube® oder Siccasan®) zur Verfügung. Dabei handelt es sich entweder um aromatisierte oder neutrale Ersatzsowie Ölspüllösungen. Kunstspeichelspraylösungen enthalten Carboxymethylcellulose und Muzine als Gleitmittel sowie Mineralsalze und Fluoride zur Kariesprophylaxe.

Spezielle Maßnahmen

• Subjektive Mundtrockenheit ohne Nachweis einer gravierenden Hyposialie, Xerostomie bei Exsikkose und durch xerogene Medikamente

Soweit es sich nicht um passagere oder psychoneurotische Zustände handelt, betrifft die meist milde und stark subjektive Symptomatik vorwiegend ältere Menschen. Wenn auch eine Atrophie im hohen Alter nachweisbar ist, so ist der Hintergrund der Beschwerden meist bedingt durch eine Exsik kose bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr, viel seltener durch einen krankhaften Wasserverlust. Auch Zahn- und Prothesenprobleme, die dazu führen, dass längeres Kauen oder überhaupt die Bewegung im Mund vermieden werden, führen zur Mundtrockenheit.

Vor allem aber ist die Einnahme von Medikamenten mit einer Dämpfung der nervalen Stimulation häufige Ursache der Xerostomie. Obwohl die Notwendigkeit eines Medikaments immer wieder hinterfragt werden muss, ist ein Absetzen oft nicht möglich. Zu prüfen ist dann, ob ein Umsetzen xerogener Medikamente auf Alternativpräparate akzeptabel ist. Die xerogene Wirkung ist nur bei einem Teil der Medikamente objektiv an der Speichelsekretion nachweisbar, teilweise mag ein veränderter Hydratationszustand der Mukosa für das Gefühl der Mundtrockenheit verantwortlich sein. Eine medikamentös bedingte subjektive und objektive Xerostomie ist grundsätzlich reversibel.

Eine gute Prothetik kann über die verbesserte Kaufunktion und durch intensiveres Kauen das Trockenheitsgefühl mildern. Kauen von „Wrigley’s Freident“ zum Beispiel ist auch dem Prothesenträger möglich. Die ausreichende Trinkmenge wird zweckmäßig wie ein Medikament nach Uhrzeit und Menge verordnet. Erfahrungsgemäß ist die Compliance auf diesem Sektor allerdings gering. Wird der Patient mit diesen Maßnahmen nicht beschwerdefrei, müssen oben genannte symptomatische Maßnahmen hinzutreten.

• Autoimmunbedingte Sekretionsstörungen (Sjögren-Syndrom und andere)

Eine kausale Therapie des Sjögren-Syndroms (SS) ist nicht bekannt. Für das primäre SS liegt eine Reihe kontrollierter Studien vor, in denen der Effekt auf Tränenund Speichelfluss folgender Substanzen untersucht wurde: antiinflammatorische Medikamente, Kortison, Azathioprin, Methotrexat, Hydroxychloroquin, Rituximab, Infliximab, Cyclosporin A, INF-alpha und Dehydroandrosteron. Die Sicca-Symptomatik zeigte teils zwar eine subjektive Verbesserung, objektiv fehlte jedoch die Signifikanz [10].

Einen größeren Stellenwert für die Behandlung der Xerostomie bei primärem SS hat daher die Stimulation der meist noch vorhandenen Residualsekretion. Eine evidenzbasierte Analyse von Studien aus den Jahren 2002 bis 2005 kommt zu folgenden therapeutischen Empfehlungen [2]:

• INF-alpha steigert die Speichelsek retion bei primärem SS,

• Anti-TNF-alpha-Substanzen wie Infliximab oder Etanercept werden beim SS nicht empfohlen,

• Dihydroepiandrosteron (DHEA) nicht bei primärem SS.

• Pilocarpin und Cevimelin beeinflussen Xerostomie und Hyposalivation positiv bei primärem und sekundärem SS. Gute Ergebnisse werden zu einem bukkalen Depotpräparat mit 5 mg Pilocarpin (Hydrogen-Polymer, 3 x täglich appliziert) mitgeteilt [15].

• Die Wirkung von Lubrikansmitteln und Speichelersatzmittel wird von Patienten günstig beurteilt.

Das primäre Sjögren-Syndrom hat einen langsamen Verlauf. Allerdings entwickeln 10 Prozent der Betroffenen ein Pseudolymphom, 1 Prozent ein malignes Lymphom.

• Radiogene Xerostomie

Die gravierendsten Probleme werden bei Patienten nach Strahlentherapie gesehen, zumal diese Patienten oft zusätzlich großen Operationen im Kopf-Hals-Bereich unterzogen wurden, teils mit Verlust von Speicheldrüsen und/oder auch Mundschleimhautarealen. Meist wurde auch eine Chemotherapie durchgeführt. Eine dann bestehende Xerostomie kann partiell reversibel sein. Dosen über 50 Gy schädigen die Speicheldrüsen jedoch irreversibel [6]. In diesem Fall bleibt nur eine symptomatische Therapie mit den erwähnten Maßnahmen. Dem Risiko einer durch Mukositis und Xerostomie ausgelösten Strahlenkaries bis zur infizierten Osteoradionekrose (IORT) muss durch Zahnsanierung vor Strahlenbeginn begegnet werden. Während der gesamten Bestrahlungsphase empfiehlt sich Prothesenkarenz, bei den einzelnen Sitzungen das Tragen einer Zahnschiene. Eine Mukositisprophylaxe soll mit Panthenol-Lösung, Spülungen mit Salbei- oder Kamille-Tees, Chloramin-Tee, Sulcrafat-Suspension (Ulcogant ®) und Speichelersatzmitteln sowie eine Soor-Prophylaxe mit Nystatin erfolgen. In Studien erwiesen sich die Gabe von Amifostin [12] und Cumarin/Troxerutin [7] während der Bestrahlung als signifikant protektiv. Ein Schutz der Speicheldrüsen unter Radiochemotherapie durch Amifostin (> 250 mg) ist ebenfalls durch eine klinische Studie gesichert [14].

Sialogoga bei radiogener Xerostomie sind nur sinnvoll, wenn noch eine Residualsekretion vorhanden ist. In diesen Fällen soll Bethanechol dem Pilocarpin überlegen sein [3]. Empfohlen werden ferner Stimulanzien, wie Sialor ® oder Sulfarlem S25®, Mucolytica, wie Bromhexin, und Gleitmittel, wie Xerolube ®. Von Zahnärzten werden Fluoridspülungen empfohlen [13].

Es existieren heute verschiedene Techniken, um bei einer Bestrahlung von Kopf-Hals-Tumoren die Strahlenbelastung der Speicheldrüsen möglichst gering zu halten. Ein neuer Therapieansatz ist der Aquaporin-Transfer. Im Tierversuch wurde erfolgreich Aquaporin-1-cDNA mittels Adenoviren transferiert [5]. In der Folge stieg die Speichelsekretion deutlich an.

Bei einer Hochdosis-Radiojodtherapie wegen eines Schilddrüsenkarzinoms, die dosisund strategieabhängig in 20 bis 45 Prozent zur Xerostomie führt, wirkt Amifostin ebenfalls protektiv [1].

• Xerostomie aus sonstigen Ursachen

Die Mundtrockenheit bei AIDS-Kranken, bei Patienten mit Graft-versus-Host-Reaktion nach Knochenmarkstransplantation und unter Chemotherapie kann nur symptomatisch behandelt werden. Eine exogene Xerostomie durch Rauchen von Tabak oder Marihuana, nach gewohnheitsmäßigem Abusus von hoch konzentriertem Alkohol oder der Droge Metamphetamin bildet sich unter Karenz vollständig zurück. Im letzten Fall sind allerdings oft schon schwere irreversible Schäden an den Zähnen und der Gingiva eingetreten.

Dr. med. Vanessa SiedekDr. med. Pamela ZengelProf. Dr. med. Alexander BerghausKlinik und Poliklinik fürHals-Nasen-OhrenheilkundeLMU MünchenMarchioninistr. 1581377 Münchenvanessa.siedek@med.uni-muenchen.de

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der MMW Fortschr. Med. Nr. 5/2008 (150 Jg.).

Literatur bei den Verfassern

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Nahrung bei trockenem und wundem Mund

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Empfehlenswert

Problematisch

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Eiweiß

Gehacktes, Leberkäse, Weichwurst, gekochter Fisch, weich gekochtes Geflügel, Eier, Weichkäse, Joghurt, Milchshakes

Unzerkleinertes Fleisch, trockenes Geflügel, geräucherter Fisch

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Brot, Cerealien, Reis, Nudeln

Eingetunktes Brot, gekochte Cerealien, Müsli in kalter Milch, Kartoffelbrei, Reis mit Sauce, Sahnetorten

Trockener Toast, Brötchen, Schwarzbrot, Kekse, trockener Kuchen, Kartoffel

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Obst und Gemüse

Gekocht und im Mixer zerkleinert, weiche Birnen, Tomaten, Melonen, Bananen

Frisches Obst, Gemüse al dente, Zitrusfrüchte, Ananas und anderes saures oder sehr süßes Obst sowie Beeren, Nüsse

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Getränke, Desserts etc.

Fruchtsäfte (nicht zu sauer, möglichst zuckerarm), Gelatine, Pudding, Sorbet, Eis

Zitrus- und Tomatenjuice, koffeinhaltige Drinks, Alkohol, Schokolade, Essig, Chips, Brezeln, scharfe Gewürze

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