Koko für Präventive Zahnheilkunde, Alters- und Behindertenzahnheilkunde

Herausforderung: Parodontitis und Alterszahnheilkunde

Anlässlich der Koordinierungskonferenz der Länderreferenten für Präventive Zahnheilkunde, Alters- und Behindertenzahnheilkunde der Bundeszahnärztekammer, die mit Unterstützung der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe am 18. April 2008 in Münster stattfand, kamen Kammerreferenten und Wissenschaftler zusammen, um über zukünftige Aufgaben zu diskutieren, Länderprojekte vorzutragen und nach Möglichkeiten für eventuelle Synergien in der Behandlung Behinderter und sehr alter Menschen zu suchen.

Professor Dr. Thomas Kocher war aus Greifswald angereist, um als Mitpromotor der großen Ship-Studie den Teilnehmern aktuelle Daten über die Parodontologie und ihre Auswirkungen im Spiegel der demografischen Veränderungen sowie die Folgen für die zahnärztlichen Praxen darzulegen – und setzte dabei in seinem Vortrag neue Impulse. So scheint heute als nahezu gesichert, dass die Parodontitisätiologie mit rund 40 Prozent genetisch fixiert ist. Bemerkenswert ist ebenso die deutliche Abhängigkeit von sozialen Faktoren, wie sie auch von der Karies her bekannt ist. Das erfordert, so sind sich die Teilnehmer in der anschließenden Diskussion einig, eine besondere Fürsorge in diesen Gruppen. Dass Frauen bislang verstärkt über parodontale Geschehen klagten und die Verbindung zu Schwangerschaften geschlagen wurde, ist hinlänglich bekannt. Neu ist jedoch, dass die Ship-Studie, die flächendeckend den Gesundheitszustand der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns analysiert, die starke Abhängigkeit der Parodontopathien vom männlichen Geschlecht bestätigte. Kocher vermutete die Ursache im Nikotinund Alkoholabusus sowie in einem unregelmäßigen Mundgesundheitsvorsorgeverhalten. Richtig ist, dass eine Diabetes mellitus- Erkrankung als biologischer Risikofaktor gilt. Da aber diese Stoffwechselerkrankung (D.m.II) inzwischen bei immer jüngeren Patienten auftritt, werden auch hier auch vermehrt Parodontopathien auftreten. Gefragt ist also auch der Internist, der den Diabetes diagnostiziert, als Überweisungsmediator zum Zahnarzt. Ebenso wirkt Stress. In den untersuchten Regionen liegt dieser vorwiegend in Arbeitslosigkeit und damit verbundener Geldnot. Neu für viele Teilnehmer war die Verbindung zwischen Adipositas und Zahnfleischerkrankungen. Kocher erklärte diesen Zusammenhang mit der großen Anzahl an Fettzellen, die auch in einem dauerhaft entzündlichen Prozess stehen und daher die Immunabwehr des Patienten herabsetzen. Kocher zog folgende Schlüsse aus seinen Ausführungen: Der Zahnarzt kann die genetischen sowie die Umweltfaktoren nicht direkt beeinflussen. Das aufgezeigte multifaktorielle Ätiologiemodell macht deutlich, dass eine mangelhafte Mundhygiene nicht die alleinige Ursache für das Auftreten einer Parodontalerkrankung darstellt. Daraus ergebe sich, dass Patienten mit schlechter Mundhygiene nicht von einer Parodontalbehandlung ausgeschlossen werden dürften. Eine Ressourcenallokation könnte hier Abhilfe schaffen, damit noch mehr Patienten vom parodontalbedingten Zahnverlust verschont bleiben.

Qualifizierungsmodelle im Assistenzbereich wären hier zusätzlich hilfreich, wie auch eine Erweiterung des Delegationsrahmens, so waren sich die Diskutanten einig. „Unabhängig von den neuen Erkenntnissen in der Ätiologie bleiben die Optimierung der Mundhygiene und die professionelle Betreuung der Parodontitispatienten Hauptaufgaben der Zahnarztpraxis“, stellte Dr. Dietmar Öesterreich, BZÄK-Vizepräsident und Referent des Ausschusses abschließend fest.

Aktionen in den Ländern

Zahnärztliche Prophylaxepässe für Kinder sind in fast allen Bundesländern vertreten und werden vom niedergelassenen Zahnarzt sowie vom Patienten akzeptiert. Die Art der Verteilung differiert zwar, einig ist man sich jedoch, dass auch bereits der Gynäkologe, der die Schwangere betreut, in die zahnmedizinische Prophylaxe involviert werden sollte. Die Einbindung der niedergelassenen Kollegen in die Gruppenprophylaxe wird als wichtig erachtet. Patenschaftsmodelle sollten in Kindertagesstätten die Gruppenprophylaxe sicherstellen. Bezüglich der Betreuung von Behinderten und Heimpatienten (Senioren) gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Modelle.

Während in Heidelberg die Universität einen Kurs für Hausärzte in der Alterszahnheilkunde anbietet, sind in Westfalen- Lippe und unter anderem auch in Bayern die Strukuren bereits gut etabliert und gefestigt. Während Sachsen-Anhalt sich den Weg über die Seniorenräte der Kreise bezüglich der Fortbildung von Pflegekräften bahnt, strebt Bremen eine Landesarbeitsgemeinschaft für Seniorenzahnmedizin an und Nordrhein berichtet über die Schulung von Pflegekräften und die Fortbildung zahnärztlichen Assistenzpersonals im Bereich Alterszahnheilkunde. Einig war man sich: Die Delegationsgrundlagen der ZFA hinsichtlich der oralpräventiven Betreuung in Senioren- und Pflegeeinrichtungen sollten überarbeitet werden, ebenso sollte ein gerostomatologisches Modul bei der Fortbildung des Assistenzpersonals eingerichtet werden. Sinnvoll ist es auch, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen einzubinden. Pflegestammtische haben sich in manchen Kreisen und Städten ebenso bewährt wie der Ankauf von mobilen Behandlungseinheiten, die interessierten Kollegen von Kammern zur Verfügung gestellt werden.

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