Trickdiebstahl in der Zahnarztpraxis

Der falsche Patient

Trickbetrüger schlüpfen in die unterschiedlichsten Rollen, um Menschen um ihr Eigentum zu bringen. Als Schmerzpatient stellte sich im Herbst vergangenen Jahres ein Täter in zwei Zahnarztpraxen vor.

Freitag vormittag in einer Zahnarztpraxis im Siegerland: Kurz vor der Mittagspause betritt ein gut gekleideter Mann mittleren Alters die Anmeldung. Er habe Zahnschmerzen, sagt er. Die Zahnärztin ist bereits weg. Die Mitarbeiterinnen bitten ihn, später wiederzukommen. Pünktlich zur Nachmittagssprechstunde erscheint der gebräunte Mann im Sakko wieder, wenig später sind mit ihm Hand- und Winkelstücke sowie eine Lichtturbine aus dem Behandlungszimmer verschwunden.

Bereits drei Tage früher erwischte es einen Kollegen in Bottrop im Ruhrgebiet. Nachmittags gegen halb fünf kam der Betrüger in die gut gefüllte Praxis. Auch hier schleuste er Lichtturbine, Hand- und Winkelstücke unbemerkt an den Angestellten vorbei. Mit einer Größe von gut zehn Zentimetern hätte das Diebesgut in Hosen- oder Sakkotasche gepasst, meint die Ehefrau des betroffenen Zahnarztes.

Der Trickdieb wirkte sehr sympathisch auf sie: „Er war sehr gepflegt, machte einen gebildeten Eindruck.“ Der Mann stellte sich bei ihr als Privatpatient vor, füllte das Anmeldeformular aus. Dabei habe er noch gefragt: Ein schöner Stift, kann ich den behalten? „Wegen der Fingerabdrücke, das wurde mir erst später klar“, schätzt sie.

Komplett neue Masche

Das Vorgehen des Trickbetrügers überraschte selbst den zuständigen Kriminalpolizisten: „Wir haben es mit eine komplett neuen Masche zu tun“, sagt der Beamte von der Polizeidienststelle in Gladbeck.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig. In beiden Fällen gab der falsche Patient erfundene Personalien an. Eine Versichertenkarte oder einen Ausweis zeigte der Betrüger nicht vor. Der Polizeibeamte rät: „Bei einem nicht bekannten Schmerzpatienten sollte man sich zwingend ein Ausweisdokument zeigen lassen.“ In den betroffenen Praxen hatten die Zahnärzte und ihre Mitarbeiterinnen auf die Angaben des Mannes vertraut.

Drei Minuten mit Folgen

„Er wollte sich eine Schmerztablette aus dem Auto holen“, berichtet eine Augenzeugin aus dem Ruhrgebiet. Und weg war er. Die Praxis im Siegerland verließ er mit der Begründung, er wolle nur einmal schnell seine Versichertenkarte aus dem Auto holen, schildert die betroffene Zahnärztin: „Als er nach zehn Minuten nicht wiederkam, haben wir festgestellt, dass Turbine, Hand- und Winkelstücke verschwunden waren.“

Zuvor hatte sie ihm bereits in den Mund geschaut. „Er klagte über Schmerzen oben rechts, doch ich konnte nichts sehen.“ Die Zahnärztin beauftragte eine Mitarbeiterin ein Röntgenbild zu machen, behandelte währenddessen einen anderen Patienten. Der vorgebliche Schmerzpatient wartete im Behandlungszimmer nebenan. Die unbeobachteten Minuten nutzte er dazu, die einzelnen Bohrer abzuschrauben.

Im Ruhrgebiet war er noch schneller zu Gange: „In etwa drei Minuten hat er die Stücke rausgezogen“, schätzt die Ehefrau des Zahnarztes. Kaum angekommen, habe er ins Behandlungszimmer gewollt. Sie erinnert sich an seine plausible Begründung: Er habe es mit dem Rücken und könne schlecht im Wartezimmer sitzen.

„In beiden Fällen haben wir etwa die gleiche Täterbeschreibung“, sagt der Polizist aus Gladbeck. Ein 40- bis 45- jähriger Deutscher, etwa 1,80 bis 1,85 m groß, schlank und gebräunt, mit kurzem braunem Haar und einem gepflegten Äußeren. „Auffallend ist, dass bei einem sehr gepflegten Gebiss alle Zähne mit Metallkeramikkronen versorgt sind“, ergänzt der Bottroper Zahnarzt. „Zahn 16 trägt eine Dreiviertelkrone in Gold.“

Schaden für die betroffenen Zahnärzte

„Trickdiebstähle gelten als ‚einfache Diebstähle’. Als solche sind sie in der Regel nicht durch die Praxisversicherung abgedeckt“, sagt Ewald Elfrich, Geschäftsführer der Versicherungsstelle für Zahnärzte GmbH (VFZ) in Köln. „Die Inventarversicherung umfasst meist keine einfachen Diebstähle“, betont er, „Einbruchdiebstähle hingegen schon.“ Sofern Zahnärzte zusätzlich eine Elektronikversicherung abgeschlossen haben, sind sie für den Fall abgesichert, dass sich ein Dieb die teure Interoralkamera oder das neue Notebook schnappt. Einen breiten Schutz bieten auch sogenannte Multi-Risk-Policen, erläutert Elfrich. „Im Rahmen ihres Deckungskonzeptes sind in der Regel auch einfache Diebstähle mitversichert.“ Zahnärzte sollte gründlich abwägen, ob sich dies für ihre Praxis lohnt.

„Insgesamt haben wir einen Gesamtschaden von über 2 000 Euro“, schätzt der Zahnarzt aus Bottrop. Die Kollegin im Siegerland kostete es sogar über 3 500 Euro, die fehlenden Stücke zu ersetzen, wie sie berichtet. Geld, das beide Praxen selbst tragen müssten. jr

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