Augen zu und durch
„Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind!“ verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntagabend, den 5. Oktober 2008. Damit gaben sie und Finanzminister Peer Steinbrück etwas, was es bis dato noch nie gegeben hat: eine Staatsgarantie auf alle Einlagen, die auf Spar- und Girokonten liegen.
Wie hoch die Gesamtsumme ist, darüber streiten die Experten. Die Bundesbank jedenfalls registrierte Ende 2007 1,6 Billionen Euro auf Giro- und Tagesgeldkontos sowie in Festgeld und anderen Spareinlagen. Für diese unvorstellbar große Summe verbürgte sich die Regierung – in der Hoffnung, dass der Ernstfall nicht eintreten möge.
Ruhe statt Supergau
So unwahrscheinlich der endgültige Kollaps scheinen mag, so zielt die Garantiezusage von Merkel und Co in erster Linie auf die Beruhigung der Bevölkerung. Denn die Diskussionen um die Hypo Real Estate und deren Rettung sorgten für starke Verunsicherung. Dass die Krise so nahe rücken würde, damit hatte kaum jemand gerechnet. Niemand weiß, was an Hiobsbotschaften noch bevorsteht. Da kann es nur sinnvoll sein, für Ruhe zu sorgen. Denn würden alle Kontoinhaber ihr Erspartes abheben, wären die Banken wären gar nicht in der Lage, alles Geld auf einmal auszuzahlen. Sie haben es ausgeliehen, um damit zu verdienen. Das ist auch in diesen Zeiten ein ganz normaler Vorgang, zudem hat Berlin Sicherungszusagen für die Banken über 500 Milliarden Euro gemacht.
Andererseits kann die Regierung sich leicht trauen, solche Versprechungen zu machen. Gilt doch das deutsche Einlagensicherungssystem als das beste der Welt. Generell schreibt die EU-Regel vor, dass Einlagen bis zu 90 Prozent und maximal bis 20 000 Euro im Insolvenzfall abgesichert sind. Darüber hinaus sichert jede Bankengruppe ihre Kunden nach einem eigenen System ab:
• Private Banken
Sie pflegen den Einlagensicherungsfonds deutscher Banken. Für die Kunden der Mitglieder wie zum Beispiel Commerz- oder Deutsche Bank bedeutet das, dass ihre Einlagen bis zu 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank geschützt sind. Wie viel das im Einzelfall sein kann, können Sparer auf der Homepage des Bankenverbandes nachsehen. Das macht beim kleinsten Institut 1,5 Millionen Euro aus, weil das Gesetz über das Kreditwesen den Banken ein Mindesteigenkapital von fünf Millionen Euro vorschreibt.
Derzeit befinden sich angeblich etwa 4,6 Milliarden Euro im Topf. Im Falle eines Supergaus wäre diese Summe nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Geschützt sind alle Einlagen auf Spar- und Girokonten, Sparbücher,Zunächst werden die zwölf regionalen Stützungsfonds aktiv. Reicht das nicht, springen die Fonds der Landesbanken und Girozentralen mit ihrem Kapital ein. Als letztes Auffangnetz fungiert die Gewährträgerhaftung. Dann sind Länder und Gemeinden – also die Steuerzahler – gefragt.
• Volksbanken
Das Sicherungssystem dieser Banken besteht aus einem Garantiefonds und einem Garantiebund. Alle Banken leisten solidarisch ihre Beiträge und unterstützen sich im Ernstfall gegenseitig, so dass kein Kunde zu Schaden kommt.
• Ausländische Banken
Ausländische Banken wollen auf dem deutschen Finanzmarkt Fuß fassen und geizen ebenfalls nicht mit Anreizen. Doch hier ist höchste Wachsamkeit angesagt. Die meisten dieser Institute arbeiten mit der Einlagensicherung nach niederländischem Recht, diese beschränkte sich in der Vergangenheit auf 20 000 Euro pro Person. Seit dem 1. Januar 2007 sind es 20 000 Euro plus 90 Prozent von den nächsten 20 000. In diesen Fällen empfiehlt es sich, die Anlagesumme auf 20 000 beziehungsweise 38 000 Euro zu begrenzen. Die Österreicher wie zum Beispiel die Parex-Bank und die Vakifbank International geben sich mit einer Einlagensicherung nach EU-Vorschrift, also mit maximal 90 Prozent der Einlagen und maximal 20 000 Euro pro Person, zufrieden. Die isländische Kaupthing Edge hat nach isländischem Recht 20 887 Euro garantiert – ohne Wirkung: Leider haben die 30 000 deutschen Anleger derzeit keinen Zugriff auf ihre Einlagen, weil die Bank geschlossen wurde. Die Bundesregierung verhandelt mit Island über die Auszahlung der Guthaben. Fazit: Tagesgeld sollte also nur bei möglichst sicheren Instituten geparkt werden.
Relativ gut geschützt
Die deutschen Sparer dürfen sich also relativ gut geschützt fühlen – zumindest was ihre Einlagen auf Giro- und Sparkonten angeht. Es besteht zurzeit kein Anlass, seine Ersparnisse abzuheben. Panik und unüberlegtes Abheben würde die Krise vielmehr noch verschärfen. Räumten beispielsweise alle Kunden der Deutschen Bank gleichzeitig ihre Konten, bräche diese zusammen. Deshalb auch zeigt Kanzlerin Merkel Vertrauen in das deutsche Universalbankensystem und gibt den Bürgern eine Garantiezusage für ihre Bankeinlagen.
Stehen die Zeichen bei einem Institut auf Sturm, schreitet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein und verhängt ein Moratorium. Das heißt: Sie schließt die Bank und es geht nichts mehr rein und nichts mehr raus. Die Konten werden eingefroren und die Kunden können weder einzahlen noch abheben. Dieser Zustand dauert meistens zirka sechs Wochen. Danach beginnt der Einlagensicherungsfonds mit den Auszahlungen der Guthaben. Für den einzelnen Betroffenen bedeutet die Einfrierung seines Kontos, dass er keine Basis mehr für seine Geldgeschäfte hat. Er muss also so schnell wie möglich ein neues Konto bei einer anderen Bank eröffnen und dafür sorgen, dass seine Honorar- beziehungsweise Gehaltszahlungen und andere eingehenden Zahlungen umgeleitet werden. Ansonsten verschwindet gutes Geld in einem schwarzen Loch. Wie es zum Beispiel die KfW bei Lehman Brothers gezeigt hat.
Deckel auf Depots
Aber wie sieht es mit den übrigen Geldanlagen aus? Was passiert im Falle einer Bankenpleite mit den Depots? Generell lässt sich sagen, dass der Insolvenzverwalter keinen Zugriff auf den Inhalt eines Depots hat. Aktien können sich im Worst Case sogar als sicherer erweisen als das Tagesgeldkonto. Denn die Unternehmensanteile bleiben im Besitz des Anlegers. Gegen den Kursverfall gibt es leider keinen Schutz. Aber der Kunde kann jederzeit die Herausgabe der Papiere verlangen.
Das gleiche gilt auch für Zertifikate und Anleihen oder Investmentfonds. Auch über sie kann nur der Depotinhaber verfügen. Kapital, das beispielsweise in Aktienfonds investiert ist, unterliegt als Sondervermögen einem besonderen Schutz. Geht der Fonds Pleite, bekommt der Anleger auf jeden Fall sein eingesetztes Geld zurück.
Etwas kritischer betrachten Berater inzwischen die bis vor kurzem so begehrten Geldmarktfonds. Zwar gilt auch hier: Geht die Bank, die den Fonds verwaltet pleite, kann der Kunde die Herausgabe seiner Anteile verlangen. Muss aber das Institut schließen, bei dem der Fonds zum Beispiel in festverzinsliche Papiere angelegt hat, kann der Fonds diesen einen Teil seiner Anlagen verlieren.
Manche Fonds haben in der Vergangenheit auch nicht davor zurückgeschreckt, in sehr spekulative Anlagen zu investieren, die jetzt unter der Krise leiden. Zurzeit empfiehlt es sich nur dann in Geldmarktfonds zu investieren, wenn ihre Zusammensetzung genau bekannt ist.
Noch anfälliger als sonst erweisen sich Zertifikate in der Krise. Die Inhaberschuldverschreibungen sind immer so sicher wie ihr Emittent liquide ist. Auch wenn sie auf Aktien großer Unternehmen oder dem Goldpreis basieren, entscheidet allein die Bonität des Emittenten. Wird dieser zahlungsunfähig, gehören die Zertifikate in die Konkursmasse. Die Ansprüche der Anleger stehen dann hinten an. Die Besitzer von Lehman-Zertifikaten wissen ein Lied davon zu singen. Ihnen bleibt nur ein Hoffnungsschimmer: Wenn ihnen seinerzeit ein Bankberater diese Anlage empfohlen aber nicht auf die Möglichkeit eines Totalverlustes hingewiesen hat, könnte das ein Indiz für eine Falschberatung sein, meinen Experten; abschließend untersuchen könne das im jeweiligen Einzelfall aber nur ein Anwalt.
Anders sieht es bei Schuldverschreibungen der Sparkassen und Volksbanken aus. Lauten sie auf den Namen des Kunden, gehören sie bei diesen Instituten in die Einlagensicherung. Gefahr kommt hier erst auf, wenn die Systeme zusammenbrechen.
Ein Teil der Altersvorsorge – wenn nicht sogar der größte – steckt gerade bei Zahnärzten und anderen Freiberuflern in Lebensbeziehungsweise Rentenversicherungen. Dass es diese Branche ebenfalls kalt erwischen kann, hat die dramatische Entwicklung um die amerikanische AIG gezeigt. In Deutschland verschwand durch den Börsencrash 2000 bis 2002 die Mannheimer Versicherung von der Liste.
Doch eigentlich gelten die deutschen Versicherer als solide. Die strengeren Vorschriften erlauben den Gesellschaften zum Beispiel nur einen Aktienanteil von 35 Prozent. Sollte es dennoch zu einer Insolvenz kommen, sind die Ansprüche der Kunden aus Lebens- und Rentenversicherungen geschützt, weil dieses Kapital als Sondervermögen gilt. Ein Teil der Überschüsse steht den Versicherten ebenso zu und fließt nicht in die Konkursmasse. Schafft es der Konkursverwalter nicht, die Gesellschaft zu retten, springt der Sicherungsfonds Protektor ein.
Mit Barren und Münzen
Alle Anleger suchen nach möglichst sicheren Anlagemöglichkeiten. Davon profitiert derzeit besonders Vater Staat. Bei den Länderratings gehört Deutschland zu den Staaten mit der höchsten Bonität. Die Deutsche Finanzagentur, die die Schulden der Republik verwaltet, wird deshalb geradezu mit Euros überschüttet. Vor allem das neue Produkt – die Tagesanleihe – erfreut sich großer Beliebtheit.
Wem keines dieser Produkte gefällt, der kann sein Erspartes in Goldbarren und -münzen anlegen. Der Preis für das edle Metall hat in diesem Jahr schon einmal die 1 000-Dollar-Grenze pro Unze berührt. In den vergangenen Wochen gab er nach. Doch das wird sich ändern.
Davon ist Wolfgang Schuhmann, Vorstandsmitglied bei der Vermögensverwaltung Gebser & Partner in Frankfurt, überzeugt: „Ich halte Gold immer noch für eine gute Anlage und nehme auch meine Prognose, dass der Preis bis 2020 auf 5 000 Dollar je Unze steigen wird, nicht zurück.“ Sein Kollege Jens Ehrhardt äußerte sich ähnlich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Ich bin immer noch Edelmetallfan – weil sich die Finanzkrise länger hinziehen wird.“
Private Käufer müssen allerdings bedenken, dass sie die Differenz zwischen An- und Verkauf beachten sowie die Kosten für die Lagerung einkalkulieren müssen.
Häuser, Mieten und Miese
Viele Menschen fühlen sich derzeit stark verunsichert und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Sie bekommen zum Beispiel von vielen Instituten Angebote für Tagesgeld zu extrem hohen Zinsen. Die Banken holen sich derzeit die Kredite bei der privaten Kundschaft, weil die Institute sich untereinander nur noch misstrauen und sich gegenseitig nichts mehr leihen.
Wer einen Teil seines Kapitals in Immobilien gesteckt hat, darf sich ebenfalls auf der sicheren Seite wähnen. Das gilt sowohl für das Einfamilienhaus, die Mietimmobilie in einer guten Lage und auch für Immobilienfonds. Letztere haben mit der Immobilienkrise in den USA nichts zu tun, weil sie nur in gewerbliche Gebäude investieren. Dennoch wird die Krise auch an ihnen nicht völlig spurlos vorüber gehen. Denn die abflauende Konjunktur wird für niedrigere Mieten sorgen. Das heißt die Renditen der Immobilienfonds werden sinken. Wenn der Fonds möglichst breit gestreut in verschiedenen Ländern anlegt, minimiert sich das Risiko.
Einigermaßen ruhig und gelassen dürfen deshalb Anleger die Hektik und Verunsicherung, die inzwischen weite Bevölkerungskreise ergriffen hat, betrachten. Liegt das Kapital gut aufgeteilt in seriösen Wertpapieren, auf Tagesgeldkonten angesehener Institute beziehungsweise der Deutschen Finanzagentur und steckt ein anderer Teil in echtem und/oder Betongold gilt die Devise von Berater Schuhmann: „Augen zu und durch und sich nicht verrückt machen lassen.“
Er plädiert derzeit dafür, alle Tageszeitungen sowie die Nachrichten in Radio oder Fernsehen zu meiden, weil die sich überschlagenden Informationen nur zu Verunsicherung und Panik bei den Lesern und Hörern führten. Etwas daran ändern könnten sie nicht.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de