Gastkommentar

Hört die Signale

Heftarchiv Meinung
Ohne Moral und soziales Gewissen hat es eine kleine Zahl an Zockern geschafft, ein ganzes Wirtschaftssystem in Misskredit zu bringen. Flugs wird die Systemfrage gestellt, ob es nicht Aufgabe des Staates sei, die Dinge umfassend zu regeln. Die Tore zur Daseins- Verstaatlichung stehen weit offen.

Klaus Heinemann
Freier Journalist

Eine bessere Steilvorlage ist kaum vorstellbar. Und zwar für jene, die in klammheimlicher Vorfreude darauf hofften, dass die Pathogenese des Turbo-Kapitalismus durch seine eigene Rotationsgeschwindigkeit zum Ausbruch getrieben wird. Diesen Gefallen haben ihnen jene getan, die, von einer geradezu krankhaften Gier getrieben, jegliche Fasson verloren. Der Umstand, dass nun Schutzwälle aus Steuermilliarden errichtet werden müssen, während die Brandstifter im wesentlichen ungeschoren davonkommen, leitet jenen reichlich Wasser auf die Mühlen, denen es zunehmend ein Leichtes ist, mit dem Schlagwort „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert“, billigen Populismus zu betreiben.

Da die auf Talkshow-Niveau eingedampfte politische Streitkultur in Deutschland jeglicher Fähigkeit zur Differenzierung verlustig geht, laufen wir nun Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Alternative zum entarteten Gierkapitalismus kann nicht Sozialismus lauten, nicht Verstaatlichung von Wirtschaft sowie aller (noch halbwegs) privaten Formen der Daseinsvorsorge und -gestaltung. Diese Sozialismus-Option hatte eine reale Existenzchance, ist jedoch nachhaltig gescheitert. Erstaunlich ist jedoch, wie rasch sich dieses Modell mit einem Mantel aus Nostalgie umgeben hat, geschneidert von jenen Seilschaften, die zunehmend ungeniert agieren. Und das, obwohl es die Mehrheit der Bevölkerung in eben jenem Politmodell war, die in friedlicher Revolution mit dem Ergebnis der Systembeendigung scheinbar für klare Verhältnisse gesorgt hatte.

Nein, die Lehre aus den unfassbaren Vorgängen der jüngsten Vergangenheit kann nur lauten: Rückbesinnung auf die wesentlichen Parameter der Sozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet, der Staat, also die Politik, setzt Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb, lässt Raum für die individuelle Entfaltung, verhindert schädliche Machtballungen, schafft Chancengleichheit durch Unterstützung und Transferleistung dort, wo die individuelle Kraft nicht ausreicht. Ein System, wo starke Schultern mehr tragen, wo kleine Einheiten auf unteren Hierarchieebenen stets Vorrang bei Problemlösungen vor größeren und höher angesiedelten Einheiten haben. Eine Ordnung also, gekennzeichnet durch Solidarität und Subsidiarität.

Von einer derartigen Idealvorstellung der Sozialen Marktwirtschaft haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten Schritt für Schritt entfernt. Und das, obwohl das deutsche Modell viel bewundert wurde und unbestreitbar eine Erfolgsgeschichte besonderer Qualität darstellt. Eine Qualität, die im Zuge der deutschen Einigung höchsten Belastungen ausgesetzt war und diese alles in allem bravourös meisterte. Und dennoch ist es der deutschen Politik nicht gelungen, diesen Entwurf den angelsächsischen Ländern näher zu bringen. Im Gegenteil sahen wir uns unvermittelt jenen Finanzhaien aus Großbritannien, Irland und den USA nahezu schutz- und wehrlos ausgeliefert, die in der Wirtschaft – und in ihrem Gefolge in der Gesellschaft – einen regelrechten Flurschaden anrichteten.

Es kann im Zuge der Krisenbewältigung folglich nicht Mittel der Wahl sein, alles Bewährte über Bord zu werfen und den linken Rattenfängern mit ihren billigen populistischen Versatzstücken auf den Leim zu gehen, so viel Raum ihnen die öffentlich-rechtlichen Medien auch bieten. Wir brauchen zwar einen starken Staat, nicht jedoch einen, der seine Bürger unter dem Vorwand der Fürsorge stetig weiter entmündigt, und diese Stärke dann auch noch missbraucht. Stark muss er sein in der Kontrolle jener „freien Radikalen“, die global agieren und eine diebische Freude daran haben, verbrannte Erde zu hinterlassen.

Hören wir also recht aufmerksam auf die Signale!

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