Leitartikel

Mengenlehre

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

teilen ist herrschen; herrschen ist sparen; also ist „teilen = sparen“. Es wird immer deutlicher: Eine (erfolgreiche?) Gesundheitspolitik geht so! Vielleicht erklärt das, warum unsere Bundesgesundheitsministerin schon so lange auf diesem zweifellos heißen Stuhl sitzt. Dieses uns noch aus der Sexta präsente mathematische Gleichheitsprinzip gibt die Zielrichtung vor. Gleichheit führt zur Einheitlichkeit und schließlich zur Einheitsversorgung, das alles mithilfe des Wettbewerbstärkungsgesetzes (WSG).

Kurz vor Einführung des Gesundheitsfonds suchen die Beteiligten (= Betroffenen) eine günstige Ausgangsposition: Die CSU ködert wegen bevorstehender Landtagswahlen die bayerischen Hausärzte mit finanziellen Versprechungen; die AOK Baden-Württemberg schließt mit MEDI-Verbund und Hausärzten eine Vereinbarung mit Einschreibmodell und Pauschalsystem; Kassen und Experten spekulieren mit und über den neuen Beitragssatz: 15,8 Prozent (wofür manches spricht), 15,5 nach einer Berechnung des Experten Prof. Neubauer, oder „nur“ 15,2 Prozent, weil politisch opportun. Iris Pfeiffer, neue Chefin des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen wird dieser Tage nicht müde, die klamme Finanzlage der GKV herauszustellen. Logisch, dass die gesetzlichen Krankenkassen sich die Rosinen aus dem WSG picken wollen.

Aber Wettbewerb der GKVen untereinander? Das geht für viele unter den absehbaren Umständen doch zu sehr ans Eingemachte. Da klagen die GKVen schon jetzt über Unsicherheiten, über mangelnde Liquiditätsreserven. Da sind alle gehalten, im kommenden Jahr ohne Zusatzbeiträge auszukommen, müssen aber unter ihrer Vielzahl zu denjenigen gehören, deren Angebote an die Versicherten so attraktiv sind, dass es den richtig strukturierten Zulauf gibt. Und was spielt man da? Alles auf eine Karte setzen? Monopoly? Oder gar das bewegungsfeindliche Beamten-Mikado?

Nicht jeder geht dieses Gesellschaftsspiel auf so klassische Weise an. Christoph Straub zum Beispiel, stellvertretender Vorsitzender der als gut aufgestellt geltenden Techniker- Krankenkasse, weiß, dass man sich bewegen muss. Er weiß aber auch, dass, wer sich zu früh bewegt, bestraft wird. Er ist so schlau, sich auszurechnen, dass purer Protest nur dazu führen kann, dass man später zu den Verlierern zählen wird. Das kann, so sieht es Straub, sogar große Regionalkassen ruinieren. Gesunder Wettbewerb?

Schon möglich, zumindest in der vom BMG beabsichtigten Konsequenz: Wer die Gewürzmischung aus Morbi-RSA, gut zahlendem Kundenstamm und ausgeklügeltem System diverser Vertragskomponenten nicht hinbekommt, den bestraft das Leben eben fürs Zuspätkommen. Denn zu viele sind sie allemal – meint Ulla Schmidt.

Wir erinnern uns, dass die Ministerin sinngemäß auch kolportiert hat, dass Wettbewerb ist, „wenn es billiger wird“. Die Versicherten wollen Service und Qualität, zahlen aber einen Einheitsbetrag, weil die Kassen sicher keine selbstmörderischen Zusatzbeiträge generieren wollen. Also wird gespart, was das Zeug hält: „Die Krankenkassen ... werden stärker darum konkurrieren, ihren Versicherten eine hohe Qualität zu möglichst günstigen Preisen anzubieten“, verklickert das BMG schon heute den Leuten. Das Spiel ist eröffnet.

Wir Zahnärzte haben nicht nur Leuten wie Christoph Straub aufmerksam zugehört. Wir haben seit Längerem das Gefüge analysiert und uns mit dem Prinzip von Vertrags- und Wahlleistungen, dem inzwischen etablierten Festzuschusssystem im Zahnersatz, aber auch mit denkbaren weiteren Spielarten der Festzuschüsse auseinandergesetzt. Wir beobachten den qua Gesetz neu strukturierten Gesundheitsmarkt und konzipieren Denkmodelle, wie wir als Kollektiv – also im Sinne der gesamten Zahnärzteschaft – das vom Gesetzgeber eingebrachte Instrumentarium nutzen können. Zum Wohle des Kollektivs zu denken darf nicht heißen, selektives Handeln auszuschließen. Ganz im Gegenteil gilt es, auch hier die notwendige kreative Flexibilität zu wahren, die uns Zahnärzten praktikable Nischen öffnet, Sonderwege ebnet und es erlaubt, mit kollektivem Grundsatz das für uns und unsere Patienten Beste dabei herauszuholen. Nutzen wir die Chancen, die uns Therapiealternativen und eingeführte Selbstbeteiligungsmodelle bieten. Für Wahltarife in der GKV mit Selbstbeteiligung der Patienten und privaten Zusatzversicherungen sind wir am besten aufgestellt. Die Karten dafür sind – noch – ganz gut verteilt. Auch die Krankenkassen wissen, dass Ulla Schmidts Vereinzelungsstrategie verwaltungstechnisch und auch wirtschaftlich wenig Sinn macht. Hier liegt eine große Chance für Deutschlands Zahnarztpraxen.

Ökonomisches Denken heißt – frei nach Tucholsky – eben nicht, dass „die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben“, sondern dass wir uns aktiv auf das, was kommt, vorbereiten. Wir Zahnärzte sind da, wie ich meine, auf einem ganz guten Weg.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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