Olympia wirft seine Schatten voraus

Thema Doping oder die Kehrseite der Medaille

Mit dem Einzug der Olympioniken ins Nationalstadion in Peking wird sich die Diskussion um ein mögliches Doping der Athleten neu entfachen. Zu spät, denn gedopt wird heutzutage eine ganze Zeit, bevor die Wettkämpfe stattfinden. Die Methoden haben sich dabei nur marginal gegenüber früher geändert, sagt Professor Dr. Wilhelm Schänzer, Dopingexperte an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

En vogue ist das Thema Doping durch die Radrennfahrer geworden, eine neue Brisanz hat es bekommen, als China den Zuschlag zu den diesjährigen olympischen Sommerspielen erhielt. Ein massives Doping im Reich der Mitte, das sich mit aller Macht im Medaillenspiegel bis an die Spitze kämpfen will, wird allerorts befürchtet.

Ruhe war um das Thema Doping eingekehrt, nachdem im Jahre 2004 die Welt- Anti-Doping-Agentur (WADA) eingerichtet wurde, die nur noch zur Hälfte durch Institutionen des Sports und zur anderen Hälfte durch die nationale Staatengemeinde getragen wird. „Seitdem gibt es faktisch eine Zentrale, die sich weltweit um die Etablierung von Standards bei der Dopingbekämpfung kümmert und diese auch stetig verbessert“, so Schänzer.

Gelöst ist das Problem Doping damit freilich nicht, es wird fleißig weiter mit EPO und Co. gearbeitet, und davon ist auch im Vorfeld der olympischen Spiele auszugehen. Dennoch schätzt Schänzer die WADA als sehr wertvolle Einrichtung: „Es wird inzwischen mehr Geld in die Forschung investiert und intensiv daran gearbeitet, Methoden zu entwickeln, um auch bislang nicht oder nur schwer zu entdeckende Dopingmethoden zuverlässig nachweisen zu können.“

Abschreckung als Prinzip

Längst nicht jede unerlaubte Leistungssteigerung ist nachweisbar. Die Dopingbekämpfung arbeitet deshalb in erheblichem Maße mit dem Prinzip Abschreckung. Doch die Furcht vor einem positiven Testergebnis am Wettkampftag führt oft nur dazu, dass der Sportler am Tag selbst „clean“ ist, weil er Dopingmethoden gewählt hat, die seine Muskeln im Vorfeld stärken und weil er die Maßnahmen so rechtzeitig beendet hat, dass am Tag des Wettbewerbs ein positiver Nachweis nicht mehr zu führen ist. „Gedopt wird selbstverständlich weiter, daran kann leider auch die WADA kaum etwas ändern“, meint Schänzer.

Das weiß auch die Organisation und wird nicht erst an Wettkampftagen aktiv, sondern testet zumindest die A-Kader-Sportler auch während der Trainingsphase. Schänzer: „Das ist jedoch schwierig in Ländern, in denen die Kontrolleure sich vorher ankündigen müssen und in denen das Doping von offizieller Seite stillschweigend toleriert wird, damit die eigenen Athleten gut abschneiden.“ Solche Anmeldungen sind in China erforderlich, aber auch in verschiedenen Ländern Osteuropas, und stellen den Sinn der Dopingkontrollen infrage.

Fatal: Unterstützung durch Ärzte

Ganz generell hat sich nach Schänzer das Bewusstsein um die Doping-Problematik in der Öffentlichkeit – und das gilt in besonderem Maße für Deutschland – erheblich verbessert. Doping wird dadurch aber kaum verhindert, zumal die Sportler zunehmend auf Methoden ausweichen, die nicht nachweisbar sind und dabei sogar Unterstützung von Ärzten haben, die mit dieser „Arbeit“ offensichtlich „gutes Geld“ verdienen. So werden wohl auch weiterhin Hochleistungs- Athleten vor großen medaillenträchtigen Sportveranstaltungen mit Anabolika vollgepumpt, was sich nur vermeiden lässt, wenn die Kontrollen vor den Wettkämpfen forciert und optimiert werden. Doch auch dann bleiben den Sportlern und den sie „betreuenden“ Ärzten subtilere Methoden, wie EPO, genauer ausgedrückt, Erythropoietin, ein im menschlichen Organismus natürlicherweise vorkommendes Hormon, das die Blutbildung anregt. Mehr Blut heißt auch mehr Sauerstoff und letztlich mehr Leistungsfähigkeit, was EPO für den Spitzensport so attraktiv macht. Die Verabreichung von EPO ist in gewissen Grenzen nachweisbar – das Manipulieren mit Eigenblut, das ähnliche Effekte bewirken kann, aber nicht. Wie viele Hochleistungssportler dopen? Die Frage lässt sich nach Schänzer nicht beantworten. Ob sich das Manipulieren der Leistungskraft und die damit verbundenen Risiken für den Athleten lohnen oder nicht, hängt zudem von der jeweiligen Sportart ab. Wird diese primär von Kraft dominiert, so ist die Einnahme von Anabolika verlockender als bei Sportarten, die auf Schnelligkeit und Koordination setzen und bei denen mehr technische Komponenten eine Rolle spielen.

„Beängstigend“ ist nach Schänzer weniger, dass Sportler dopen, sondern viel mehr, dass sie darin von Ärzten unterstützt werden. Dass sich daran etwas geändert hat, mag der Anti-Doping-Experte nicht glauben: „Es ist trotz all der öffentlichen Diskussion kaum davon auszugehen, dass die Mediziner, die derart skrupellos vorgehen, quasi über Nacht ausgestorben sind.“ Im Gegenteil: Es dürfte massive Anstrengungen geben, immer ausgefeiltere Methoden zu erdenken und zu entwickeln, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern, ohne dass dies durch Testverfahren nachweisbar ist. Eine Möglichkeit hierzu ist der Einsatz „bewährter“ Dopingmittel in niedrigerer Dosierung – zum Beispiel, indem Testosteron nicht mehr als Spritze gegeben, sondern vorsichtig als Gel aufgetragen wird. Beliebt bei Doping-Sündern und ihren Betreuern sind außerdem Substanzen, die der Körper selbst produziert, zum Beispiel Wachstumshormone oder Insulin. Entsprechende Manipulationen lassen sich durch Einzeluntersuchungen kaum mehr aufdecken. „Wir müssen dann Blutprofile erstellen, was den Kampf gegen das Doping sehr viel aufwendiger macht“, erklärt Experte Schänzer.

Doping könnte bald zum Lifestyle-Problem warden

Übrigens ist Doping keineswegs nur ein Problem im Spitzensport. Auch so mancher Breitensportler greift offenbar ganz gerne zu leistungsfördernden Mitteln. Das zeigt laut Schänzer eine Untersuchung Tübinger Forscher, die Besucher in 110 deutschen Fitness- Studios interviewten: Rund 19 Prozent der befragten Männer gaben dabei an, mit anabolen Substanzen zu arbeiten, um das Bodybuilding zu forcieren. Selbst vor Jugendlichen macht das Doping neuesten Erkenntnissen zufolge nicht halt, gibt Schänzer zu bedenken. Je mehr ein gutes, kraftvolles Aussehen als Schönheitsideal propagiert wird, dürften, so seine Befürchtungen, den Muskelaufbau fördernde Präparate zur „Lifestyle-Droge“ avancieren – auch wenn es dafür keine Medaillen gibt.

Christine VetterMerkenicher Straße 22450735 Köln

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