Zahnpflege im alten China und Japan

Zwischen Ritual und Reinlichkeit

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China hat eine jahrtausendealte Kultur und Medizintradition. Zahnpflege war im Reich der Mitte und im Nachbarland Japan seinerzeit üblich. Zum Putzen der Zähne wurde eine Art Zahnbürste benutzt.

Als um das Jahr 1280 die Mongolen unter ihrem Großkhan Khubilai (1215 – 1294) das südliche Sung Reich erobert hatten, fiel ganz China bis 1368 unter die Herrschaft der Yüan-Dynastie. Über die Herrscherqualitäten des Khubilai Khan, der als chinesischer Kaiser Shih-tsu hieß, erfahren wir sehr anschaulich durch die Berichte des Marco Polo

Seit dieser Zeit war die Medizin in China in 13 Fachgebiete eingeteilt, zu denen auch die Mund- und Zahnheilkunde gehörte. Dabei spielte die Akupunktur eine vorrangige Rolle, die auf der uralten medizinischen Überlieferung Nei-king (Klassische Abhandlung über die Innere Medizin) basierte. Im Nei-king werden Aspekte der Zahnheilkunde detailliert beschrieben. Das medizinische Werk soll unter dem sagenhaften chinesischen Kaiser Huang Ti entstanden sein, der der altchinesischen Überlieferung nach im 3. Jahrtausend v. Chr. gelebt haben soll. Wahrscheinlicher ist aber, dass die medizinische Textsammlung aus der Zeit zwischen dem 5. und 3. Jahrhundert v. Chr. stammt, als China in konkurrierende Reiche zerfallen war. Vielleicht ist das Werk auch später entstanden, als Chinas erster Kaiser Shih Huang Ti (Kaiser von China 221 – 210 v. Chr.) mit Gewalt die Teilreiche einte und sich mit seinem Grabmal – begleitet von einer riesigen Terrakotta-Armee – unsterblich machte.

Bei der Akupunktur erfolgte das Einstechen der Nadeln nach ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten. So durfte die Behandlung von Zähnen auf keinen Fall am zehnten Tag eines Monats durchgeführt werden. Die Akupunktur- Einstichstellen der zu behandelnden Körperteile konnten sich in deren Nähe oder in großer Distanz zu diesen befinden. Zum Beispiel befindet sich der Akupunkturpunkt für die Behandlung der unteren Zähne auf dem Fußrücken am distalen Ende des vierten Mittelfußknochens.

Hygiene hoch im Kurs

Im alten China standen die körperliche Hygiene und Reinlichkeit ganz allgemein hoch im Kurs. So ist es nicht verwunderlich, dass in fast allen Haushalten Waschschüsseln aus Metall oder Porzellan vorhanden waren. Oft und gerne nahmen die Chinesen ein Bad. In den Reiseberichten des Marco Polo heißt es: „Man pflegt dort wenigstens dreimal die Woche und im Winter womöglich an jedem Tag das Bad zu besuchen.“ Weiter weiß Polo zu berichten: „Jeder Mann von Rang und Vermögen hat eins zu seinem eigenen Gebrauche in seinem Hause.“

Zur Pflege des Körpers gehörte ganz selbstverständlich auch die Pflege der Zähne. Für die alten Chinesen besaß die Reinigung der Zähne und der Zungenoberfläche einen hohen Stellenwert. Die Zahnpflege gehörte zur traditionellen chinesischen Medizin. Die Reinhaltung des Mundes hatte vor allen im Buddhismus eine große Bedeutung, weil der Mund als Tor zum Körper angesehen wurde. Die buddhistische Religion hatte sich seit der Zeitenwende neben der Lehre des Konfuzius, dem Taoismus und anderen religiösen Überzeugungen in China verbreitet. Auch im Konfuzianismus und Taoismus galt ein reinlicher Körper als wichtig. Nach der buddhistischen Lehre glaubt man: „Aus einem unsauberen Mund entstehen Dämonen, die sich in Form von Essensresten, Schleim und Galle auf der Zunge festsetzten und Geruch absondern.“ Das Putzen der Zähne scheint eine quasi rituelle Handlung gewesen zu sein, wie folgende buddhistische Unterweisung vermuten lässt: „Beim Kauen des Zahnhölzchens sollten [die Gläubigen] wünschen, dass alle Wesen das Leid ausnahmslos überwinden: in Harmonie und reiner Gesinnung.“ (aus: buddhistische Textsammlung Huayanjing, Kap. 11) Das Zähneputzen wurde so wichtig genommen, dass man es sogar bildlich festhielt. In einer der berühmten buddhistischen Grotten von Mogao befindet sich die aus dem 9. Jahrhundert n. Chr. stammende Abbildung eines Mannes, der sich die Zähne putzt. Die Höhlen von Mogao liegen im nordwestlichen China in der Provinz Gansu nahe der Oasenstadt Dunhuang und gehören zum Unesco-Weltkulturerbe.

Schon seit vielen Jahrhunderten haben die alten Chinesen sogenannte Zahnputzhölzer als Zahnbürste und Zahn stocher benutzt. Bei diesen „Zahnbürsten“ handelte es sich um Stöckchen aus besonderem Holz. Ein Zahnputzholz konnte auch gegenüber der gefaserten Stelle als Zahnstocher zugespitzt sein. Ein solches Holz konnte zum Beispiel aus klein gefasertem Bambus oder Pflaumenzweigen hergestellt sein. Der früheste historische Bericht über einen Zahnstocher stammt aus einem Brief während der Chin- Dynastie (zirka 265 – 420 n. Chr.) Die Benutzung von Zahnstochern könnte aber noch weit früher zurückreichen. Populär wurde der Gebrauch des Zahnstochers in der Zeit der Song-Dynastie, also ab Mitte des 10. Jahrhunderts.

Historische Zahnstocher oder Zahnschaber konnten mit anderen Instrumenten zur Körperpflege, wie Ohrlöffel, Nagelreiniger oder Pinzette, verbunden sein. Solche filigranen silbernen Gehänge wurden an einer Kette getragen und durften bei keiner vornehmen Dame im alten China fehlen. Sie wurden zum Beispiel in Brusthöhe an die Gewänder angenäht oder am Gürtel getragen. Vor allem der Zungenschaber wurde oft gebraucht. In einer Schrift aus dem beginnenden 13. Jahrhundert schreibt ein gewisser Chen Zi-Ming, dass die Säuberung der Zunge zur allgemeinen Mundhygiene gehörte.

Bürsten waren bekannt

Das im alten China sogar schon Zahnbürsten verwendet wurden, die unseren heutigen Zahnbürsten sehr ähnlich sahen, offenbart ein archäologischer Fund aus einem Liao-Grab. Die Liao-Dynastie (907 – 1125) wurde vom Nomadenvolk der Kitan begründet und erlangte Einfluss über den Norden Chinas. In den 1950er-Jahren wurden in dem Grab eines kaiserlichen Schwiegersohns aus der Mitte des 10. Jahrhunderts zwei Zahnbürstengriffe aus Elfenbein gefunden. Im Kopf der Bürste befanden sich acht, in zwei Reihen angeordnete Löcher für die Borsten. Aus der Literatur der Song Dynastie im 12. Jahrhundert geht hervor, dass die Borsten aus dem Haar von Pferdemähnen gemacht waren.

Der Gelehrte Hu Si-Hui empfahl zur Zeit der Yüan-Dynastie im frühen 14. Jahrhundert das Putzen der Zähne am Morgen und Abend. Zur Mundspülung wurde eine Salzlösung verwendet. Die Zahnpulver oder Zahnpasten wurden aus pflanzlichen und mineralischen Substanzen gefertigt. Aus der Zeit der östlichen Han-Dynastie (zirka 25 – 220 n. Chr.) finden sich Unterweisungen, dass bestimmte Nahrungsmittel im Überfluss genossen, die Zähne schädigen können. Im kaiserlichen China sollen über Land auch „Zahnputzer“ gezogen sein, die die Frontzähne der Menschen mit Salzsäure aufhellten.

Japan von China Beeinflusst

Das alte Japan wurde stark von der chinesischen Kultur und Heilkunde beeinflusst. Die chinesisch geprägte Medizin wurde zunächst nur von Priestern, sogenannten Bonzen, ausgeübt. Vom Reich der Mitte unter den Tang-Kaisern über Korea verbreitete sich ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. auch der Buddhismus in Japan. Die dort im Land weit verbreitete shintoistische Religion legte ebenso wie der Buddhismus viel Wert auf Reinheit. Die japanische Badekultur ist berühmt. So ist es verständlich, dass im Land der aufgehenden Sonne die Zahnpflege ebenso wie im chinesischen Reich große Bedeutung hatte. Religiöse Bräuche forderten von allen Japanern am Morgen die Zähne zu säubern und den Mund mit Wasser zu spülen. Nur so gereinigt durften sie am Hausaltar beten: „Zu Gott darf man nur mit reinem Munde sprechen.“

Die reicheren Japaner gebrauchten einen Holzstab zur Zahnreinigung. Dieser konnte auch mit Holzwolle umwickelt sein. Durch den Brauch, das traditionelle Essbesteck zusammen mit Zahnstochern zu verpacken, wurden die Benutzer der Essstäbchen quasi zum Gebrauch des Zahnstochers aufgefordert. Natürlich wurde im alten Japan auch ein Zahnputzholz benutzt. Es war wie in China ein gefasertes Stäbchen, das die Japaner Koyoji nennen. Interessanten Aufschluss über die Zahnpflege im alten Japan gibt auch eine Untersuchung von Anthropologen der Universität Nagasaki. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Samurai des 17. Jahrhunderts sehr gute Zahnverhältnisse hatten. Dies war die Zeit des Tokugawa-Shogunats, deren Shogune Japan zwischen 1603 bis 1868 regierten. Verglichen wurden die Zahnüberreste von Kriegern der Ritterkaste mit denen einfacher Bürger. Das Ergebnis war, dass junge Japaner der damaligen Zeit, die aus den einfachen Bevölkerungsschichten stammten, deutlich schlechtere Zähne hatten, als die jungen Samuraikrieger. Auch bei den älteren Generationen zeigte sich ein ähnlicher Befund. Zur Zahnpflege benutzen die Samurai einen Holzstab, den sie mit Stoff umwickelten. Vor allem die Zähne waren gut erhalten, die mit der „Zahnbürste“ gut erreichbar waren.

Diese Untersuchung zeigt, dass die höheren Schichten in Japan, wie sicher auch in China, stärker die Zahnpflege betrieben als die gewöhnliche Bevölkerung. Aber Zahnputzholz und Zungenschaber waren im Fernen Osten gängige Handelsartikel, was für eine breite Benutzung in der Bevölkerung spricht. Die Zahnputzhölzer wurden erst in der Neuzeit allmählich von der modernen Zahnbürste verdrängt.

Schön Schwarz

Unerwähnt darf nicht der Brauch verheirateter japanischer Frauen bleiben, der dem Schönheitsideal und Reinlichkeitsprinzip der japanischen Kultur an sich zuwider steht. Wenn die Japanerin den Bund der Ehe geschlossen hatte, wollte sie nur noch ihrem eigenen Mann gefallen. Um dies zu beweisen, färbte sie sich ihre Zähne schwarz. Diese Sitte wird Ohaguro genannt und verbreitete sich im 17. Jahrhundert bei verheirateten Frauen der Oberschicht.

Ein Rezept zum Schwarzfärben der Zähne sah so aus: „Man nehme 3 Pinten (etwa drei Liter) Wasser, erhitze es, und gieße dann eine halbe Tasse Sake (Reiswein) hinzu. In diese Mischung werfe man ein Stück rotglühendes Eisen und lasse sie fünf bis sechs Tage stehen. Nach dieser Zeit wird sich ein Schaum auf der Oberfläche bilden, der in eine Tasse geschöpft und über Feuer gesetzt werden muß, worauf, wenn das Gebräu erhitzt ist, pulverisierte Galläpfel und Eisenfeilspäne hinein gerührt und ebenfalls erwärmt werden. Vermittelst einer weichen Feder wird diese Flüssigkeit auf die Zähne gestrichen; nach mehrfacher Anwendung und abermaligen Zusätzen von Galläpfelpulver und Eisenfeilspänen werden alsdann die Zähne die gewünschte Farbe erhalten.“ (aus: „Bilder aus Japan“ von Adolf Fischer, Eindrücke der Japanreise 1897)

Dieser Brauch wurde schrittweise von Ehefrauen anderer Bevölkerungsschichten kopiert und in späteren Zeiten vor allem von Kurtisanen gepflegt. Sogar die Prothetik für ältere Japanerinnen wurde aus Ebenholz gefertigt, um weiterhin schwarze Zähne zu besitzen. Erst mit der Öffnung des Landes, die die amerikanische Regierung unter Präsident Franklin Pierce (1804 – 1869) mit Kriegsschiffen unter Admiral Mathew Perry ab 1853 erzwang, endete mit der Übernahme westlicher Bräuche in Nippon auch die außergewöhnliche Praktik, die Zähne schwarz zu färben.

Kay LutzeLievenstraße 13,40724 Hildenkaylutze@ish.de

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