Leitartikel

Die Zukunft kann kommen

Heftarchiv Meinung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Ist das Ende des Kollektivvertrags nicht auch das Ende der freien Arztwahl?“ Auch wenn man es vermuten könnte: Diese weitsichtige Frage stammt nicht aus unseren Reihen, sondern von einem Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg.

Fragen solcher Art beschäftigen in Zeiten, in denen die Untiefen reformerischer Experimente das System immer wieder zu zerbrechen drohen, also längst nicht mehr nur uns Ärzte und Zahnärzte. Auch die Repräsentanten der GKVen besinnen sich ausgeloteter Seekarten. Sie wollen zurück in bekanntes Fahrwasser.

In diesen Zeiten mit zunehmender Arbeitslosigkeit und praktizierter Kurzarbeit, aber auch einer zunehmend polarisierenden gesellschaftspolitischen Diskussion erlebt auch das Solidarprinzip in der GKV eine erneute Bestätigung.

Nachvollziehbar ist das. Aber ein „Back to the Roots“ kann und wird es im Gesundheitswesen nicht geben. Die Verantwortlichen können sich der Pflicht, für anstehende Veränderungen neue Grundlagen zu schaffen, auf Dauer nicht entziehen.

Mir, der in diesen Zeiten den Kollektiv- vertrag wieder erstarkt sieht, ist aber auch klar, dass der zahnärztliche Leistungsbereich als erster nachhaltige Veränderungen er- fahren wird, sobald die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Besserung verheißen – mit Wahltarifkonstruktionen, mit Selektivvertragsmodellen, aber viel besser noch mit unseren Vorschlägen und Konzepten. Diese Positionierung weist aus, was wir Zahnärzte unter Wettbewerb verstehen.

Für Ulla Schmidt ist Wettbewerb, wenn alles billiger wird. Ich meine mit Wettbewerb nicht diese unheilvolle Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Ich meine mit Wettbewerb nicht einen ruinösen Preiswettbewerb, der via Preisverfall zur Zerschlagung jeglicher freiberuflichen Strukturen führt.

Ich will einen Wettbewerb, der eine Erhaltung, ja eine Stärkung freiberuflicher Versorgungsstrukturen ohne Fremdbestimmung und staatliche Gängelung ermöglicht.

Unser eigenverantwortliches, fachlich unabhängiges Handeln als Freier Beruf ist das Gütesiegel, das den Patienten und die Qualität seiner Versorgung in den Mittelpunkt stellt. Das ist unser Wertesystem für sinnvollen Wettbewerb.

Daran werden auch Pseudo-Wettbewerbsversuche wie AOK-Ärzte-Bewertungsportale im Internet wenig ändern können. Zu komplex ist die Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Arzt, als dass sie sich auf einer Ebene mit rächenden Hotelkritik- oder „Deutschland sucht den Superstar“- Rankings platzieren ließe.

Und bedenken sollten nicht nur versorgungsspezifisch motivierte, sondern auch ökonomisch geprägte Politiker: Gerade in Zeiten der Weltwirtschaftskrise ist der Mittelstand – und dazu gehören wir freiberuflich tätigen Ärzte und Zahnärzte – noch ein sicherer Posten für Beschäftigung und Arbeitsplätze. In diesem Feld agieren immerhin 4,3 Millionen Menschen – der wahrscheinlich schon jetzt stärkste Beschäftigungsbereich im Land. Wache Politiker wissen vor Wahlen, dass es nicht nur in der Automobilindustrie und in Kaufhäusern Arbeitsplätze gibt.

Für die notwendige Organisationsstruktur steht auch weiterhin der freiberufliche, selbstständige Zahnarzt – und damit eng verknüpft – die ärztliche und zahnärztliche Selbstverwaltung. Das System GKV lebt ganz wesentlich vom Know-how dieser Körperschaften.

Wir zahnärztlichen Körperschaften wissen um unsere Stärken und unsere Zukunfts- fähigkeit. Und wir kennen unsere Aktions- und Wandlungsfähigkeit, wenn bewährte Strukturen geopfert werden. Jahrzehnte fortgesetzter Reformen haben uns Zahnärzte gelehrt, wie wichtig es ist, uns das Prinzip der gleichlangen Spieße gegenüber Gesetzgeber und Krankenkassen zu erhalten.

Wir denken flexibel genug, uns den jeweiligen Verhältnissen zu stellen. Die Zukunft kann kommen.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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