3. Speyerer Zahnärzte-Symposium

Alle wollen den Wandel

Ein Austausch unter Experten, eine Sachstands-Analyse nach Kenntnis des neuen Koalitionsvertrags, aber auch die Erörterung der Perspektiven für eine vertragszahnärztliche Vergütungsreform – das waren die übergeordneten Anliegen des 3. Speyerer Zahnärzte-Symposiums. Die Diskussionen um Wege zur nächsten Reform verdeutlichten, wo die Paritäten und Disparitäten der unterschiedlichen Player bei der Umsetzung gesundheitspolitischer Ziele künftig liegen werden. Fraglos bleibt: Alle wollen den Wandel – aber jeder auf seine spezifische Weise.

Dass Krankenkassenvertreter, gesetzlich wie privat, aber auch Fachleute aus Bundesgesundheitsministerium und Vertragsärzteschaft an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Chancen und Risiken der nächsten Gesundheitsreform ausdiskutieren konnten, hat nicht nur den Mitveranstalter und Gastgebervertreter Prof. Rainer Pitschas zu der Überzeugung gebracht, „der schleichende Systemwandel“ werde sich fortsetzen.

Auch der andere Symposium-Partner, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, hat aus den Vorträgen am 12. und 13. November mitnehmen können, dass man mit den im Grundsatzkonzept „Perspektive Mundgesundheit“ vorgestellten und von der KZBV-Vertreterversammlung in München jüngst konsentierten neuen Wegen keineswegs nur auf Widerstand stoßen wird. KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Eßer zeigte die Stoßrichtung des vertragszahnärztlichen Konzepts auf: „Es reicht uns nicht, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Uns geht es darum, jetzt Möglichkeiten für einen soliden Weg in die Zukunft auszu- loten.“

Dringenden Reformbedarf sieht die KZBV laut Eßer vor allem in folgenden Punkten:

- Die nur noch im zahnärztlichen Bereich geltende Budgetierung ist als leistungs- und innovationsfeindlich erkannt und muss beseitigt werden.

- Zu berücksichtigen ist auch, dass die Fortschreibung der budgetierten Vergütung bisher nur über die Mitgliederzahl der Krankenkassen, nicht aber über die nach Öffnung der GKVen sich auch verändernde Versichertenstruktur erfolgt.

- Die Angleichung der Ostvergütungen an die der alten Bundesländer steht in der vertragszahnärztlichen Versorgung noch aus. Hier muss eine einmalige, zusätzliche Anhebung auf das durchschnittliche Niveau der Westvergütungen erfolgen.

Kein Verständnis für Selektivverträge

Wege zur Lösung dieser Probleme seien im Konzept der KZBV bereits angelegt. Anders als im vertragsärztlichen Bereich – KBV- Vertreter Dr. Bernhard Rochell schilderte ausführlich die Probleme der Ärzteschaft mit dem „Lehrstück“ vertragsärztliche Honorarreform – erfolgten vertragszahnärztliche Leistungen in weitem Umfang vorab geplant und von den Krankenkassen im Einzelfall genehmigt. Hier existiere „bereits heute eine umfassende, systemimmanente Mengensteuerung, die nicht-morbiditätsbedingte Leistungssteigerungen ausschließt“. Seien weitere Steuerungsmechanismen notwendig, biete sich die Ausdehnung des im Zahnersatz erfolgreich umgesetzten Festzuschusskonzepts auf andere Versorgungsfelder an – zum Beispiel im Bereich der Füllungstherapie.

Wenig Verständnis zeigte Eßer für das vom Gesetzgeber geschaffene und auch im neuen Koalitionsvertrag bestätigte Konstrukt der Selektivverträge als Fördermaßnahme wettbewerblicher Strukturen im Versorgungssystem. Bedenklich sei insbesondere, dass hiermit den Krankenversicherungen die Möglichkeit geboten werde, Patienten-Navigation zu praktizieren. Hier gehe es nicht um qualitativen Wettbewerb, vielmehr um ein Mittel, mit dem sich die Krankenkassen zulasten der Versorgungskollektive einen harten Verdrängungswettbewerb lieferten.

Hoffnung auf neues Denken im BMG

Dass die – auch jüngste politische Positionsbestimmungen berücksichtigenden – Ausführungen des Ökonomen Prof. Günter Neubauer über von ihm präferierte Steuerungsmodelle, aber auch die Darstellung der rechtlichen Grundwarten zur Öffnung zahnärztlicher Vergütungsregelungen durch den Juristen Prof. Winfried Boecken den konzeptionellen Ideen der Vertragszahnärzteschaft Flankenschutz boten, kann die Argumenta-tion der KZBV nur stabilisieren.

Mehr noch: Die Vorschläge der Zahnärzteschaft stoßen auch seitens des Bundesgesundheitsministeriums keineswegs auf Ablehnung. BMG-Vertreter Dr. Michael Dalhoff: „Mit den Festzuschüssen beim Zahnersatz ist die zahnmedizinische Versorgung auf dem richtigen Weg.“ Neue Herausforderungen stellten sich im Bereich der parodontalen Erkrankungen. Tendenzen zu einer Mengenausweitung, so bestätigte auch der BMG-Vertreter, seien nicht erkennbar. Die Budgetierungsgrundlagen, soweit stimmte Dalhoff mit den Zahnärzten überein, „haben sich überholt“ – eine Auffassung, die übrigens in der Diskussion auch der Dachverband der Ersatzkassen (VdEK) ausdrücklich teilte und seinerseits Gesprächsbereitschaft zur Abschaffung der Budgets signalisierte. In ähnlichem Sinne gehöre, so zeigte sich Dalhoff überzeugt, auch die unterschiedliche Gesamtvergütung zwischen alten und neuen Bundesländern „abgeschafft“.

Insgesamt erhoffe man sich im BMG für „neue Regelungen“ des zahnärztlichen Vergütungssystems von der Zahnärzteschaft „konstruktiven Input“, erläuterte der BMG-Vertreter seine Einschätzungen zur Haltung des unter neuer Führung arbeitenden Ministeriums. Drastische Entwicklungsschritte konnte sich der Vertreter der gesetzgeberischen Seite allerdings nicht vorstellen: „Aus meiner Sicht geht es nicht um eine Revolution, sondern um eine Weiterentwicklung, die der vertragszahnärztlichen Versorgung Rechnung trägt.“

Welcher Stellenwert der Abschaffung der Budgets als mengensteuernden Instrumenten in der zahnärztlichen Versorgung zukommt, verdeutlichte KZBV-Justitiar Dr. Thomas Muschallik. Die strikte Budgetierung der Gesamtvergütung sei einzigartig. Zudem zeuge eine Reihe von besonderen Vergütungsregelungen wie beispielsweise die Mehrkostenregelungen bei Füllungen oder prozentuale Selbstbeteiligungen in der Kieferorthopädie, vor allem aber das System befundorientierter Festzuschüsse bei Zahnerzsatz von der Bereitschaft des Gesetzgebers, die Spezifika der zahnmedizinischen Behandlung zu berücksichtigen.

PKV bleibt bei hartem Kurs

Ein besonderes Augenmerk der Teilnehmer galt den Ausführungen des Verbandsdirektors der PKV, Dr. Volker Leienbach. Mit seiner Darstellung der Perspektiven für die Privatversicherer – die durch die letzte Gesundheitsreform geschaffenen Erschwernisse für den tragenden Bereich der Vollversicherung kann durch Zusatzversicherungen nicht kompensiert werden – untermauerte der Verbandschef den Kurs der Privatversicherer, auch unter den neuen Vorzeichen weiterhin einen harten Kurs beizubehalten: „Wir wollen eine Preis-, Mengen- und Qualitätssteuerung haben.“

Ohne zusätzliche Instrumente wie die geforderte Öffnungsklausel zwecks freier Gestaltungsmöglichkeiten außerhalb einer staatlichen Gebührenordnung prognostizierte Leienbach schlechte Zeiten für das duale System von GKV und PKV. Ansonsten werden sich die PKVen auf lange Sicht nicht behaupten können. Seine Begründung für die „massive Forderung“ von Steuerungsinstrumenten: „Die PKV lebt vom Unterschied. Kommt es zum Einheitssystem, mutiert die PKV ohnehin zur GKV.“ Hier wird sich die Zahnärzteschaft, so entstand der Eindruck, auf weitere Auseinandersetzungen einstellen müssen.

In seinem Resümee zur zweitägigen Veranstaltung forderte Prof. Pitschas den Gesetzgeber auf, eine Vergütungsreform anzugehen, die durch Erweiterung des bewährten Systems der Festzuschüsse und eine kritische Überarbeitung der Selektivvertragsmöglichkeiten harmonisierend auf wettbewerbliche Strukturen wirkt. Pitschas zeigte sich überzeugt, dass auch unter den neuen politischen Vorzeichen der Systemwandel im Spannungsfeld zwischen Zentralisierung und Regionalisierung des Gesundheits- systems nur schleichend vorankommen wird.

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