Repetitorium

Moderne Impfstoffe

Das Thema Impfungen hat vor allem wohl vor dem Hintergrund der Schweinegrippe in den vergangenen Wochen und Monaten für erheblichen Wirbel gesorgt. Grund genug, sich einmal genauer mit den modernen Impfstoffen, den Möglichkeiten der Impfung und den aktuellen Impfkonzepten zu befassen.

Nicht zuletzt dank der Impfung sind Krankheiten wie die Pocken weltweit ausgerottet und Erkrankungen wie die Polio zumindest in unseren Breitengraden praktisch nicht mehr anzutreffen. Auch davon unabhängig wurden in der Vergangenheit immer wieder enorme Impferfolge gefeiert. So gelang es, „Impfstoffe gegen Krebs“ zu entwickeln wie etwa den Impfstoff gegen die Hepatitis B, die im Falle einer chronischen Infektion mit einem hohen Risiko für die Entstehung von Leberkrebs einhergeht, und gegen die Infektion mit Papillomaviren, die für den Gebärmutterhalskrebs verantwortlich zeichnen. Impfstoffe sind von so großer Bedeutung für die Volksgesundheit, dass die Entwicklung des Impfstoffs gegen Papillomaviren mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde.

Impfstoff-Sicherheit

Andererseits aber werden immer wieder auch kritische Stimmen laut. Das war bei der Impfung gegen Papillomaviren nicht anders als bei der Impfung gegen die Schweinegrippe. Der Grund: Es wird das Auftreten von Impfkomplikationen befürchtet, die Impfung selbst, so wird vermutet, berge im Einzelfall unkalkulierbare Risiken. Auch ist von Impfgegnern zu hören, eine Impfung mache speziell im Falle der sogenannten Kinderkrankheiten wenig Sinn. Vernünftiger sei es, die Kinder eine „natürliche Immunität“ entwickeln zu lassen, was konkret bedeutet, dass sie die entsprechende Infektion durchmachen sollen.

Das aber kann fatal enden, wie das Beispiel der Maserninfektion zeigt. Diese kann gravierende Komplikationen verursachen, von der Bronchitis über die Pneumonie bis hin zur Masernenzephalitis mit der Gefahr dauerhafter Lähmungen, Hirnschädigungen und sogar dem Tod des erkrankten Kindes.

Deshalb wird bei vielen Infektionskrankheiten die Impfstoffentwicklung vorangetrieben. Inzwischen stehen Vakzine gegen 25 verschiedene Erkrankungen zur Verfügung, so heißt es in einer Informationsschrift des Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) in Berlin. Die Impfstoffe wurden und werden durch das Paul-Ehrlich- Institut in Langen geprüft und zugelassen, wenn nicht nur ihre Wirksamkeit, sondern vor allem auch ihre Sicherheit durch die Hersteller umfassend dokumentiert ist. Speziell an die Impfstoffsicherheit sind dabei höchste Anforderungen zu stellen. Denn es geht, anders als bei Arzneimitteln, nicht darum, Symptome zu lindern und Krankheiten zu heilen. Vielmehr soll diesen aktiv vorgebeugt werden, was impliziert, dass die Impfung üblicherweise bei gesunden Menschen erfolgt.

Typen von Impfstoffen

Doch Impfung ist nicht gleich Impfung, es gibt mehrere, grundsätzlich unterschiedliche Impfstrategien. Dies ist zum einen die Aktivimpfung, bei der der Körper mit Teilen des Krankheitskeimes konfrontiert wird, ohne jedoch den ganzen infektionsauslösenden Erreger zu erhalten. Es kommt dadurch zum Aufbau von Antikörpern, über die der Organismus im Falle einer späteren Infektion rasch in der Lage ist, die eindringenden Keime unschädlich zu machen. Bei der Passivimpfung ist dagegen der Krankheitserreger bereits eingedrungen und der Impfling erhält eine Injektion mit Antikörpern, den sogenannten Immunglobulinen.

Lebendimpfstoffe

Die Aktivimpfung kann über verschiedene Impfstoffe erfolgen. Häufig – wie etwa im Falle einer Impfung gegen Masern oder Mumps – werden dabei sogenannte Lebendimpfstoffe verabreicht. Sie enthalten prinzipiell vermehrungsfähige Erreger, die aber selbst keine Krankheit verursachen. Liegt der Grund hierfür darin, dass die Erreger verändert wurden, so dass eine Infektion nicht mehr möglich ist, so spricht man von einem Vakzin mit attenuierten Erregern. Es kann aber auch mit Erregern geimpft werden, die üblicherweise nur Tiere infizieren. Der Impfschutz hält in aller Regel bei dieser Impfung lebenslang an.

Totimpfstoffe

Anders bei den Totimpfstoffen, bei denen abgetötete, nicht mehr vermehrungsfähige Krankheitserreger injiziert werden. Der Immunschutz hält bei dieser Form der Vakzinierung, die zum Beispiel gegen Hepatitis A oder gegen die Tollwut praktiziert wird, nicht so lange an wie bei der Gabe eines Lebendimpfstoffs. Die Impfung muss deshalb nach einigen Jahren aufgefrischt werden.

Spaltimpfstoffe und Konjugat-Impfstoffe

Es gibt ferner die sogenannten Spaltimpfstoffe. Diese enthalten keine ganzen Erreger, sondern nur ausgewählte Moleküle des Keimes, die als Antigene fungieren, ein Prinzip, das bei der Influenza-Impfung realisiert wird. Bei den Konjugat-Impfstoffen ist das jeweilige Antigen an eine Trägersubstanz, das sogenannte Adjuvanz, gekoppelt. Ein solcher Impfstoff wurde und wird bei der Impfung gegen die Schweinegrippe eingesetzt, wobei vor allem die Adjuvantien für einigen Wirbel in der Öffentlichkeit sorgten, da sie mit speziellen Impfrisiken in Zusammenhang gebracht wurden. Die Adjuvantien sind wichtig, weil sie die Immunreaktion verstärken und für einen länger anhaltenden Schutz sorgen als das Antigen allein. Auch Impfstoffe gegen die Meningitis und die Pneumonie zählen, so die VFA-Broschüre, zu den Konjugat-Impfstoffen.

Gentechnische Impfstoffe

Einige moderne Impfstoffe wie etwa das Vakzin gegen die Hepatitis B werden gentechnisch hergestellt. Sie enthalten ebenfalls ausgewählte Moleküle eines Erregers als Antigene. Diese werden jedoch nicht aus dem Erreger selbst gewonnen, sondern in großen Stahltanks mithilfe von Hefe-, Säugetier- oder Insektenzellen produziert, nachdem die entsprechenden Gene des Erregers zuvor in das Genom des „Produzenten“ übertragen wurden.

Aufbau des Impfschutzes

Bei der Impfung werden Antigene des jeweiligen Erregers in den Organismus eingebracht. Diesem wird damit eine Infektion vorgegaukelt und er wird veranlasst, entsprechend Abwehrzellen und Antikörper zu entwickeln, so als läge tatsächlich eine bedrohliche Infektion vor. Ist diese „abgeklungen“, so bleiben Immunzellen, die speziell gegen den Erreger gerichtet sind, als sogenannte Gedächtniszellen zurück und können im Falle einer „erneuten“ Infektion die eindringenden Keime rasch eliminieren. Dieser bei einer Infektionskrankheit ablaufende Mechanismus wird bei der Impfung quasi nachgestellt. Ziel dabei ist die Ausbildung von Gedächtniszellen, die dem Körper praktisch Immunität verleihen.

Die meisten Impfungen setzen dabei auf das Prinzip der Wiederholung, da dann die Schutzwirkung am stärksten ist. Üblicherweise werden zwei Injektionen des Vakzins im Abstand einiger Wochen verabreicht, gefolgt von einer Boosterimpfung nach einem Jahr.

Impfempfehlungen der STIKO

Ob die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine Impfung übernehmen oder nicht, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Schutzimpfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfohlen wird oder nicht. Rät die Impfkommission zu der Maßnahme, so werden deren Kosten üblicherweise von den Krankenkassen getragen. Die Empfehlungen der STIKO ergehen dabei nicht pauschal, sondern differenziert nach bestimmten Bevölkerungsgruppen wie etwa Kinder, ältere Menschen oder Personen mit Grunderkrankungen. Die STIKO-Empfehlungen werden zudem in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Derzeit rät die STIKO zur Impfung von Säuglingen gegen Tetanus, Diphterie, Hämophilus influenza B, Hepatitis B, Pertussis und Pneumokokken. Gegen Meningokokken sowie Masern, Mumps, Röteln und Varizellen sollte ab dem elften Lebensmonat geimpft werden. Generell sollten dabei Kombinationsimpfstoffe zum Einsatz kommen, um den Kindern Mehrfachimpfungen zu ersparen. Eine Impfung gegen humane Papillomaviren hält die STIKO bei allen Mädchen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren für sinnvoll, wobei die Maßnahme vor Aufnahme des ersten Geschlechtsverkehrs abgeschlossen sein sollte.

Für Senioren wie auch für erwachsene Personen mit gesundheitsrelevanten Grunderkrankungen spricht sich die STIKO für regelmäßige Impfungen gegen Pneumokokken und auch gegen die Influenza aus und das einschließlich der neuen Grippe (Schweinegrippe).

Unabhängig von diesen breit empfohlenen Maßnahmen können laut Kommission spezielle Impfungen vor Reisen sinnvoll und notwendig werden, wobei deren Kosten von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Je nach Reiseland kann eine Vakzinierung gegen Cholera, Diphtherie oder auch gegen Gelbfieber ratsam oder sogar vorgeschrieben sein.

Eine besondere Situation liegt bei der FSME (Frühsommermeningitis) vor, bei der die STIKO nur in Risikogebieten eine Impfung für erforderlich hält. In Deutschland ist das in Baden-Württemberg der Fall, in Bayern, in Teilen Hessens, Thüringens und in einzelnen Landkreisen in Rheinland-Pfalz.

Auch bei bestimmten Berufsgruppen hat die Kommission gesonderte Empfehlungen ausgesprochen. So wird allen Personen, die im öffentlichen Gesundheitswesen beschäftigt sind, eine Impfung gegen Hepatitis B nahegelegt und Tierärzte, Jäger und Forstpersonal sollten per Impfung vor der Tollwut geschützt sein.

Schutzwirkung auch für das Umfeld

Impfungen schützen dabei nicht nur den Impfling, sondern in aller Regel auch dessen Umgebung. Besonders wichtig ist ein solcher Schutz zum Beispiel bei Angehörigen von Krebspatienten. Bei diesen kommt es infolge der aggressiven Krebstherapie häufig zu einer Immunschwäche. Dann aber ist eine Impfung mit Lebendimpfstoffen nicht unproblematisch. Besteht kein ausreichender Impfschutz, so sollten zumindest die Angehörigen sich umfassend impfen lassen, um so das Infektionsrisiko für den betreffenden Patienten zu minimieren.

Das Nicht-Weitertragen einer Infektion ist auch in anderen Bereichen neben der persönlichen Schutzwirkung für den Impfling ein wichtiges Impfziel. Dies zeigte sich eindrucksvoll am Beispiel der Schweinegrippe, bei der immer wieder angeführt wurde, dass die Impfung nicht nur dem einzelnen Menschen dient, sondern auch der Allgemeinheit. Plädiert wurde für eine möglichst umfassende Impfkampagne, um so das Virus in seiner weiteren Ausbreitung zu behindern. Es wurde und wird allerdings auch befürchtet, dass es zu Mischinfektionen zwischen dem herkömmlichen Influenzavirus und dem Schweinegrippen-Virus kommen könnte mit der Gefahr der Bildung eines neuen Virusstammes mit veränderten Viruseigenschaften und möglicherweise verstärktem Gefährdungspotenzial. Dieser Gefahr lässt sich durch hohe Durchimpfungsraten – und damit einer geringen Zahl an infizierten Personen – begegnen.

Künftige Schutzimpfungen

Ebenso wie bei der Entwicklung von Arzneimitteln wird auch bei den Impfstoffen weiter intensiv an Neuentwicklungen und an der Optimierung bereits bestehender Präparate gearbeitet. So kommen immer wieder neue Vakzine auf den Markt wie jüngst ein neuer Impfstoff gegen Pneumokokken, der gegen mehr Stämme dieses Erregers von Durchfallerkrankungen wirksam ist als das bisherige Präparat und der damit eine breitere Schutzwirkung besitzt.

Doch nicht nur durch die Einführung neuer Antigene, sondern auch durch neue Adjuvantien lässt sich entsprechend der VFA- Informationen die Wirksamkeit bereits verfügbarer Impfstoffe verstärken.

Davon unabhängig wird an der Entwicklung von Vakzinen gegen weitere Erkrankungen gearbeitet. Jüngst zugelassen wurde beispielsweise ein Impfstoff gegen die Vogelgrippe. Er senkt das Ansteckungsrisiko und mildert den Krankheitsverlauf. Es wurden zudem Prototypen entwickelt, mit deren Hilfe sich innerhalb weniger Monate Impfstoffe gegen neuartige Erreger des Vogelgrippevirus entwickeln lassen, sofern diese auftreten sollten.

In der klinischen Prüfung ist derzeit ein Vakzin gegen den Genitalherpes, mit der Marktreife wird 2011 bis 2012 gerechnet. Im gleichen Zeitraum dürfte, so die Hoffnungen, ein Impfstoff gegen die Malaria verfügbar werden, der speziell bei Kindern flächenweit in Entwicklungsländern zum Einsatz kommen soll. Er schützt nicht 100-prozentig gegen die Erkrankung, kann aber offenbar die Todesrate deutlich senken. In Entwicklung sind ferner Impfstoffe gegen das Dengue-Fieber, gegen die Hepatitis C und E, gegen das Pfeiffersche Drüsenfieber, gegen die Tuberkulose und gegen HIV/AIDS. Ob und wann entsprechende Schutzimpfungen zukünftig möglich sein werden, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Impfbananen und Impfgemüse

„Seit vielen Jahren verfolgen die Pharmaforscher auch das Konzept, den Körper selbst Impfantigene herstellen zu lassen“, heißt es in der Broschüre des VFA weiter. Dazu sollen Gene für ausgewählte Antigene in den Körper injiziert werden, in der Vorstellung, dass diese von Zellen aufgenommen werden und dies mit der Produktion von Antigenen beantwortet wird. Die eingebrachten Gene sollen dabei mit dem natürlichen Abbau der Zellen wieder „entsorgt“ werden, die Impfwirkung aber soll erhalten bleiben. Ob das Konzept Zukunft hat, bleibt abzuwarten.

Dies gilt auch für die sogenannte „Impf- banane“, also die gentechnische Veränderung von Nahrungspflanzen in der Art, dass diese zusätzlich ein Impfantigen herstellen. Mit dem Verzehr der entsprechend veränderten Banane oder Kartoffel würde somit, so die Vorstellung, eine Impfwirkung erzeugt, ein Ansatz, der utopisch anmutet und dessen Realisierung in Form von „Impfobst“ oder „Impfgemüse“ äußerst fraglich erscheint.

Therapeutische Impfung

Ein besonderes Kapitel, das in diesem Zusammenhang nicht ausgespart werden soll, ist die therapeutische Impfung. Sie verfolgt nicht das Ziel, vor einer Krankheit zu schützen, sondern soll der Therapie dienen. Das Konzept: Es wird versucht, das Immunsystem im Kampf gegen eine Erkrankung zu mobilisieren. Denkbar ist dies bei der Behandlung von Tumoren und tatsächlich wird an der Entwicklung der therapeutischen Impfung gegen verschiedene Krebsformen gearbeitet. Beispiele sind das Prostatakarzinom, der Nierenkrebs sowie das nicht kleinzellige Lungenkarzinom, Tumoren, bei denen entsprechende Strategien bereits im Rahmen klinischer Prüfungen erprobt werden. Auch bei der Therapie des malignen Melanoms und des Mammakarzinoms wird ein solcher Ansatz verfolgt, um die Behandlungsmöglichkeiten langfristig weiter zu verbessern. Verlaufen die derzeitigen Prüfungen erfolgreich, so könnten nach Einschätzung des VFA bereits im Jahre 2010 die ersten therapeutischen Krebs-Impfstoffe zugelassen werden.

An der Entwicklung therapeutischer Impfstoffe wird aber auch bei Krankheiten außerhalb der Onkologie gearbeitet. Beispiele sind der Bluthochdruck, die Suchtbehandlung sowie die Alzheimer-Demenz.

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