82. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGKFO

Moderne Therapieverfahren in der Kieferorthopädie

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Heftarchiv Zahnmedizin
Die 82. wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO), die unter der Leitung des Tagungspräsidenten Prof. Dr. Dr. Heiner Wehrbein vom 16. bis 19. September 2009 in Mainz mit ihrem 1000-jährigen Jubiläum des Willigis-Domes stattfand, erfreute sich auch in diesem Jahr wieder großen Interesses und reger Beteiligung mit über 1700 Teilnehmern.

Themenschwerpunkte der diesjährigen DGKFO-Tagung waren auf der einen Seite „Biologie und Technologie in der kieferorthopädischen Therapie“ und auf der anderen Seite die „Kieferorthopädische Behandlung Erwachsener“ sowie freie Themen.

In Anlehnung an diese Schwerpunkte stand auch der Vorkongress mit dem Thema „Aktueller Stand der skelettalen Verankerung“. In diesem Kurs beleuchteten die Referenten Dr. Peter Göllner, Dr. Dirk Wiechmann und Dr. Dr. Axel Berens klar und eindrucksvoll den Einsatz und die verschiedenen Verankerungskonzepte sowohl von Gaumenimplantaten als auch von Minischrauben anhand von vielen Patientenbeispielen. Das Indikationsspektrum reicht heute vom einseitigen Lückenschluss über Distalisationskonzepte (Abbildung 2) bis hin zu Intrusion und Extrusion der Dentition. Die Aktualität dieses Themas spiegelte sich auch in der überragend hohen Teilnehmerzahl wider.

Zur feierlichen Eröffnungsveranstaltung in der Rheingoldhalle hielt Prof. Dr. Jürgen Falter die Festrede. Falter, Politikwissenschaftler, arbeitet an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als renommierter Wahl- und Parteienforscher und ist durch seine regelmäßigen Auftritte in den wichtigsten Polittalks des deutschen Fernsehens bundesweit bekannt. In seiner Festrede „Auf dem Weg zur Staatsmedizin? Unser Gesundheitssystem als Spielball der Politik“ stellte er umfassend und pointiert die einzelnen gesundheitspolitischen Parteiprogramme vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt unmittelbar bevorstehenden Bundestagswahl dar.

Biologie und Technologie der KfO-Behandlung

Im Hauptkongress wiesen sowohl die Vorträge als auch die Posterpräsentationen ein hohes wissenschaftliches Niveau auf, das stets zu einer sich anschließenden interessanten Diskussion führte. Da der Übersicht halber hier nur einige wenige der wissenschaftlichen und qualitativ hochwertigen Studien vorgestellt werden können, werden im Folgenden die von der DGKFO prämierten Arbeiten vorgestellt.

Der erste Tag des Hauptkongresses wurde vom Hauptredner Prof. W. Eugene Roberts, USA, mit einem Vortrag zum Thema „Bio- logie und Technologie in der Kieferorthopädie“ eröffnet. Roberts ist mittlerweile emeritiert und arbeitet gemeinsam mit seinem Sohn in einer Privatpraxis in Indianapolis und konnte somit Interessantes aus seinen sowohl im wissenschaftlichen als auch im praktischen Alltag erworbenen Erfahrungen berichten.

Prof. Franz G. Sander, Ulm, gab einen Überblick über die therapeutischen Effekte verschiedener kontrollierter Apparaturen, wie zum Beispiel der Vorschubdoppelplatte, wobei er auf die Wichtigkeit der Kenntnis von Kräften und Drehmomenten bei der Applikation hinwies. Am Nachmittag widmete sich Prof. Sabine Ruf, Gießen, der Frage, inwieweit kieferorthopädische Maßnahmen in der Lage sind, einerseits einen prophylaktischen Einfluss auf die Funktion des stomatognathen Systems auszuüben, beziehungsweise andererseits kurativ craniomandibuläre Dysfunktionen zu beeinflussen.

Behandlung Erwachsener

Zu dem zweiten hochaktuellen Themenschwerpunkt „Kieferorthopädische Behandlung Erwachsener“ referierten Dr. Peter Göllner, Bern (Schweiz), Prof. Dr. Dr. Peter Diedrich, Aachen, Prof. Dr. Rainer-Reginald Miethke, Berlin, und Dr. Dirk Wiechmann, Bad Essen / Hannover, als Hauptredner. Da immer mehr Erwachsene eine kieferorthopädische Behandlung wünschen und auch einen großen Anspruch an ästhetische Behandlungsmittel haben, wurden einerseits von Dr. Wiechmann die Vor- und Nachteile der kieferorthopädischen Behandlung mit einem individuellen lingualen Bracketsystem (Abbildung 4) und auf der anderen Seite von Prof. Miethke die Möglickkeiten und Grenzen der Aligner-Therapie (Abbildung 5), insbesondere der Invisalign- Behandlung, vorgestellt. Dr. Göllner legte sein Hauptaugenmerk auf die in der Kieferorthopädie genutzten skelettalen Verankerungsmöglichkeiten. Er diskutierte, wie er es so schön nannte, das bisherige „Schattendasein der Gaumenimplantate“ im Verhältnis zu den kommerziell erfolgreicheren Minischrauben. Dabei stellte er eindeutig fest, dass die Verlustrate von Minischrauben erheblich höher ist als die von Gaumenimplantaten. Anhand vieler klinischer Beispiele zeigte er eindrucksvoll, welche multifunktionalen Verankerungsaufgaben durch die Insertion eines einzigen Gaumenimplantats gelöst werden können, während für dieselbe Indikation mehrere Minischrauben erforderlich sind.

Einem anderen Aspekt der „Kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener“ widmete sich Prof. Peter Diedrich, nämlich dem der kieferorthopädischen Behandlung im parodontal geschädigten Gebiss (Abbildungen 3a und 3b). Dabei ist die Überprüfung des Entzündungszustandes und eine auf den Patienten zugeschnittene individuelle Biomechanik und Verankerungsform von entscheidender Wichtigkeit. Durch die Anwendung moderner Verfahren der gesteuerten Geweberegeneration können heute in vormals bestehende intraossäre Knochendefekte Zähne hineinbewegt sowie durch Intrusion neues Attachment gewonnen werden.

Preise und Ehrungen

Im Rahmen dieser feierlichen Eröffnung verlieh die Präsidentin Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke den Arnold-Biber-Preis, sowie die Jahresbestpreise aus Forschung und Praxis für die jeweils beste Publikation im Journal of Orofacial Orthopedics im Jahr 2008. Der von der Firma Dentaurum gestiftete und mit 5 000 Euro dotierte Arnold-Biber-Preis wurde für die Arbeit „Rolle der Parodontalligamentzellen im Rahmen des gestörten Zahndurchbruchs bei Patienten mit cleidocranialer Dysplasie“ vergeben. Die Autoren dieser Arbeit sind PD Dr. Stefan Lossdörfer, Prof. Dr. Andreas Jäger, Bassel Abu Jamra, Dr. Birgit Rath-Deschner, Prof. Dr. Werner Götz aus der Poliklinik für Kieferorthopädie, Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Bonn, Dr. Rami Abou-Jamra Institut für Humangenetik, Universität Bonn, sowie Prof. Dr. Bert Braumann, Poliklinik für Kieferorthopädie, Universität Köln.

Mit dem Jahresbestpreis in der Kategorie „Aus der Hochschule“ wurden Prof. Dr. Rolf Elling Berg, Prof. Lisen Vivienne Espeland und Prof. Arild Stenvik aus Sandefjord/Oslo, Norwegen, für Ihre Nachuntersuchung „A 57-year Follow-up Study of Occlusion. Part 3: Oral Health and Attidudes to Teeth among Individuals with Crossbite at the Age of 8 Years“, ausgezeichnet. Den Jahresbestpreis in der Kategorie „Aus der Praxis“ erhielten Dr. Nina Heinig und Dr. Amely Hartmann, Wendlingen am Neckar, für ihre Arbeit „Efficacy of a Sealant. Study on the Efficacy of a Sealant (Light Bond TM) in Preventing Decalcification during Multibracket Therapy“.

Am letzten Kongresstag wurden die DGKFO-Posterpreise 2009 verliehen. Den ersten Posterpreis erhielten Juliette Grobe et al., Bonn, für ihr Poster mit dem Titel „Die Effektivität der Invisalign-Behandlung – eine biomechanische Analyse“. Der zweite Preis wurde an Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas et al., Mainz, für die Untersuchung „Präoperative Diagnostik der Kieferspaltosteoplastik mittels digitaler Volumentomografie (DVT)“ verliehen. Mit dem dritten Posterpreis ausgezeichnet wurden Herr Bundit Pan- chaphongsaphak et al., Freiburg, für die „Untersuchung der Messgenauigkeit von intelligenten Brackets mittels Finite-Elemente-Analyse“.

Auch ergaben sich zahlreiche Möglichkeiten der Begegnung mit der Dentalindustrie neben dem wissenschaftlichen Programm. Im Zuge des Kongresses fanden mehr als 80 internationale Aussteller der Dentalindustrie den Weg nach Mainz, die auf über 1 500 m2ihre Produkte präsentierten und somit zu einem lebhaften Austausch über neue Materialien, innovative Techniken und zukunftgerichtete Verfahren rund um die kiefer- orthopädische Diagnostik, Planung und Therapie anregten.

Tagung 2010

Die 83. Jahrestagung der DGKFO findet unter der Leitung von Prof. Dr. Angelika Stellzig-Eisenhauer, Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Würzburg, eingebettet in die große Gemeinschaftsveranstaltung der wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreise in der DGZMK unter dem Dach des Deutschen Zahnärztetages, vom 10. bis 13. November 2010 in Frankfurt am Main statt. Die Themenschwerpunkte werden Asymmetrien, Dentitionsstörungen sowie freie Themen sein.

Dr. Christina ErbeProf. Dr. Dr. Heiner WehrbeinPoliklinik für KieferorthopädieUniversitätsmedizin MainzAugustusplatz 255131 Mainzerbe@uni-mainz.de

 

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