Deutscher Zahnärztetag 2009 - KZBV-Vertreterversammlung

Zukunft mit Konzept

Ost-West-Ausgleich und Abschaffung der Budgetierung – das bleiben die zentralen Forderungen der Vertragszahnärzte an die Politik. Nach Aussage des bayerischen Gesundheitsministers Markus Söder, Gast auf der KZBV-Vertreterversammlung Anfang November in München, sind die Budgets schon bald Geschichte. Was für eine Ansage! Doch auf diese Versprechungen will sich der Berufsstand nicht rückhaltlos verlassen – als Back-up soll das Erfolgsmodell der Festzuschüsse auch für die Bereiche Füllungen und PARO umgesetzt werden.

„Wir werden die Budgetierung abschaffen“, sagte Söder am 4. November auf der VV. Dies sei eine klare Aussage, getragen „von allen Partnern“ der neuen Bundesregierung. Letztlich dienten alle Akteure im Gesundheitswesen einem Ziel: dem Wohl des Patienten. Dafür müsse man sich allerdings vom „alten Ballast“ befreien und die Ärzte und Zahnärzte als gleichberechtigte Partner an der Gesetzgebung beteiligen. Söder: „Nach elf Jahren gibt es jetzt wieder eine Regierung, die hinter den Ärzten steht.“

Ganz oben auf der To-do-Liste des Ministers: die Anpassung der GOZ an den Stand der Wissenschaft und die wirtschaftliche Entwicklung. Söder versprach in dem Zusammenhang auch, die Kostenerstattung flexibler zu gestalten. „Regionalität statt Zentralismus“ – so der Grundsatz, nach dem das Gesundheitswesen generell ausgerichtet werden soll. Es gelte insbesondere, die Bürokratie abzubauen sowie die Freiberuflichkeit und die Selbstverwaltung zu stärken.

Die erforderlichen Konzepte hatte die Zahnärzteschaft der neuen Regierungsmannschaft rechtzeitig in die Schublade gelegt. Dass jetzt so viele ihrer Forderungen – zum Teil 1:1 – im Koalitionsvertrag stehen, ist darum sicherlich auch eine Folge der guten Zusammenarbeit von KZBV, BZÄK, DGZMK und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften.

Systemshift mit Augenmaß

„Wir bieten der neuen Regierung unsere Unterstützung und unsere konstruktive Zusammenarbeit an“, bekräftigte der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz. Dabei sei sich der Berufsstand seiner gesellschaftspolitischen Verpflichtung und Mitverantwortung bewusst: „Wir stehen für einen Systemwechsel mit Augenmaß. Der Sozialstaat Deutschland steht nicht zur Diskussion!“ Die Sozialversicherungssysteme seien der Schutzschirm für einen gesellschafts- und sozialpolitischen Ausgleich in diesem Land. Die Zahnärzteschaft könne nun gemeinsam mit der Politik beweisen, dass der überfällige Wechsel weder Sozialabbau noch soziale Härte bedeuteten. Fedderwitz: „Wir Zahnärzte haben gezeigt, dass ein Systemshift ohne Überforderung machbar ist, und somit belegt, dass wir bei solchen Veränderungen unsere Patienten stets im Blick haben.“ Weil die Weichen im Koalitionsvertrag richtig gestellt seien und weil auf dieser Grundlage auch eine echte Chance für eine zukunftsweisende Weiterentwicklung der vertragszahnärztlichen Versorgung bestehe, begrüße die KZBV diese Vereinbarungen. Fedderwitz: „Wir finden uns darin wieder.“ Zugleich mahnte er eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik an, die die demografische Entwicklung, den wissenschaftlichen Fortschritt und die Finanzierbarkeit der medizinischen Leistungen im Blick behält.

Denn noch stehen die Zusagen nur auf dem Papier. Taten müssen folgen. Ganz oben auf der Agenda: die Abschaffung der Budgetierung und die Angleichung der Osthonorare auf Westniveau. „Mit unserem Positionspapier „Perspektive Mundgesundheit“ haben wir einen wichtigen Schritt gemacht“, unterstrich Fedderwitz. „Jetzt geht es darum, unsere Ziele zu konkretisieren und aufzuzeigen, wie der Weg aussieht. Das Zeitfenster ist auch in der kommenden Legislaturperiode knapp bemessen.“ Zwei Modelle liegen quasi fertig auf dem Tisch: das neue Festzuschusskonzept für Füllungen sowie das für die PARO. „Die Novellierung des zahnärztlichen Versorgungssystems ist längst überfällig“, veranschaulichte auch der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer. „Wir wollen die Abschaffung der Budgetierung ohne Wenn und Aber erreichen.“

Gesetzt den Fall, diese Forderungen sind nicht ohne zusätzliche Steuerungselemente umsetzbar und die Zahnärzte werden nicht ohne Weiteres aus der Budgetierung entlassen, will sich die KZBV darauf konzentrieren, die strukturbedingten Budgetverwerfungen auszugleichen und Festzuschusssysteme auf der Basis regional vereinbarter Punktwerte durchzusetzen.

Entsprechend eines vorgelegten Stufenplans wurde der Vorstand mit der weiteren Ausgestaltung eines Festzuschusssystems für Füllungen in der GKV-Versorgung beauftragt. Eßer: „Im Reformkonzept der KZBV haben wir die Grundsteine dafür gelegt. Ein Baustein zur Abschaffung der Budgetierung ist das Festzuschusssystem für Füllungen.“ Auch das PAR-Konzept steht und soll im Zuge dessen weiter konkret fertig gestellt werden.

Akuter Handlungsbedarf

Dringenden Handlungsbedarf gibt es auch in Sachen Selektivverträge. Während die KZVen die Versorgung stemmen, spielen die Krankenkassen mittels Selektivverträge ihre Marktmacht gegenüber dem einzelnen Zahnarzt aus, wie Eßer verdeutlichte. Diesen Bedrohungen müsse die Zahnärzteschaft entschieden entgegentreten. Und wirksame Konzepte konzipieren. Eßer: „Die Systemveränderung ist da und wir können uns ihr nicht länger verschließen!“ Wer im Wesentlichen hinter den derzeit bekannten Selektivverträgen stehe, sei klar: die Dentalgesellschaften. Als Reizwort genüge ein Name: „Indento“. Dieser Pakt ziele darauf ab, Versicherte via Auslandszahnersatz aus China an Selektivverträge zu binden und an bestimmte Zahnärzte zu navigieren. „Die Kassen agieren hier als willige Vollstrecker, indem sie ihre Versicherten in entsprechende Verträge steuern.“

Für Eßer das beste Beispiel für den von der Politik implementierten ungeregelten Wettbewerb. „Der Zahnarzt wird zum Diener zweier Herren“, führte er aus: „Einerseits hat er sich dem Diktat einer Krankenkasse zu beugen. Andererseits unterwirft er sich den Vertragsbedingungen der Managementgesellschaft, die den Vertrag mit ihm abschließt.“ Die Folgen für das Kollektivvertragssystem: „Kannibalismus an der Gesamtvergütung durch Selektivverträge“. Eßer: „Hier stehen ökonomische Interessen im Vordergrund – nicht aber der Wett- bewerb um eine bessere Versorgung der Patienten.“ Gewinner seien in diesem Spiel weder die Patienten noch die Zahnärzte. Wirkliche Vorteile hätten die Versicherer, das beteiligte Labor und die eingebundene Handelsgesellschaft. Ein hilfreicher Selektivvertrag müsse dagegen für alle Beteiligten – Kassen, Zahnärzte und Patienten – attraktiv sein. Ein Beispiel dafür: der kollektivistische Selektivvertrag. Selektivverträge werden aber nicht das alleinige Spielfeld der GKV bleiben: „Wenn die Öffnungsklausel in der GOZ für die PKV kommt, werden die privaten Krankenversicherer Selektivverträge deutlich ausweiten“, bemerkte Eßer. „Selektivverträge auf diesem Gebiet werden für die Zahnärzte eine bestimmende Rolle spielen. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen und auch hier tragfähige Konzepte entwickeln!“

Neues aus Nordrhein

Einen Dreh kriegt offenbar auch das Pannenprojekt „elektronische Gesundheitskarte“. Hintergrund: Der Basis-Rollout in Nordrhein läuft, mehr oder (wie Insider wissen) weniger. „Ärzte rufen zum Teil zum Boykott auf, weil sie befürchten, sich durch den Kauf des Lesegeräts auch zur Online-Anbindung ihrer Praxen zu verpflichten“, veranschaulichte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz. „Dieser Zusammenhang besteht natürlich nicht!“ Der ärztliche Bundesmantelvertrag beinhalte aber durchaus Festlegungen, die auf eine verpflichtende Online-Anbindung aller Arztpraxen abzielten.

Die Zahnärzte haben laut Buchholz daher in ihren Verhandlungen zum Basis-Rollout jeden Ausblick auf eine mögliche spätere Online-Anbindung der Praxen explizit abgelehnt. Buchholz: „Die entsprechende zahnärztliche Regelung ist damit ausschließlich auf den Basis-Rollout beschränkt.“

Einige Kassen würden zwar schon die eGKs in Nordrhein ausgeben – diese Karten stellten aber noch keinen gültigen Versicherungsnachweis dar. Akzeptiert werde die eGK erst ab einem von der KZBV und dem GKV-Spitzenverband festzulegenden Stichtag. Buchholz: „Wir gehen nach ersten Gesprächen davon aus, dass die eGK in Nordrhein – und nur in Nordrhein – ab 2010 neben der KVK als Versicherungsnachweis vorgelegt werden kann.“ Was die Ausstattung der nächsten Staffeln betrifft, zeichne sich ab, dass diese parallel laufen werden. Die KZBV rechnet mit einem Start zum 1. Januar 2010 und einer ab dann laufenden halbjährigen Finanzierungsfrist – also bis zum 30. Juni. Dadurch dass alle Praxen dann parallel ausgestattet werden, gelten folglich auch für alle Staffeln dieselben Pauschalen.

Da die Zustände in der gematik immer chaotischer erschienen und die Wünsche des BMG bereitwilliger umgesetzt wurden als die Positionen der Gesellschafter, hatte Buchholz direkt nach der Bundestagswahl bei einem Treffen der Leistungsträger angeregt, das Projekt komplett zu überdenken. Wie Buchholz berichtete, werden in einem Statement der Regierung nun auch eine Bestandsaufnahme und Überprüfung des strategischen Vorgehens bei der Einführung der eGK angemahnt – maßgeblich aus der Feder der KZBV. „Diese Kernforderung wurde nahezu wörtlich in den Koalitionsvertrag übernommen“, so Buchholz. „Die Ausstattung der Praxen oder die Ausgabe der eGK noch aufhalten zu wollen, erscheint indes kaum machbar.“

Anders beim Online-Rollout. „Hier haben noch nicht einmal die Feldtests begonnen, und die technischen Komponenten befinden sich zum Teil noch in der Entwicklung“, skizzierte er die Lage. Einiges – wie der Datenerhalt beim Verlust der Karte – sei gar nicht zu Ende gedacht. Hier müsse die KZBV nachsetzen und versuchen, den Ausbau der Karte zu verhindern.

Buchholz: „Wenn es auch unrealistisch ist, die eGK in toto zu verhindern – wir sehen derzeit gute Chancen, dem Projekt eine neue Ausrichtung zu geben. Eine, die die Belange der Ärzte und Zahnärzte berücksichtigt.“

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