Die wirtschaftliche Entwicklung der Praxis steuern

Planung statt Zufall

Die wirtschaftliche Entwicklung der Praxis dem Zufall zu überlassen, sollte sich angesichts der allgemeinen Finanzkrise kein Zahnarzt mehr leisten. Der Aufwand für aktive Praxisführung ist beträchtlich, zahlt sich aber langfristig aus – weil er die Zukunft der Praxis auf eine solide Finanzbasis stellt.

Die allgemeine Wirtschaftskrise hat abermals deutlich gemacht, dass eine Zahnarztpraxis heute auch nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt werden muss. Dennoch verschließen sich manche Zahnärzte noch immer dem Grundsatz, sich über die Zusammenarbeit mit dem Steuerberater hinaus dieser Thematik zu widmen.

Die Chance auf Motivation

Die Gründe für diese Ablehnung sind mannigfaltig: Die einen sehen sich aufgrund des eigenen Selbstverständnisses naturgemäß mehr als Mediziner denn als Unternehmer, andere wiederum begründen ihr Unbehagen vor betriebswirtschaftlichen Themen damit, dass ihnen die notwendigen Fachkenntnisse fehlen. Wieder andere sehen die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Praxis in erster Line von externen Faktoren, zum Beispiel gesundheitspolitischen Vorgaben, bestimmt, so dass es aus ihrer Sicht ohnehin unmöglich ist, die wirtschaftliche Entwicklung der Praxis selbst in die Hand zu nehmen. So gefährlich diese Sichtweise für die Zukunft der eigenen Praxis auch ist, so motivierend ist für jeden Zahnarzt letztlich die Erkenntnis, dass er die wirtschaftliche Entwicklung und damit die Zukunft der eigenen Praxis selbst anpacken und erfolgreich gestalten kann.

Die Zeiten, in denen er die finanzielle Praxisentwicklung weitgehend dem Zufall überlassen konnte, sollten passee sein. Eine gezielte betriebswirtschaftliche Steuerung geht weit über die herkömmliche Zusammenarbeit mit dem Steuerberater hinaus und beinhaltet mehrere Komponenten: Die detaillierte Jahresplanung umfasst sowohl die wirtschaftlichen Zielvorgaben (zum Beispiel Umsätze, Kosten) für das Geschäftsjahr als auch ein Konzept, wie diese Ziele erreicht werden sollen.

Ein regelmäßiger Soll-Ist-Abgleich stellt sicher, dass Zielabweichungen frühzeitig erkannt werden und stellt somit die notwendige Basis her für zeitnahe und adäquate Gegenmaßnahmen, so dass die wirtschaftliche Entwicklung der Praxis zu jedem Zeitpunkt gezielt gesteuert und angepasst werden kann.

Vom Gestern zum Morgen

Zweifellos ist eine Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA), wie sie der Zahnarzt jährlich von seinem Steuerberater erhält, für die Beurteilung eines vergangenen Geschäftsjahres sehr nützlich und wichtig. Allerdings ist die BWA eine reine Vergangenheitsbetrachtung und für eine zeitnahe Steuerung der betriebswirtschaftlichen Praxisentwicklung völlig unzureichend. Hierfür ist ein wirtschaftliches Controlling erforderlich, das neben einer genauen Kostenaufstellung, die auf Basis der BWA leicht errechnet werden kann, auch eine klare Jahres-Umsatzplanung vorsieht. Für eine solche Planung sprechen eine Menge guter Argumente. Denn nur eine detaillierte Planung

• hilft, Abweichungen von den wirtschaftlichen Zielen zu ermitteln und Ursachenforschung zu betreiben.

• ermöglicht, bei Planabweichungen gezielt gegenzusteuern.

• kann aufzeigen, ob eingeführte Maßnahmen und Strategien wirklich greifen.

• erlaubt es, dass Szenarien erstellt und simuliert werden, die die Auswirkungen veränderter Rahmenbedingungen (zum Beispiel Nachfrageverhalten von Patienten, gesundheitspolitische Maßnahmen, Änderungen von Materialpreisen und mehr) auf die Praxis realistisch darstellen (hier bietet es sich an, mehrere Szenarien – bestmöglich, realistisch und schlechtestenfalls – zu unterscheiden).

Die Planung der Praxis

Die wirtschaftliche Praxisplanung hat zum Ziel, die Praxisentwicklung für das kommende Geschäftsjahr so präzise wie möglich abzubilden. Sie wird umso genauer, je detaillierter die enthaltenen Informationen sind. Der Jahresplan sollte mindestens eine Aufstellung folgender Positionen enthalten:

1. Die Kosten

• Miete (+NK)

• Personalkosten

• Versicherungen

• Privatentnahmen für die persönliche Lebenshaltung

• Schuldentilgung

• Investitionen, Anschaffungen der Praxis

• (variable Kosten aus dem Praxisbetrieb)

2. Umsätze, gegliedert nach:

• Behandlungsschwerpunkten (wie Kons, Prothetik, PA, Implantologie und mehr)

• Behandlern (nur bei mehreren Behandlern)

• Professionelle Zahnreinigung

• Eigenlabor (falls vorhanden)

Grundsätzlich ist hier auf das Prinzip zu achten: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig!“ Der Aufwand für die Jahresplanung sollte in einem vernünftigen Verhältnis zu den gewonnenen Erkenntnissen und Informationen stehen . Hierbei bietet sich die Verwendung von PC-Software (wie Tabellenkalkulationsprogramme) besonders an.

Strategien zum Ziel

Ausschlaggebend für die Wahl der Mittel, mit deren Hilfe die betriebswirtschaftlichen Ziele erreicht werden sollen, sind zunächst die Ziele selbst, aber auch die vom Praxiskonzept vorgegebene Zielgruppe, die es bestmöglich zu betreuen und dauerhaft an die Praxis zu binden gilt. Je nach Zielen und Zielgruppe existiert eine Reihe betriebswirtschaftlicher „Stellschrauben“. So sollte etwa das Praxismarketing einer Kinderpraxis anders aussehen als das einer Seniorenpraxis. An diesen Stellschrauben muss gedreht werden, damit das gesteckte Ziel zerreicht werden kann (zum Beispiel indem einzelne Behandlungsschwerpunkte wie Implantologie, Prophylaxe et cetera forciert werden).

1. Behandlungsangebot

Das Behandlungsangebot zeigt, mit welchen Leistungen der Praxisinhaber die geplanten Umsätze erzielen will. Zusätzliche Umsatzpotenziale können mit einer Ausweitung des Leistungsspektrums erschlossen werden, sofern die zusätzlichen Leistungen zur Zielgruppe passen: So sollte etwa eine Kinderpraxis prüfen, ob sie – falls noch nicht vorhanden – schmerzarme Behandlungsverfahren (zum Beispiel Laserbehandlungen) oder Hypnosebehandlungen vermehrt anbieten will. Oder eine Implantologiepraxis, ob sie das Spektrum um Parodontalbehandlungen erweitert. Einer solchen Ausweitung des Leistungsspektrums sollte eine sorgfältige und vor allem langfristig orientierte Kosten-Nutzen-Kalkulierung zugrunde liegen.

Ist die Ausweitung des Behandlungsangebots wohlüberlegt geplant, können sich hier wertvolle Alleinstellungsmerkmale für die Praxis ergeben.

2. Terminwahl

Wann ist die Praxis für wen geöffnet? So lautet die Leitfrage beim Terminmanagement. In erster Linie sollten die Öffnungszeiten auf die Hauptzielgruppe der Praxis abgestimmt sein: Für eine Kinderpraxis sind dies in erster Linie die Nachmittagsstunden, für Berufstätige bieten sich Öffnungszeiten in den frühen Morgenstunden, am späten Abend oder auch samstags an. (Bei einem Behandler können die Öffnungszeiten entsprechend variiert werden, zum Beispiel an zwei Tagen von 7.30 bis 14 Uhr und an zwei Tagen von 11 bis 20 Uhr.)

Darüber hinaus empfiehlt sich eine Kategorisierung der Patienten, so dass zum Beispiel Schmerzpatienten in Zeitzonen gelenkt werden, die die Hauptzielgruppe weniger stark frequentiert. Sollen bei einer bestimmten Zielgruppe mehr Umsätze erzielt werden, ist die Ausweitung bestimmter Öffnungszeiten ein hervorragendes Mittel.

3. Personalmanagement

Hat die Praxis die erforderlichen personellen Ressourcen, um die gesteckten Ziele zu erreichen? Diese Frage schließt sowohl den oder die Behandler als auch das Team ein. Abgesehen von der Notwendigkeit der ständigen Fortbildung, wie sie auch die Standespolitik vorgibt, kann sich durch die geplante Ausweitung einer Position im Leistungsspektrum – etwa durch den Ausbau der Prophylaxe – kurzfristiger Fortbildungs- oder zusätzlicher Personalbedarf ergeben. Ein professionelles Personalmanagement sichert bereits mit der Einstellung kompetenter Fachkräfte respektive der Fortbildung des Teams die Voraussetzungen zur Zielerreichung und wirkt Engpässen bei der Ausweitung des Behandlungsangebots entgegen.

4. Investitionen

Ist die Praxis technisch und optisch noch auf dem aktuellen Stand? Wer eine Patientenklientel bedienen will, die Wert auf eine zeitgemäße zahnmedizinische Versorgung legt, sollte zwingend die entsprechenden Investitionen im Auge behalten. Etwaigen Liquiditätsengpässen kann zum Beispiel durch Leasing von Ausrüstungsgegenständen vorgebeugt werden. Investitionen umfassen sowohl die technische Praxisausstattung (Behandlungseinheiten, EDV und mehr) als auch das Praxisambiente (Mobiliar, Dekoration et cetera): Dauerhaft wohl fühlen werden sich Patienten nur in einer Zahnarztpraxis, die für ein modernes, positives Erscheinungsbild sorgt und dieses ständig pflegt.

5. Außendarstellung

Beim Patienten Vertrauen zu schaffen, ist die oberste Maxime einer professionellen Praxispositionierung. Zu dieser gehört neben einem zeitgemäßen Praxislogo ein aussagekräftiges Patienten-Informationssystem mit laiengerecht aufbereiteten Informationsbroschüren. Darüber hinaus tragen Kooperationen von Zahnärzten, zum Beispiel mit Schulen oder Senioreneinrichtungen, dazu bei, sich entsprechende neue Potenziale zu erschließen.

Abweichungen erkennen und reagieren

Die konkrete Wirtschaftsplanung für das jeweilige Geschäftsjahr und die Kenntnis der betriebswirtschaftlichen „Stellschrauben“ sind Voraussetzung für die Steuerung der betriebswirtschaftlichen Praxisentwicklung. In welche Richtung gesteuert werden soll, zeigt der Soll-Ist-Abgleich der Praxis: Durch ihn lassen sich Abweichungen von den Planwerten erkennen und Ursachenforschung betreiben. Ist die Ursache der Abweichung gefunden, kann entweder – als „second best“-Lösung – mittels Zielkorrektur oder mit gezielten Gegenmaßnahmen zur Umsatzausweitung, und/oder Kostensenkung reagiert werden. Allerdings ist diese Möglichkeit in der Zahnarztpraxis eher theoretisch, da die meisten Kosten Fixkosten darstellen.

Ansatzpunkt der betriebswirtschaftlichen Steuerung der Praxisentwicklung ist daher in der Regel die Umsatzplanung. Eine Umsatzverbesserung kann etwa in verbesserten Beratungsleitungen des Teams, Ausweitung von Öffnungszeiten oder der Einstellung neuer Fachkräfte erreicht werden. Um genaue Aussagen darüber treffen zu können, welche Maßnahmen in welcher Situation adäquat sind, ist freilich eine sorgfältige Ursachenanalyse durch einen erfahrenen Controlling-Spezialisten notwendig.

Selbst steuern

Die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes eher dem Zufall zu überlassen, das leistet sich in der freien Wirtschaft heute kein erfolgreicher Unternehmer mehr. Entsprechend gilt es auch für Freiberufler, als Niedergelassener die Palette an Steuerungs-Instrumenten zu nutzen, um die eigene Praxis zu planen, Strategien zu entwickeln, um die Planvorgaben zu erreichen und die gesteckten Ziele regelmäßig zu überwachen.

Der Aufwand für eine aktive Praxisführung ist zwar beträchtlich, zahlt sich aber langfristig aus, weil er die Zukunft der Praxis auf eine solide wirtschaftliche Basis stellt.

Stefan Seidel, Gau-Heppenheimer Str. 24,55234 Eppelsheimstefan.seidel_eppelsheim@gmx.de

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