Depot 2009

Mit klarem Blick

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Wenn in diesen Tagen die Depotabrechnungen ins Haus flattern, leuchten wahrscheinlich die roten Zahlen. Denn das vergangene Jahr bescherte der deutschen Wirtschaft und damit auch den Börsen die schlimmste Finanzkrise seit Jahrzehnten. Auch die Prognosen für 2009 versprechen keine große Besserung. Umso wichtiger ist es, sein Anlageziel fest im Blick zu behalten.

„Die Indizienkette für eine schwere Rezession – vermutlich die schwerste in der bundesdeutschen Geschichte – wird immer belastbarer“, so schätzte Dr. Andreas Scheuerle von der Deka-Bank in Frankfurt Anfang Dezember 2008 die wirtschaftliche Lage in Deutschland ein. Alle Zeichen deuten also darauf hin, dass 2009 ein wirtschaftlich betrachtet sehr schwieriges Jahr wird.

Uneinigkeit herrscht unter den Experten nur über das Ausmaß der Krise. So spricht die Bundesregierung immer noch von einem Miniwachstum von 0,2 Prozent, der Internationale Währungsfonds von einem Minus beim Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank Norbert Walter aber sieht sehr schwarz. Er rechnet mit einem Rückgang von vier Prozent bei einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent.

Auch das Börsenbarometer Dax scheint seinen Tiefpunkt bis Dezember 2008 noch nicht gefunden zu haben. Kaum zu glauben, dass er noch zu Beginn des letzten Jahres einen Punktestand von 8 000 vorweisen konnte. Jetzt dümpelt der Index bei 4 700 Punkten. Pessimisten rechnen noch mit einem Fall auf 3 000 Punkte. Die Börse nimmt die Konjunkturerwartung immer vorweg. Das bedeutet: Die Kurse fallen, obwohl es den Unternehmen teilweise noch gut geht. Umgekehrt steigen die Bewertungen wieder an, obwohl sich in den Gewinnen noch nichts zeigt.

„Jetzt findet die Bodenbildung statt“, resümiert Franz Naab, Leiter Portfolio-Management beim Bankhaus Metzler in Frankfurt. Dieser Vorgang sei ein Prozess, warnt er, und kein Ereignis. Es kann also noch geraume Zeit dauern, bis der Dax tatsächlich wieder festen Boden unter den Füßen haben wird. Das Gewinntief erwartet Naab im Herbst/Winter 2009.

Substanz zählt

Für risikofreudige Anleger bieten sich derzeit günstige Gelegenheiten, schon wieder in Aktien zu investieren. Dabei sollten sogenannte Substanzwerte die erste Wahl sein. Experten raten, vorsichtig einzusteigen und im Frühjahr beziehungsweise Sommer nachzukaufen.

Die entscheidende Kennzahl für die Bewertung von Substanzwerten ist das Verhältnis von Unternehmenswert und Umsatz. Derzeit werden deutsche, europäische und japanische Standardwerte zur Hälfte ihres Umsatzes bewertet. Naab: „Für Substanzaktien braucht man einen langen Atem. Dafür bekommt man sie derzeit zu einem sehr attraktiven Preis.“ Bei der Auswahl der Branchen geht der Blick auf Pharma und Versorger, Finanztitel bleiben noch außen vor.

In Zeiten sinkender Zinsen locken Unternehmensanleihen. Sie bergen weniger Risiken als Aktien, versprechen aber derzeit noch gute Renditen. Weil die Banken sich bei der Kreditvergabe immer noch sehr schwer tun, müssen Unternehmen Geld zu sehr hohen Zinsen am Markt aufnehmen. Mut gehört derzeit allerdings dazu, sein Geld in BMW-Anleihen zu stecken. Der bayerische Autobauer zahlt derzeit neun Prozent, Versorger fünf bis sechs Prozent. Jan Holthusen, Rentenexperte bei der DZ-Bank, hält ein Ausfallrisiko wie bei GM für gering.

Wer auf Nummer sicher gehen will, entscheidet sich für deutsche Bundesanleihen. Sie genießen in Europa die höchste Bonität. Die Folge: Die durchschnittliche Rendite aller börsennotierten Bundeswertpapiere notierte am 4. Dezember 2008 bei 2,81 Prozent, meldete die Deutsche Bundesbank. Dies sei die niedrigste jemals verzeichnete Umlaufrendite. Die Aufzeichnungen reichen bis 1977 zurück. Die niedrigen Renditen bei Staatsanleihen bestätigen die Rezession.

Wie stark der Abschwung wird, wissen zurzeit auch nicht die Experten. Es gibt zwei Möglichkeiten:

• Eine Deflation – dieses Szenario bedeutet für Anleger, dass sie besser in Anleihen als in Aktien investieren. Denn sinkende Preise beinhalten sinkende Gewinne für die Unternehmen, unsichere Arbeitsplätze und ebenfalls sinkende Einkommen.

• Wer aber wie Dr. Andreas Beck, Chef des Instituts für Vermögensaufbau in München, mittelfristig auf eine rasch zunehmende Inflation setzt, legt eher in Sachwerte wie Aktien oder Rohstoffe an.

Doch wohin die Reise gehen wird, ist jetzt noch nicht wirklich zu erkennen. Private Anleger entscheiden sich derzeit besser für Kurzläufer und investieren erst in ein oder zwei Jahren, wenn die Zinsen wieder steigen, in längere Laufzeiten. Höhere Renditen als Bundesanleihen bieten zurzeit deutsche deutsche Hypothekenpfandbriefe. Sie gelten als sicher, weil sie mit Grundpfandrechten auf Grundstücke gedeckt sind.

Weniger sicher erscheint derzeit eine andere Immobilienanlage. Die Rede ist von Immobilienfonds. Sie sorgten in den vergangenen Monaten für eher unrühmliche Schlagzeilen. Denn elf Fonds froren ihr Vermögen ein, so dass seitdem kein Anleger mehr seine Anteile verkaufen kann. Den Anlass dazu lieferten Investoren, die unter der derzeitigen Kreditklemme leiden und Liquidität benötigten. Sie verkauften ihre Anteile an den Immobilienfonds, weil sie anders als bei Aktien hierbei keine Verluste realisieren mussten. Die privaten Anleger aber, die sich bewusst für einen Fonds wie SEB Immoinvest oder KanAm Invest entschieden haben, weil sie ihr Geld langfristig sicher und rentabel anlegen wollten, leiden nun darunter, dass die Profis weiterhin diese Fonds als vorübergehenden Parkplatz für größere Summen betrachten.

Die Schließungen dauern mindestens bis Ende Januar. Dann entscheidet sich, ob es eine Verlängerung geben wird. Wie lange die Anleger ihre Anteile nicht zurückgeben können, steht also noch nicht fest. Wer dringend Bargeld braucht, kann den Weg über die Börse nehmen. Allerdings muss er dann mit Abschlägen um die fünf Prozent rechnen.

Probleme gab es bei Redaktionsschluss auch mit den Auszahlplänen. Einige Tausend Anleger lassen sich ihr Kapital bei den Fondsgesellschaften in monatlichen Raten als Zusatzrente auszahlen. Damit das monatliche Einkommen gesichert ist, haben einige Fonds die Pläne weiter bedient. Die BaFin hat nun Anfang Dezember wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Auszahlung gestoppt. Gesellschaften wie SEB Immoinvest, Degi Europa, Degi International und KanAm Grundinvest aber haben anschließend die Auszahlung wieder aufgenommen. Die Fonds haben Sorge, dass die Anleger andernfalls nach der Wiedereröffnung große Summen abziehen werden, weil sie sich verunsichert fühlen.

Eigentlich hätten diese Probleme nicht mehr auftauchen dürfen. Denn bereits vor drei Jahren kam es wegen mangelnder Liquidität zu überraschenden Schließungen. Der BVI drängte die Gesellschaften, für diese Fälle neue Regeln einzuführen und die Abflüsse zu begrenzen. Sonja Knorr, Immobilienexpertin bei der Ratingagentur Scope in Berlin, erklärt: „Viele Investoren nutzen die Immobilienfonds zum Geld parken. Das ist dem Produkt zum Verhängnis geworden.“ Sinkende Immobilienpreise und Mieten werden 2009 für zusätzliche Probleme sorgen. Dazu Knorr: „Eigentlich haben sich die Fonds für 2009 auf der Käuferseite gesehen, weil sie im Geld schwammen. Schwierig wird es, wenn die Gesellschaften in einem fallenden Markt verkaufen müssen. Man muss dann sehen, ob es keine andere Möglichkeit gibt, sich Liquidität zu verschaffen.“ Etwas schärfer äußerte sich der Branchenkenner Stefan Loipfinger gegenüber dem Magazin Focus: „Zum ersten Mal werden die Fonds Immobilien verkaufen müssen, um flüssig zu werden. Dann wird jeder sehen, dass die angesetzten Preise zu hoch sind.“

Mit sinkenden Mieten für auslaufende Verträge rechnet auch der Immobilien-Konzern Jones Lang LaSalle. Zum anderen dürften die Finanzierungen dank der Kreditklemme teuer wenn nicht sogar unmöglich werden. Fallen die Kreditzinsen nicht, werden vor allem die Gesellschaften betroffen sein, die auf eine kurzfristige Kreditverlängerung angewiesen sind. Geplante Vorhaben können daher aufgegeben oder verschoben werden. Besonders in den Finanzzentren wird es zu einer nachlassenden Nachfrage und sinkenden Mieten kommen. Das lässt kaum auf steigende Erträge in 2009 hoffen. Diese Ansicht teilt auch Sonja Knorr von Scope: „Die Branchenrendite wird auf jeden Fall zurückgehen, geschuldet den Märkten und der Situation. Ich denke aber nicht, dass es branchenweit zu Negativrenditen kommen wird.“ Anleger, die sich trotz der wenig rosigen Aussichten in Immobilienfonds engagieren möchten, beachten die Fundamentaldaten: Immobilienportfolio, Mietvertragslaufzeiten, Währungsrisiken und Liquidität. Kritiker Stefan Loipfinger sieht die Branche derzeit in einer Systemkrise: „In ein bis zwei Jahren sehen die Produkte völlig anders aus.“

Stärker noch als die Immobilien hat die Krise den Rohstoffmarkt erwischt. Dort hat sich der Branchenindex CRB seit Juli 2008 schlichtweg halbiert. Die Blase ist geplatzt. Dafür gibt es mehrere Erklärungen: Die Übertreibung war sehr stark. Spekulantengelder haben den Markt überhitzt. Inzwischen sind die Investoren ausgestiegen und die Preise in den Keller gerauscht. Verstärkt hat diese Reaktion die nachlassende Nachfrage aus der Wirtschaft, vor allem aus China. Darunter litten besonders Industriemetalle wie Kupfer, Aluminium, Platin und Nickel. Die Gründe: Infrastrukturmaßnahmen wurden zurückgestellt und die schwächelnde Autobranche benötigt weniger Metalle. Doch Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank in Frankfurt, glaubt nicht, dass die Preise noch stark weiter fallen werden: „Sie befinden sich jetzt schon teilweise unter den Grenzkosten.“ Für die Produzenten eine schwierige Situation, den sie können nicht heute eine Mine schließen und sie morgen wieder eröffnen. Deshalb drosseln sie die Produktion und versuchen, so die Flaute zu überstehen.

Drastischer noch fiel der Preis für Rohöl. Mitte Dezember lag er für die Sorte WTI bei 46 Dollar je Barrel, im Sommer 2008 rangierte er noch bei 147 Dollar. Als Konsequenz aus dem Preisverfall werden die Opec-Länder die Mengen verringern, um den Preis zu stabilisieren. Zwar kostet sie die Produktion nur ein paar Dollar je Barrel. Doch sie benötigen einen Mindestpreis von zirka 60 Dollar, um ihre Zahlungsbilanz im positiven Bereich zu halten, weil sie auf Importe angewiesen sind. Für eine mittelfristige Steigerung des Ölpreises spricht, dass die Vorräte auf den großen Ölfeldern zur Neige gehen und Länder wie Venezuela, Iran und Russland den Ölpreis für politische Zwecke nutzen. Aber Zuverlässigkeit, wie sie Norwegen und Kanada garantieren, hat ihren Preis. Dort kostet die Produktion eines Barrels schon 50 Dollar. Die Internationale Energie Agentur (IEA) prognostiziert langfristig sogar einen Preis von 200 Dollar.

Weiter steigende Preise erwartet Eugen Weinberg auch bei Gold. Seiner Meinung nach wird sich der Goldpreis allmählich von den anderen Rohstoffpreisen abkoppeln. Dieses Edelmetall weist besonders in unsicheren Zeiten die Eigenschaften einer Zweitwährung auf. Viele Anleger halten einen kleinen Goldbestand im Depot, um sich gegen Inflationsrisiken abzusichern. Doch selbst bei fallenden Inflationsraten hält der Experte ein Anziehen des Goldpreises für wahrscheinlich. Nach einem Tief bei 680 Dollar profitiert das edle Metall besonders von einem schwächeren Dollar. Bis Ende 2009 könnten wieder 1 000 Dollar erreicht werden. Generell sollten Anleger sich in Geduld üben und erst einmal die nächsten zwei bis drei Monate abwarten. Erst wenn die Lage auf den Finanzmärkten sich wieder klärt, wird es Zeit für den Einstieg. Bis dahin empfiehlt es sich, sein Geld in sicheren Häfen wie Tages- oder Festgeld beziehungsweise Staatsanleihen zu parken. Jede Krise hat ein Ende – auch diese.

Bis dahin können geschickte Anleger ihre Chancen nutzen. Wer bereits ein ausgewogenes Paket von Qualitätsaktien besitzt und auf dieses Geld nicht angewiesen ist, wartet einfach, bis sich die Kurse wieder erholen. Ein Hin und Her von Kaufen und Verkaufen beschert nur der depotführenden Bank Zusatzeinnahmen. Selbst Experten schaffen es kaum, den jeweils optimalen Zeitpunkt für den Ein- beziehungsweise Ausstieg zu finden. Wichtig ist, dass das Portfolio gut diversifiziert ist und sein Besitzer nicht alles auf eine Karte setzt.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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