Die Arzneimittelkommission Zahnärzte (AKZ) BZÄK/KZBV informiert

Tranexamsäure bei Patienten mit Antikoagulantientherapie

Patienten unter Dauertherapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten stellen für den praktisch tätigen Zahnarzt oftmals eine Herausforderung dar, weil das Blutungsrisiko nach zahnärztlichen Eingriffen bei diesen Patienten deutlich erhöht ist. Hier einige Empfehlungen der AKZ für das Procedere in der Praxis.

Klassische Indikationen für eine Therapie mit Cumarinderivaten stellen das Vorhofflimmern, der Herzklappenersatz sowie die sekundäre Prophylaxe von venösen Thrombosen und Lungenembolien dar. Zur oralen Antikoagulation (OAK) wird in Deutschland hauptsächlich Phenprocoumon (Falithrom ®, Marcumar®) eingesetzt. Die Wirkung dieser Präparate beruht auf der Hemmung der Vitamin K-abhängigen Synthese der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X in der Leber. Die Therapie wird laborchemisch mittels der INR (international normalized ratio) kontrolliert, wobei je nach Indikation ein therapeutischer Bereich von 2 bis 4 angestrebt wird. Zunächst sollte je nach geplantem Eingriff entschieden werden, ob eine hohe (wie nach Serienextraktion, Alveolarplastik, Vestibulumplastik) oder eher niedrige Blutungsgefahr (Extraktionen von ein bis drei Zähnen, unkomplizierte Osteotomien) besteht. Der Eingriff sollte unter OAK durchgeführt werden, wenn nur eine geringe Blutungsgefahr für den Patienten besteht und die am Operationstag bestimmte INR im therapeutischen Bereich liegt. Bei Eingriffen mit erhöhter Blutungsgefahr werden – je nach individuellem Risiko, ein thromboembolisches Ereignis zu erleiden, – unterschiedliche Maßnahmen empfohlen [1-3].

Therapie-Empfehlungen

Neuere Übersichtsarbeiten geben folgende Empfehlungen [2,3]:

• Beiniedrigem Thromboembolierisikosollte die OAK nach Rücksprache mit dem verordnenden Kardiologen vorübergehend pausiert werden.

• Bei mittelgradigem Risikoempfiehlt es sich, nach Absetzen der OAK in Absprache mit dem Hausarzt eine intermittierende subcutane Gabe eines niedermolekularen Heparins in Erwägung zu ziehen.

• Beihohem Risikofür den Patienten, ein thromboembolisches Ereignis zu erleiden, wird nach Absetzen der OAK die intermittierende Gabe eines niedermolekularen Heparins (Bridgingtherapie) empfohlen.

Die Risikobewertung sollte dabei nicht pauschal, sondern individuell unter Berücksichtigung der Risikofaktoren des einzelnen Patienten erfolgen.

Das Risiko, ein schweres thromboembolisches Ereignis zu erleiden, wird allgemein für Patienten, die während eines zahnärztlichen Eingriffs ihre OAK pausieren, deutlich höher eingeschätzt, verglichen mit dem Risiko, unter Beibehaltung der OAK eine schwere Blutungskomplikation zu entwickeln [1]. Die Indikation, eine OAK aufgrund zahnärztlicher Eingriffe zu unterbrechen, sollte daher bei einer INR im therapeutischen Bereich zurückhaltend gestellt werden. Diese Empfehlung wird in der Literatur durch mehrere prospektiv randomisierte Studien untermauert [4-7]. Im Rahmen des perioperativen Managements antikoagulierter Patienten stehen verschiedene Maßnahmen zur lokalen Blutstillung zur Verfügung (Tabelle 1).

Die aktuelle Studienlage ermöglicht keine spezielle Empfehlung zugunsten einer dieser Maßnahmen [8].

Zur Frage der Antibiose

Aufgrund von Wechselwirkungen von Antibiotika mit Cumarinen sollte bei diesen Patienten nach Möglichkeit auf eine längere antibiotische Abschirmung über fünf bis zehn Tage verzichtet werden.

Durch Interaktion von Antibiotika mit dem Vitamin-K-Metabolismus kann es zu einem weiteren Anstieg der INR mit Erhöhung der Blutungsgefahr kommen. Eine einmalige Antibiotikagabe ist hingegen als unproblematisch einzustufen [8].

Praktische Anwendung von Tranexamsäure

In verschiedenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird die Anwendung von Tranexamsäure als Mundspüllösung empfohlen, um Nachblutungen nach zahnmedizinisch-chirurgischen Eingriffen bei Patienten unter gerinnungshemmender Medikation zu vermeiden. Das praktische Problem für den niedergelassenen Zahnarzt im Zusammenhang mit der Anwendung von Tranexamsäure ergibt sich aus der Tatsache, dass kein Fertigarzneimittel als Mundspüllösung verfügbar ist. Das früher dazu empfohlene Präparat Ugurol® ist heute nicht mehr auf dem Markt.

Folgendes Vorgehen beziehungsweise Procedere kann gemäß einer Publikation von Carter et al. [9] angewendet werden:

• Herstellung einer Mundspüllösung aus fünfprozentiger Tranexamsäure (Cyklokapron; Pharmacia, New York, NY) durch einen Apotheker als Sonderanfertigung.

• Spülung unmittelbar nach Extraktion mit 10 ml dieser Lösung.

• Einweichen eines absorbierbaren oxidierten Cellulose-Mesh (Surgical; Johnson & Johnson, New Brunswick, NJ) in dieser Lösung und Platzierung im apikalen Drittel der Zahnhöhle. Danach Anlage einer resorbierbaren Naht (4.0 Vicryl; Ethicon, Cornelia, GA).

• Vor der Entlassung erhielten die Patienten 27 „Behälter“ mit jeweils 10 ml Tranexamsäure-Lösung und bekamen die Anweisung, damit den Mund jeweils für zwei Minuten und viermal am Tag zu spülen, bis der Vorrat verbraucht war.

• Zahnextraktionen können ohne Veränderung des lokalen Antikoagulationsregimes durchgeführt werden. Lokale Blutungen können mit Mundspülungen mit Tranexamsäure kontrolliert werden, die effektiv und kosteneffizient sind. Cyklokapron® i.v.-Ampullen enthalten 500 mg in 5 ml (zehnprozentige Lösung), das heißt, es wird zirka auf das Doppelte verdünnt. Eine topische Anwendung ist laut Fachinformation dieses Präparates möglich.

In der Zahnarztpraxis ist die frische Herstellung zur unmittelbaren Anwendung möglich (Verdünnung der Cyklokapronlösung 5 ml = 1 Ampulle mit Aqua ad Injectabilia auf 10 ml gebrauchsfertige Lösung). Wenn dem Patient gemäß den Empfehlungen von Carter ein Vorrat an Spüllösung mitgegeben werden soll, dann ist zusätzlich eine Konservierung der Tranexamsäurelösung erforderlich: Dazu kommen prinzipiell im Neutralbereich PHB-Ester (Ester der para-Hydroxybenzoesäure) in Frage. Besondere Instabilitäten, die das hierfür erforderliche Erhitzen ausschließen, sind nicht bekannt. Soll das Erhitzen dennoch umgangen werden, so kann auch eine 1:1-Mischung aus dem Fertigarzneimittel mit konserviertem Wasser vorgenommen werden. Bezogen auf die Gesamtrezeptur ergibt sich dann eine niedrigere Konservierungsmittelkonzentration, die aber noch ausreichend sein müsste.

Pharmazeutisch können auch Natriumsalze der PHB-Ester verwendet werden, die dann aber in Kombination mit Zitronensäure zugesetzt werden (siehe Neues Rezeptur Formularium: Tabellen für die Rezeptur). Bei Verwendung von Kaliumsorbat muss ebenfalls angesäuert werden (pH < 5.5), wahrscheinlich auch bei Verwendung von Sorbinsäure, da diese Konservierungsmittel nur bei pH-Werten im sauren Bereich wirksam sind. Hier müsste der pH-Wert durch Tüpfeln auf Indikatorpapier mit Säure eingestellt werden.

Priv.-Doz. Dr. med. Christoph SchindlerProf. Dr. med. Dr. med. dent. Wilhelm KirchInstitut für Klinische PharmakologieMedizinische Fakultät der TU DresdenFiedlerstr. 2701307 Dresden

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■ Mehrfach-Nähte

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■ Einlage von Knochenwachs

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■ Einlage resorbierbarer Matrices (Kollagen, Oxycellulose, Gelantine)

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■ Fibrin- oder Cyanoacrylatkleber

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■ Mundspülung mit fünfprozentiger Tranexamsäure (4 x tgl. für 2 Min., bis zu fünf Tage postoperativ

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Tabelle 1

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