Mögliche rechtliche Schritte

Wenn die Rechnung offen bleibt

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Jeder Zahnarzt hatte schon einmal das Problem: Patienten bezahlen ihre Rechnung nicht. Dies ist besonders ärgerlich, wenn der Zahnarzt Laborkosten bereits an das gewerbliche Labor gezahlt hat. Oft führen Mahnverfahren zum Erfolg. Wenn nicht, liebäugelt so mancher Kollege damit, den Staatsanwalt einzuschalten. Zu einer Bestrafung des Patienten kommt es nur unter bestimmten Voraussetzungen, die höchst selten vorliegen. Außerdem birgt eine Anzeige für den Zahnarzt eine gewisse Gefahr.

Wenn ein Patient die ihm gestellte Rechnung nicht bezahlt, sollte man ihn zunächst freundlich mahnen. Es ist Geschmacksache, wie oft man mahnt, juristisch reicht eine Mahnung, die eine angemessene Frist von mindestens zwei Wochen setzt.

Läuft diese Frist ergebnislos ab, befindet sich der Patient in Verzug. Sofern in der Rechnung bereits auf Paragraf 286 Abs. 3 BGB hingewiesen wurde, kommt er ohne Mahnung 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung in Verzug. Ab Beginn des Verzuges ist die Rechnungssumme zu verzinsen, und der Patient muss die weiter entstehenden Kosten für Rechtsanwalt und Gericht tragen.

Titel zu erreichen

Es empfiehlt sich, nach erfolgloser Mahnung beim zuständigen Amtsgericht einen Mahnbescheid zu beantragen und wenn der Patient weiter nicht zahlt, einen Vollstreckungsbescheid. Wenn der Patient Widerspruch gegen den Mahnbescheid oder Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid erhebt, kommt es zum ordentlichen Gerichtsverfahren.

Am Ende des gerichtlichen Verfahrens sollte ein sogenannter Titel stehen, also die gerichtliche Feststellung, dass der Patient eine bestimmte Summe nebst Zinsen an den Zahnarzt zu zahlen hat. Ein solcher Titel ist entweder ein Vollstreckungsbescheid oder ein Urteil. Mit diesem Titel kann dann die Zwangsvollstreckung betrieben werden, zum Beispiel durch Beauftragung eines Gerichtsvollziehers.

Dieses Mahnverfahren besteht aus vielen Schritten (vgl. Kasten) und kostet auch viel Zeit. Oft genug endet dieses mit der Feststellung, dass der Patient gar nicht zahlen kann. Dann erhält der Zahnarzt sein Geld nicht und muss darüber hinaus die mittlerweile angefallenen, oft nicht geringen Verfahrenskosten tragen.

Kein Wunder, dass Zahnärzte in solchen Fällen verärgert überlegen, ob sie gegen den Patienten anderweitig vorgehen können. Ein Zahnarzt aus Süddeutschland soll die Sache im wahrsten Sinne des Wortes selbst in die Hand genommen haben: Er soll einer säumigen Patientin an deren Wohnungstür den Zahnersatz aus dem Mund gerissen haben, für den sie noch den Eigenanteil schuldete. Dieser Zahnarzt wird sich wohl wegen Raubes und Körperverletzung zu verantworten haben – diese Methode ist mit Sicherheit die falsche.

Falsche Hoffnung

Wie ist es aber mit einer Strafanzeige gegen den Patienten? Dabei ist an eine Strafbarkeit des Patienten wegen Betruges zu denken. Laut ständiger Rechtsprechung liegt nämlich ein Eingehungsbetrug vor, wenn der Patient bereits bei Vertragsschluss wusste, dass er die Rechnung nicht bezahlen kann oder will. Wer einen Vertrag schließe, erkläre damit auch, dass er seine Verpflichtungen aus dem Vertrag, hier die Zahlungspflicht, erfüllen werde. Wolle oder könne er dies in Wirklichkeit nicht, täusche er damit seinen Vertragspartner, eine Strafbarkeit wegen Betruges sei gegeben.

Tatsächlich kommt es nur sehr selten zu einer Verurteilung wegen Eingehungsbetruges. In den meisten Fällen ist dem Patienten nämlich nicht zu beweisen, dass er schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wusste, dass er nicht zahlen kann oder will. Selbst wenn zu dem Zeitpunkt eine äußerst prekäre Finanzlage vorgelegen haben sollte, verweisen solche Patienten regelmäßig darauf, dass sie eine größere Zahlung des Arbeitgebers oder von Verwandten erwartet hätten, die dann leider doch nicht einging…

Eine Verurteilung wegen Eingehungsbetruges kommt nur dann in Betracht, wenn der Patient kurz vor dem Vertragsschluss mit dem Zahnarzt eine sogenannte Eidesstattliche Versicherung, den früheren Offenbarungseid, abgegeben hat. Dann hat er schließlich an Eides statt versichert, wie groß, oder treffender, wie bescheiden sein Vermögen ist. In einem solchen Falle kann weder die Vermögenslage noch die Kenntnis des Patienten in Zweifel stehen. Vorsichtshalber sei angemerkt, dass die Abgabe einer solchen Eidesstattlichen Versicherung nach Vertragsschluss nicht ausreicht, in solchen Fällen durfte der Patient zur Zeit des Vertragsschlusses ja noch hoffen.

Bewusst geprellt

Es kommt also entscheidend darauf an, ob eine solche Eidesstattliche Versicherung vor Vertragsschluss beweisbar ist. Zum Glück ist das in vielen Fällen nicht schwer. Man erhält diese Information nämlich vom Gerichtsvollzieher. Dieser teilt bei einem entsprechenden Auftrag gegebenenfalls mit, er werde gegen den Patienten nicht weiter vorgehen, da dieser ja bereits an einem bestimmten Datum eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Sofern dieses Datum vor dem Vertragsschluss liegt, ist der Weg für eine Strafanzeige frei. Leider ist es so, dass die Staatsanwaltschaften in solchen Fällen bisweilen nicht sehr energisch vorgehen. Man sollte in solchen Fällen mit Dienstaufsichtsbeschwerden et cetera nicht zögern.

Allerdings bleibt noch zu klären, ob die Einschaltung der Staatsanwaltschaft für den Zahnarzt überhaupt sinnvoll ist.

Dafür spricht einmal der Gedanke der Generalprävention: Wenn beim Publikum der Eindruck entsteht, von Zahnärzten drohe keine Gefahr, wenn man nicht zahle, wirkt sich das mitunter auf die Zahlungsmoral aus. Zum anderen ist es schon oft passiert, dass Patienten, denen ein Strafverfahren droht, plötzlich doch noch eine Geldquelle finden.

Gefahr statt Hilfe

Gegen die Einschaltung der Staatsanwaltschaft spricht, dass der Zahnarzt von einer eventuell verhängten Geldstrafe nichts hat, da diese dem Staat und nicht dem Zahnarzt zufließt. Seit Kurzem droht darüber hinaus bei Einschaltung der Staatsanwaltschaft Gefahr für den Zahnarzt.

In Süddeutschland wurde nämlich jetzt gegen einen Zahnarzt, der zwei Patienten wegen Nichtzahlung anzeigte, ein Strafbefehl in beträchtlicher Höhe wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht erlassen. Angeblich hätte der Zahnarzt der Staatsanwaltschaft Namen und nähere Umstände der betroffenen Behandlung nicht offenbaren dürfen. Es ist zu hoffen, dass sich diese Auffassung im Laufe des Gerichtsverfahrens nicht durchsetzen wird. Sie würde nämlich bedeuten, dass Ärzte jede Art von strafbarem Verhalten ihrer Patienten hinnehmen müssen. Gegebenenfalls sollte hierzu das Bundesverfassungsgericht oder auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angerufen werden. Allerdings müssen Zahnärzte, die Opfer zahlungsunwilliger oder -unfähiger Patienten werden, bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung mit der beschriebenen Gefahr rechnen.

Dr. med. dent. Wieland SchinnenburgRechtsanwalt, Fachanwalt für MedizinrechtLerchenfeld 322081 HamburgZaraschinnenburg@aol.com

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