Mögliche Folgen der Krise

Deflation, Inflation, Währungsreform

Die Preise und Zinsen sinken, die Aufträge für die Industrie leider ebenfalls. Was die Verbraucher freut, veranlasst manchen Experten, das Horrorszenario einer Deflation zu beschwören. Für das Ende der Krise prognostizieren sie eine hohe Inflation. Damit verunsichern sie die Anleger, denn Patentrezepte für eine sinnvolle Anlage unter diesen Bedingungen gibt es nicht.

Was ist richtig, und was ist falsch? So mancher Anleger, der sich vor allem über Zeitungen informiert, weiß nicht mehr, wie er sein Geld sicher anlegen soll. Ängstliche Menschen, die sich von der Panikmache und unseriösen Bücherschreibern beeinflussen lassen, spielen bereits mit dem Gedanken, Konten in der Schweiz und anderswo zu räumen, ihr Depot aufzulösen und das ganze Vermögen in Gold zu investieren. Halt! Nicht das ganze Geld, ein Teil davon benötigen sie für die Anschaffung von Lebensmittelvorräten. Damit wollen sie gewappnet sein, wenn die von den Krisengurus prognostizierte Katastrophe der totalen Geldentwertung mit anschließender Währungsreform eintrifft.

Doch ist diese Prognose so utopisch? Schließlich warnen etliche renommierte Wirtschaftsexperten vor einer Deflation mit anschließender Inflation. Andere wiederum glauben, dass sich alles wieder von allein einrenkt und die Menschen nur die Talsohle durchschreiten müssen, um wieder bessere Zeiten zu erleben. Wann wird diese Talsohle erreicht sein? Eine schlüssige Antwort darauf gibt zurzeit niemand.

Tatsache ist, dass die Bundesregierung ihre Prognosen nach unten revidieren musste. Statt eines Rückgangs des Wirtschaftswachstums um 2,25 Prozent rechnet auch sie mit 6

Prozent. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosenquote und die Preise sinken. Kämpfte die EZB in 2008 noch mit einer Inflationsrate von 2,6 Prozent – so hoch wie seit 1994 nicht mehr, sorgt jetzt eine fallende Teuerungsrate für Misstrauen. Die Verbraucher freut es natürlich, wenn sie für ein halbes Pfund Butter nur noch 59 Cent zahlen und Benzin mit 1,20 Euro rund 23 Cent weniger kostet als noch vor einem Jahr. Doch viele machen sich Gedanken darüber, was passiert, wenn die Talfahrt anhält. Denn dort lauert die Deflation mit negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Hielten sich die Verbraucher mit Anschaffungen zurück, weil sie auf weiter fallende Preise hoffen, hätte dieses Verhalten desaströse Folgen. Die Nachfrage würde sinken, die Unternehmen müssten Zugeständnisse bei den Preisen machen. Die Gewinne sänken ebenfalls, aber gleichzeitig müssten die Unternehmen die vereinbarten Tariflöhne weiterzahlen. Sie würden noch mehr Angestellte entlassen und so weiter: Ein Teufelskreis entstünde, gegen den im Ernstfall die Zentralbanken und Regierungen nichts mehr ausrichten könnten.

Gegen eine Inflation steuern die Zentralbanken mit steigenden Zinsen an. Sie verteuern das Geld. Doch derzeit besteht in den USA kein und in Europa bei einem Leitzinssatz von 1,25 Prozent nur wenig Spielraum nach unten. Wie sich eine Deflation anfühlt, wenn der Staat keine Maßnahmen mehr ergreifen kann, wissen die Japaner aus ihren leidvollen Erfahrungen, die sie während der 90er-Jahre machen mussten.

Deflation statt Inflation

Wie groß ist die Gefahr, dass es wirklich zu einer ausgeprägten Deflation kommen wird? Einer der fünf Wirtschaftsweisen, Peter Bofinger, hält das Risiko einer Deflation in Deutschland für fünfmal höher als das einer Inflation. Auch der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, rechnet mit einem steigenden Deflationsdruck. Differenziert betrachtet Dr. Martin Hüfner, ehemaliger Chefvolkswirt der früheren Hypo-Vereinsbank, die Situation. Er sagt: „Wenn Güter und Dienste billiger werden, erhöht sich die Kaufkraft der Verbraucher. Sie können mit dem gleichen Einkommen mehr kaufen.“ Man nennt das eine „gute Deflation“. Kritisch wird es seiner Meinung nach erst, wenn die Konsumenten anfangen, sich mit Käufen zurückzuhalten, weil sie noch niedrigere Preise erwarten. Dann gewinnt die Deflation eine Eigendynamik. „Das ist dann die schlechte Deflation.“ Bisher sei aber von einer „schlechten Deflation“ nichts zu sehen. Wie Hüfner sieht auch Norbert Braems, Chefvolkswirt des Bankhauses Sal. Oppenheim, derzeit keinen Grund zur Aufregung: „Die Teuerungsrate müsste über einen viel längeren Zeitraum fallen, damit es zur Deflation kommt.“ Den derzeitigen Rückgang erklärt er zum einen mit der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der daraus nachlassenden Nachfrage nach Rohstoffen. Außerdem werde die Inflationsrate derzeit noch immer von dem stark gefallenen Ölpreis beeinflusst. Schließlich erreichte der im Sommer letzten Jahres seinen bisherigen Höchststand von 146 Dollar je Barrel. Der Absturz erfolgte im Herbst 2008. Derzeit liegt er bei etwa 50 Dollar. Schon aus diesem Grund wird sich der Rückgang der Teuerungsrate ab August/September automatisch verlangsamen und einer Deflation entgegenwirken.

Die massive weltweite Verschuldung der Staaten und die damit einhergehende Geldvermehrung helfen zwar dabei, das Gespenst der Deflation zu vertreiben, aber stärken die Angst vor einer Inflation. In der Vergangenheit haben sich diese Maßnahmen als preistreibend erwiesen. Doch wie Hüfner ausführt: „Preise steigen immer nur, wenn die Nachfrage größer als das Angebot ist. Inflation gibt es daher erst, wenn die Rezession vorbei ist und die Konjunktur wieder anspringt.“ Doch selbst eine beginnende Erholung der Wirtschaft löst noch keine Inflation aus. „Die Unternehmen müssen zunächst die brachliegenden Kapazitäten nutzen, bevor sie die Preise erhöhen“, führt Hüfner aus. Deshalb rechnet er frühestens 2010 mit einer steigenden Inflationsrate. Sein Kollege aus Köln, Norbert Braems, erwartet frühestens 2013/2014 eine Inflation. Selbst wenn es ab Mitte des Jahres wieder zu steigenden Preisen kommt, bedeutet dies noch keine Gefahr. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) definiert Stabilität mit einem Anstieg der Preise von bis zu zwei Prozent.

Problematisch wird die Situation, wenn es den Zentralbanken nicht gelingt, die ausgegebenen Geldmengen zum richtigen Zeitpunkt wieder abzuziehen und die Zinsen zu erhöhen. Zieht die private Nachfrage an, muss die öffentliche Nachfrage sofort eingedämmt werden. Geschieht das nicht, kann es zu einer Hyperinflation kommen, wie die Deutschen es 1923 erlebt haben. So mancher Finanz- und Wirtschaftsminister hält eine steigende Inflation für ein gutes Zeichen, da sie die Staaten automatisch entschuldet. Doch dürften Steinbrück und Co. um die Gefahren wissen. Darauf setzt jedenfalls Chefvolkswirt Norbert Braems: „Die Akteure, die in Europa und den USA das Sagen haben, sind alle gegen Inflation eingestellt. Es sollte mich sehr wundern, wenn sie die Inflation schüren, um den Staat zu entschulden.“ Die pessimistische Haltung, die viele seiner Kollegen zeigen, kann er nicht teilen: „Wir stehen doch nicht im Stau auf der Autobahn und rechnen damit, dass in 150 Kilometern Entfernung eine Radarfalle steht.“ Reagieren Staaten und Zentralbanken zu spät, rechnet er mit einer Inflation von drei bis fünf Prozent. Er kann sich auch vorstellen, dass das überschüssige Geld für eine neue Blase sorgen wird, zum Beispiel dass die Investoren Afrika entdecken und pushen. Sein Rezept gegen eine Inflation: Steuern erhöhen und sparen.

Den Pessimisten unter den Wirtschaftsgurus aber reicht die Aussicht auf eine sich aufbauende Inflation noch nicht. Sie sehen bereits die Gefahr einer Währungsreform heraufziehen und schüren so die Urängste der Deutschen.

In Erinnerung ist ihnen noch die Umstellung von der Mark auf den Euro. Sie verursachte keine wirklichen Einbußen, außer, dass mancher Wirt bei der Gestaltung seiner Speisekarte die Preisangaben beließ und nur das DM-Zeichen gegen das Euro-Zeichen austauschte. Schmerzlicher erlebten die Bürger in den neuen Bundesländern die Einführung der D-Mark. Guthaben auf den Bankkonten wurden nicht 1 : 1, sondern mit einem Umrechnungskurs von 1 : 2 umgerechnet. Der Grund dafür lag in der Planwirtschaft. Es hatte sich ein massiver Geldüberhang gebildet. Denn die Menschen wollten ihr Geld ausgeben, doch es gab keine Ware. Eine Studie des schweizerischen Bankhauses Sarasin, die sich mit diesem Thema befasst, kommt zu dem Schluss, dass diese Maßnahme zwingend notwendig gewesen ist, um das mit den riesigen Geldreserven verbundene Inflationsrisiko zu dämpfen.

Währungsreform 1948

Große Bargeldreserven bei der deutschen Bevölkerung, die sich dafür aber nichts kaufen konnte, waren wohl auch der eigentliche Grund für die Währungsreform von 1948. Die Reichsmark verlor ihre Funktion als Währung. Amerikanische Zigaretten übernahmen diese Aufgaben – ein unhaltbarer Zustand. Es musste eine Rückkehr zur Geldwirtschaft geben, mithilfe einer Währungsreform. Als es 1923 zur ersten großen Währungsreform kam, kostete ein Dollar 4,2 Billionen Mark. Grund für die Hyperinflation waren die enormen Staatsschulden Deutschlands, die sich aufgrund des Ersten Weltkriegs aufgetürmt hatten. Dazu kamen Reparationszahlungen. Die Bevölkerung konnte sich für Geld nichts mehr kaufen, weil es einfach nichts gab. Stattdessen musste sie vom privaten Vermögen einen Stützungsfonds finanzieren.

Eine Währungsreform wird notwendig, wenn die Funktionen des Geldes als Tauschmittel und Rechnungseinheit zum Erliegen kommen. Und dafür gibt es nach Einschätzung der Sarasin-Analysten keinerlei Hinweise. Im Gegenteil: Die derzeitigen Deflationstendenzen führen eher zu einer Aufwertung des Geldes.

In Geld würde auch Chefvolkswirt Norbert Braems investieren, wenn die Zeichen auf Deflation stünden. Zeigen sich Inflationstendenzen, sind Sachwerte gefragt. Wann der Umschwung kommt, kann niemand genau sagen. Das bedeutet für die Anleger, dass sie die wirtschaftliche Entwicklung derzeit im Auge behalten müssen, um rechtzeitig reagieren zu können. Grundsätzlich gilt auch in unsicheren Zeiten wie jetzt die eiserne Anlageregel: nicht alles auf eine Karte setzen. Die Faustformel lautet: Ein Drittel bleibt als Bargeld auf dem Tagesgeldkonto, ein Drittel in Aktien und Anleihen und ein Drittel in Sachwerten, wie Gold und Immobilien.

Deflationsgläubige setzen nicht auf Aktien. Denn die Unternehmen würden unter einer sinkenden Geldentwertung leiden. Anleihen wären eine Alternative. Gut verzinste Papiere gewinnen relativ an Wert, weil die Kaufkraft steigt. Doch wer sich zum Beispiel auf lange laufende Staatsanleihen konzentriert, wird bei einer Inflation das Nachsehen haben. Die 2,3 Prozent Rendite fallen der Geldentwertung zum Opfer. Bleiben noch Unternehmensanleihen. Sie bringen zurzeit Renditen von bis zu sechs Prozent. Wer sich dafür entscheidet, muss unbedingt auf allerbeste Bonität achten – immer in dem Bewusstsein, dass er als Kreditgeber fungiert. Denn geht die Firma pleite, verliert der Anleger sein eingesetztes Kapital. Zur Sicherheit verteilen sie das Geld auf mehrere Anleihen. Eine Möglichkeit, sowohl bei einer Deflation als auch bei einer Inflation Chancen zu wahren, bieten Wandelanleihen. Sie bringen weniger Zinsen als Unternehmensanleihen. Der Witz dabei ist: Der Käufer kann sich am Ende der Laufzeit aussuchen, ob er die Anleihe normal zurückgezahlt haben möchte oder ob er stattdessen die Aktie wählt. Ist deren Kurs während der Laufzeit gestiegen, kann er das Papier sofort verkaufen und den zusätzlichen Gewinn einstreichen. Auf diese Weise richtet auch die Inflation keinen Schaden an. Und die Anleihe schützt vor Börsengewitter. Allerdings eignet sich die Investition in Wandelanleihen eher für fortgeschrittene Anleger. Denn sie setzt genauere Kenntnisse über das komplizierte Papier voraus. Niemand sollte sich für ein Produkt entscheiden, das er nicht genau verstanden hat. Das gilt auch für die inflationsgeschützten Anleihen. Sie schützen vor der Geldentwertung, weil der Kupon parallel zur Teuerungsrate steigt. Bei der 2016 fälligen Bundesanleihe tritt dieser Fall ein, wenn die Inflationsrate um mehr als 1,5 Prozent anzieht. Allerdings sind die Voraussetzungen für diese Anlage noch nicht gegeben.

Investition in Gold

Ein kleinerer Teil des Vermögens kann in Gold investiert werden. Die meisten Vermögensverwalter raten zu einem Anteil von etwa zehn Prozent. Gold ist teuer, doch sollte es zu einer starken Inflation kommen, dürfte der Kurs noch weiter steigen. Wer das gelbe Metall gern sicher in seinem Safe verwahrt wissen will, entscheidet sich für kostengünstige Barren. Je kleiner sie ausfallen, desto höher schlägt das Aufgeld zu Buche. Eine Alternative dazu ist der Kauf von Gold ETC (Exchange Traded Commodities). Sie orientieren sich am Goldpreis und sind meistens mit physischem Gold hinterlegt, das sich der Kunde gegen eine Gebühr liefern lassen kann. Zu den Sachwerten zählen Investoren auch Aktien. Deshalb kann ein Teil des Geldes auch in Anteilsscheine wandern. Wie viel das sein sollte, hängt von der Risikobereitschaft des Anlegers ab. Er muss aber mit weiteren Verlusten rechnen, wenn die Konjunktur weiterhin schlecht bleibt. Deshalb dürfen es nur Papiere von grundsoliden und derzeit unterbewerteten Unternehmen sein.

Ruhig schlafen können derzeit die glücklichen Besitzer eines Eigenheims in guter bis sehr guter Lage. Der Wert solcher Immobilien wird eher steigen als fallen. Die Inflation wirkt sich nicht negativ aus und vor allem können seine Bewohner die gehobene Lebensqualität in den Zeiten der Krise genießen.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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