Ambient Assisted Living

Selbstständig durchs Alter

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Im Jahr 2035 wird Deutschland eine der ältesten Bevölkerungen der Welt haben. Mehr als jeder zweite Mensch wird dann 50 Jahre und älter sein, jeder dritte jenseits der 60. Neue Technologien aus dem Bereich Ambient Assisted Living sollen den Alten der Zukunft helfen, den Alltag auch im letzten Lebensabschnitt selbstständig zu meistern.

„Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben“ – so übersetzt die Initiative Ambient Assisted Living (AAL) Deutschland ihren Arbeitsbereich. Eine prägnantere Bezeichnung wäre „computergestütztes Altern“. Gefördert wird das Projekte zur „ambient intelligence“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Bundesministerin Annette Schavan: „Ausgehend von unseren zentralen Lebensräumen – der Wohnung oder dem Haus – brauchen wir technische Systeme, die ältere Menschen im Alltag unterstützen. Das können medizinische Geräte sein, die selber bedient werden oder moderne Kommunikationssysteme, die den Austausch mit dem Umfeld erleichtern.“

Solche Innovationen machen Sinn, weil sie ein Altern in Würde ermöglichen – sie sind aber auch wirtschaftlich notwendig, weil es durch den soziodemografischen Wandel in Richtung überalterte Gesellschaft in Zukunft mehr Einzelhaushalte und Pflegebedürftige geben wird. Einsatzbereiche für AAL sind neben Haushalt und Versorgung, Sicherheit und Privatsphäre, Kommunikation und sozialem Umfeld deshalb vor allem Gesundheit und Pflege.

Sensoren und Roboter

Bei AAL-Anwendungen im Gesundheitsbereich geht es darum, eine intelligente Umgebung zu schaffen, die den Bewohnern mehr Sicherheit in den eigenen vier Wänden bringt. Vor allem multimorbide Menschen würden davon profitieren. Das kann zum Beispiel durch Sensoren wie Bewegungsmelder, Druckfühler in der Matratze oder Armbänder, die Puls, Hautfeuchte und Körpertemperatur messen, geschehen. Denkbar sind außerdem Sensoren, die Kühlschrank und Herd überwachen, und Aufschluss über das Essverhalten geben. Weicht die Person von ihrem Normalverhalten ab – etwa, indem sie später als gewohnt aufsteht – wird bei den Betreuern ein Alarm bei Verwandten, Nachbarn oder einem Pflegedienst ausgelöst. Ihre Aufgabe: nachforschen und im Notfall Hilfe holen. Neben dem Telemonitoring sind laut Schavan auch Roboter denkbar, die die Senioren zu Hause bei täglichen Arbeiten wie Blumen gießen und Wäsche aufhängen unterstützen oder ihnen Wege ersparen, indem sie ihnen Gegenstände bringen – solche Szenarien kennt man bisher nur aus Science Fiction-Filmen.

Engagement, um die Filmvision in die Realität umzusetzen, lohnt sich, folgt man den Schätzungen der Unternehmensberater von „Frost & Sullivan“. Sie erwarten für den europäischen Markt für Telemedizinprodukte bis zum Jahr 2011 ein Wachstum von durchschnittlich 42 Prozent pro Jahr. Auch Sparpotenzial steckt ihrer Meinung nach im Bereich AAL. Für den weltweit größten Markt für häusliche Pflege und Gesundheit, die USA, haben sie ausgerechnet, dass die Betreuung eines Alzheimerpatienten zu Hause nur 20 000 Dollar pro Jahr kostet – im Heim fielen dafür 64 000 Dollar an.

Die Möglichkeiten von AAL sind verlockend. Theoretisch kann jeder elektronische Gegenstand mithilfe drahtloser Kommunikationstechnik vernetzt werden und sich selbstständig und situationsgerecht auf den Benutzer einstellen. Interesse an Innovationen dieser Art ist bei den Älteren vorhanden. Eine Studie der Technischen Universität Kaiserslautern aus dem Jahr 2007 hat ergeben, dass die Nutzungsbereitschaft für das computergestützte Leben hoch ist: Automatische Alarmsignale würden zwei Drittel der Befragten einsetzen, über die Hälfte wäre bereit, Sturzarmbänder oder intelligente Kleidung, die in gesundheitlichen Notfällen Hilfe ruft, zu tragen. Doch es gibt auch Gefahrenpunkte, die bei der Nutzung von AAL-Anwendungen zu bedenken sind. So erhebt und speichert die intelligente Umgebung ständig Daten über den Alltag der Nutzer. Für diese sensiblen Informationen muss ein angemessener Datenschutz gewährleistet werden.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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