Leihhäuser

Schnell und einfach: Geld gegen Ware

Einen Kredit von der Bank zu bekommen, erweist sich häufig als schwierig und zeitraubend – besonders wenn es schnell gehen muss. Doch es gibt eine Alternative: Geld gegen Ware. Denn beim Pfandleiher ist die Geldleihe eine Sache von Minuten. Immer mehr Menschen nehmen die Dienste der Leihhäuser in Anspruch.

Annie Leibovitz – eine der berühmtesten Fotografinnen der Welt – tut es, der amerikanische Künstler Julian Schnabel hat es getan, ebenso rund eine Million Deutsche im vergangenen Jahr, und viele werden es 2009 tun. Die Klientel setzt sich aus allen Schichten zusammen – Arme und Reiche, Selbstständige und Angestellte, Ärzte und Handwerker. Was ihnen gemeinsam ist? Sie brauchen Geld. Den Weg zur Bank haben sie mitunter vergebens beschritten. Und in Krisenzeiten wie jetzt tun sich die Geldverleiher schwer. Sie sind empfindlich geworden und verlangen häufig mehr Sicherheiten als früher.

Annie Leibovitz, die Stars, wie Demi Moore oder Whoopi Goldberg, und sogar die Queen ablichtete, wandte sich in ihrer Geldnot an einen speziellen Pfandleiher in New York. Die Art Capital Group ACG ist kein gewöhnliches Pfandhaus. Man beleiht dort Kunstwerke allererster Güte wie Picassos, Rauschenbergs, Warhols oder Rubens-Gemälde. Die Fotografin war in arge Geldnöte geraten und verpfändete ihr gesamtes Werk und dazu noch die Rechte an künftigen Arbeiten. Erlös: 15,5 Millionen Dollar.

Finanzkrise bringt Zulauf

Nur wenige Menschen verfügen über große Kunst, die sie als Pfand zur Verfügung stellen können, wenn sie Geld brauchen. Die meisten Leihhaus-Kunden plündern ihre Schmuckschatullen oder nehmen die Goldmünzen aus dem Safe, um sie zu Bargeld zu machen – meistens nur vorübergehend. Die Pfandleiher erfreuen sich dank der Finanzkrise über stetig steigenden Zulauf. Allein im vergangenen Jahr fanden rund eine Million Deutsche den Weg in eines der vielen Pfandhäuser. Für ihre Wertgegenstände erhielten sie Kredite in der Höhe von 510 Millionen Euro. Die durchschnittliche Summe je Kunde lag bei 250 Euro. Und in diesem Jahr rechnet Wolfgang Schedl, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Pfandkreditgewerbes, ebenfalls mit sehr guten Ergebnissen.

Lange Zeit haftete dem Pfandkreditgeschäft ein eher schmuddeliges Image an. Dabei gilt die Kreditgewährung gegen ein Faustpfand als die älteste Form des Kreditgeschäfts. Überliefert ist, dass bereits im achten Jahrhundert vor Christus die Babylonier Geld gegen Pfand ausgeliehen haben. Die Römer und die Griechen betrieben dieses Geschäft schon als Gewerbe. Die Deutschen liehen sich im Mittelalter Geld gegen Ware. Der Dreißigjährige Krieg allerdings setzte dem blühenden Berufszweig vorübergehend ein Ende. Danach waren es Franziskanermönche, die dem im Mittelalter weit verbreiteten Wucher entgegenwirken wollten, in dem sie Leihhäuser eröffneten.

In Deutschland entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert neben den öffentlichen Pfandkreditbetrieben ein privates Kreditgewerbe. Parallel dazu wurde ein Reglement erlassen, auf dem auch die heute gültige Pfandleiheverordnung basiert, an die sich alle Leihhäuser halten müssen.

Zurzeit gibt es mehr als 200 Leihhäuser in Deutschland. Vier befinden sich noch in kommunalen Besitz. Eines der größten und wahrscheinlich das schönste steht in Mannheim. Auf jeden Fall ist das Leihamt Mannheim die älteste Pfandkreditanstalt Deutschlands. Sie wurde 1809 gegründet, um dem unseriösen Treiben der privaten Pfandleiher ein Ende zu bereiten. Bis heute betrachtet das kommunal geführte Amt es als seine Aufgabe, seine soziale Verantwortung wahrzunehmen. Die erwirtschafteten Überschüsse kommen der Stadt und sozialen Einrichtungen zugute.

Bei den übrigen fast immer privat geführten Leihhäusern steht weniger der soziale Aspekt im Vordergrund. Es handelt sich um ein normales Gewerbe, bei dem sowohl der Kunde als auch der Unternehmer auf ihre Kosten kommen wollen. Das Geschäft mit dem schnellen Kredit funktioniert denkbar einfach: Der Kunde muss volljährig sein und einen gültigen Pass oder Personalausweis vorweisen können. Als beleihbare Gegenstände akzeptieren die meisten Leihhäuser die Klassiker wie Goldschmuck und -münzen, Uhren, Edelsteine, Tafelsilber und hochwertiges technisches Gerät. Viele verweigern aber die Annahme von Computern und Digitalkameras, weil die Technik zu schnell als überholt gilt. Ebenso sind Kunstgegenstände nicht gern gesehen. Meistens fehlt es an ausgebildeten Experten, die Bilder oder Skulpturen richtig einschätzen können. Das Leihamt Mannheim verweigert auch die Annahme von Pelzmänteln, Briefmarken, Teppichen, Möbeln und Militaria.

Schnelles Geld

Die privaten Leihhäuser beschränken sich ebenfalls auf Dinge, die sie mit großer Wahrscheinlichkeit wieder verkaufen können und die ihren Wert über einen gewissen Zeitraum behalten. Die Experten, die die eingelieferten Pfänder schätzen müssen, kommen häufig aus der Juwelierbranche. Nicht selten haben sie ihre Ausbildung im Schmuck- und Edelstein-Zentrum Idar-Oberstein gemacht. Neben den herkömmlichen Leihhäusern haben sich andere Anbieter auf Autos und Maschinen spezialisiert. Dort stehen, vor neugierigen Blicken geschützt, Karossen wie ein Bentley neben einem kleinen Smart oder dem Lkw einer Spedition. Ihre Besitzer brauchen manchmal vorübergehend Geld, um Löhne zu zahlen oder Rechnungen zu begleichen. Denn gerade in Krisenzeiten klagen Unternehmer und Handwerker häufig über offen stehende Rechnungen, die ihre Kunden nicht oder verspätet bezahlen. Damit sie sich nicht selbst überschulden, holen sie sich einen kurzfristigen Kredit beim Pfandleiher. Anderen wiederum verweigert die Bank einen zusätzlichen Kredit. Das Auto, das Wohnmobil oder die Segeljacht bringen dann unkompliziert schnelles Geld. Das Prozedere ist bei allen gleich. Der Kunde hinterlegt eine wertbeständige Sicherheit. Der Pfandleiher schätzt den Gegenstand und nennt einen Betrag, der sich am Zeitwert orientiert – häufig bis zu 80 Prozent. Handelt es sich um fast neue Ware, verlangen die Mannheimer einen Nachweis (zum Beispiel die Rechnung), der den Kunden als Eigentümer bestätigt. Der Gegenstand darf nicht schon beliehen sein. Hat alles seine Ordnung, nennt der Experte den Kreditbetrag. Erklärt sich der Kunde damit einverstanden, bekommt er sofort den Pfandschein und das Geld ausgehändigt. In der Regel läuft ein solcher Kredit über drei oder vier Monate. Reicht die Zeit nicht aus, um das Pfand wieder auszulösen, gewähren die Leihhäuser normalerweise eine Verlängerung. Vorausgesetzt, der Kunde zahlt die bis dahin angefallenen Zinsen und Gebühren.

Wie hoch die ausfallen, steht in der Pfandbriefverordnung (Pfand lV): Der Zins beläuft sich immer auf ein Prozent pro Monat, also zwölf Prozent pro Jahr. Hinzu kommen die Kosten für die Aufbewahrung und die Versicherung. Deren Höhe richtet sich nach der Höhe der Kreditsumme. Sie liegt zwischen einem Euro für ein Darlehen von 15 Euro und 6,50 Euro für ein Darlehen über 300 Euro. Für Kredite, die darüber hinausgehen, kann der Pfandleiher die monatliche Vergütung frei aushandeln. In der Pfand lV von 1961 ist jeder Schritt der Pfandleihe streng reglementiert. Sie hängt in jedem Pfandhaus aus.

Raus aus der Schmuddelecke

Wolfgang Schedl, Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Pfandkreditgewerbes, weist auf die strengen gesetzlichen Vorgaben hin und betont die Seriosität des Pfandgeschäfts, das bis vor ein paar Jahren einen etwas anrüchigen Ruf hatte: „Wir sind heraus aus der Schmuddelecke. Der Verband hat enorme Aufklärungsarbeit geleistet. Jetzt stehen die Leihhäuser in einem anderen Licht da.“ Für die Kunden bringt die Pfandleihe seiner Meinung nach eigentlich nur Vorteile im Vergleich mit einem herkömmlichen Bankkredit: Ein Pfandkredit lässt sich viel leichter abwickeln als das Darlehen von der Bank. Es findet keine Bonitätsprüfung statt und der Kunde muss seine Vermögensverhältnisse nicht offenlegen. Er bekommt das Geld auf die Hand und entscheidet selbst, ob er sein Pfand wieder einlöst oder nicht.

Den Einwand, die Kosten seien sehr hoch, lässt er nicht gelten: „Bei kurzen Laufzeiten kann ein Pfandkredit günstiger sein als das Darlehen von der Bank.“ Und wenn der Kunde sein Pfand nicht mehr einlösen kann oder will – das Leihhaus kann seine Ansprüche nur aus dem Wert des Pfands befriedigen. Doch die Anzahl der Kunden, die ihre Schätze nicht mehr abholen, ist denkbar gering. Rund 92 Prozent der Wertgegenstände werden innerhalb der vereinbarten Fristen wieder eingelöst. Der Rest wandert etwa vier Monate nach der Verpfändung in die Auktion.

Schnäppchenjägern bieten sich dort attraktive Gelegenheiten, auf ihre Kosten zu kommen. Wenn sie Glück haben, finden sie die fehlenden Teile zu ihrer Modelleisenbahn. „Diese Teile sind in Auktionen heiß begehrt“, schmunzelt Verbandsgeschäftsführer Schedl. Seine Frau betreibt in Stuttgart selbst ein Leihhaus mit langer Tradition. „Dort nahm man früher alles in Zahlung, was der Haushalt hergab: Möbel, Küchenmaschinen, Bett- und Tischwäsche, Porzellan, Kristallgläser, Silberbesteck und vieles mehr.“ Er klärt auch über einen weiteren Irrglauben auf: „Es ist ein Märchen, dass der Pfandleiher die Ware unbedingt versteigern will, weil er daran angeblich so gut verdient. Er möchte im Gegenteil, dass der Kunde seine Ware schnell wieder abholt. Der Aufwand ist viel geringer.“ Dazu trägt der Pfandleiher das Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben, wenn der Erlös für deren Deckung nicht reicht. Geht hingegen etwa eine Modell-Lok zu einem Top-Preis weg, darf er seine Auslagen und die Darlehenssumme behalten. Der Gewinn aber wartet zwei Jahre lang auf den Kunden. Holt der ihn innerhalb dieser Frist nicht ab, geht das Geld an den Fiskus.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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