Gastkommentar

Ein Schirm für die Ministerin

Die Krankenkassen werden immer abhängiger von den Steuersubventionen des Bundes.
Dr. Dorothea Siems
Politikkorrespondentin der Welt, Berlin

Ulla Schmidt versteht es, die Wirtschaftskrise für sich zu nutzen. Als die Regierung Hilfspakete für Banken und Konjunktur geschnürt hat, nutzte die Ministerin die Gunst der Stunde, etliche Milliarden Euro für die GKV abzuhandeln. So wird zur Jahresmitte nicht nur der Bundeszuschuss überplanmäßig erhöht. Auch einen „Rettungsschirm für die Krankenkassen“ verspricht die SPD-Ministerin.

Die Große Koalition lässt es sich viel kosten, damit der Bürger nicht merkt, dass der Gesundheitsfonds zwar nichts besser, aber vieles teurer macht. So ist der Beitragssatz zum Jahreswechsel auf das Rekordniveau von 15,5 Prozent geklettert. Schon im Vorfeld hatten Experten gewarnt, dass das Geld angesichts der Kostendynamik dennoch nicht reichen werde. Schließlich hatten die Koalitionäre die Beitragshöhe politisch und nicht auf der Basis seriöser Berechnungen festgelegt. Den Beitragssatz noch stärker als die beschlossenen 0,6 Prozentpunkte anzuheben, schien der Regierung zu unpopulär. Somit stand schon beim Start des Gesundh eitsfonds fest, dass der Bund im Herbst mit Steuermitteln das Finanzloch würde schließen müssen.

Das Gesundheitsministerium schätzt den zusätzlichen Geldbedarf der Kassen auf 1,3 Milliarden Euro. Laut Gesetz müssten die Kassen den zinslosen Kredit im Folgejahr eigentlich zurückzahlen. Dies aber würde bedeuten, dass die Beitragszahler 2010 entsprechend stärker zur Kasse gebeten werden. Zusatzbeiträge, die allein von den Arbeitnehmern zu schultern sind, wären dann wohl nicht mehr zu vermeiden. Ulla Schmidt räumt den Kassen nun ein Jahr länger Zeit ein, den Kredit zurückzuzahlen. Dieser „Rettungsschirm für die Kassen“ soll indes weniger die Kassen und deren Beitragszahler, als vielmehr die Ministerin schützen – vor einer Debatte über ihre Gesundheitsreform.

Auch die im Rahmen des Konjunkturpakets beschlossene Erhöhung des Bundeszuschusses von ursprünglich vier auf sieben Milliarden Euro dient dazu, die Beitragszahler milde zu stimmen. Schließlich steht im Herbst die nächste Bundestagswahl an. Ab Juli sinkt der Beitragssatz in Folge der Finanzspritze des Bundes nun wieder auf 14,9 Prozent – exakt das Niveau vor Einführung des Gesundheitsfonds. Der Makel, den „höchsten Beitragssatz aller Zeiten“ zu verantworten, ist damit – so die Hoffnung – vergessen.

Das Herumoperieren am Beitragssatz bestätigt die Kritiker der Gesundheitsreform. Anders als früher setzt heute die Politik den Beitragssatz fest, und zwar einheitlich für alle Kassen. Die Höhe der Beiträge dürfte damit künftig auch von der Haushaltslage des Bundes abhängen. Das gilt um so mehr, je abhängiger das Kassensystem von Steuergeldern wird.

Die Krankenkassen haben bereits die schmerzliche Erfahrung machen müssen, dass die Großzügigkeit eines Finanzministers nicht von Dauer ist. So war 2004 mit der damaligen Gesundheitsreform beschlossen worden, den Krankenkassen einen Steuerzuschuss zu gewähren. Zur Finanzierung erhöhte der Gesetzgeber damals die Tabaksteuer kräftig. Bis 2006 sollten die jährlichen Zuschüsse auf 4,2 Milliarden Euro ansteigen. Nach dem Regierungswechsel erklärte die Große Koalition die Haushaltskonsolidierung zum Topthema – und kassierte dafür den Milliardenzuschuss an die GKV.

Weil sie sich dann aber nicht auf eine tragfähige Gesundheitsreform einigen konnten, machten Union und SPD später eine 180-Grad-Wende. Sie stellten dem Kassensystem erneut Milliardenbeträge in Aussicht. So soll langfristig nun die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder aus Steuermitteln finanziert werden. Schrittweise steigt der Bundeszuschuss laut Planung auf über 14 Milliarden Euro an. Angesichts der aktuellen Rekordverschuldung des Staates ist es allerdings wahrscheinlich, dass nach der nächsten Bundestagswahl noch einmal nachverhandelt wird. Gut möglich, dass den Regierenden dann eine Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen wichtiger ist.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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