ViennaPerio 2008

Rot-weiße Ästhetik

Rund 300 parodontologisch interessierte Teilnehmer hatten sich im vorweihnachtlichen Wien am 5. und 6. Dezember 2008 zur 2. Gemeinschaftstagung der Austrian Association of Periodontal Research (AAPR), der Österreichischen (ÖGP) und der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP) versammelt.

Zwei Tage lang fanden Workshops, Vorträge und Live-Operationen international ausgewiesener Experten auf dem Gebiet der „rotweißen“ Ästhetik und der mukogingivalen Chirurgie statt. Neuste Erkenntnisse und Operationstechniken zur Gestaltung und Optimierung der parodontalen und periimplantären Ästhetik wurden präsentiert. Veranstaltungsort war das größte Krankenhaus Europas – das Allgemeine Krankenhaus (AKH) in Wien. Via Satellit wurden vier Live-Operationen zu insgesamt vier deutschen Standorten übertragen: Dresden, Bonn, Hamburg und Freiburg.

Workshops

Weichgewebsmanagement

Dr. Markus Schlee, Forchheim, und Dr. Corinna Bruckmann, Wien, stellten am Schweineohr und -kiefer Naht- und Lappentechniken unter mikrochirurgischen Kautelen vor. Ein weiterer praktischer Workshop zur Frontzahnästhetik wurde von Prof. Dr. Bernd Klaiber, Würzburg, geleitet. Dabei konnte er zeigen, wie durch minimalinvasive Formveränderungen mittels Kompositen ästhetisch störende „schwarze Dreiecke“ reduziert werden können.

Vorträge

Klassifikation mukogingivaler Defekte

Prof. Dr. Michael Matejka führte in das Tagungsthema Rezession ein. Ausführlich stellte der Referent die verschiedenen Einteilungen der parodontalen Rezessionen vor, gab einen kurzen Einblick in die Anatomie der „ästhetischen Zone“ sowie in die Ätiologie mukogingivaler Probleme und legte so die solide Basis für die folgenden Referate.

Ästhetische Behandlung freier Wurzeloberflächen

Anhand einiger Patientenfälle und Operations-Videos stellte Prof. Dr. Giovanni Zucchelli die von ihm und Kollegen entwickelte Technik des modifizierten koronalen Verschiebelappens vor, mit dem es möglich ist, multiple Rezessionen in einer Sitzung zu therapieren.

Anschließend beschäftigte sich Dr. Markus Schlee unter anderem mit Veränderungen, die einer Zahnextraktion folgen, Faktoren, die die dreidimensionale Position des Knochens beeinflussen und Konsequenzen, die sich aus dem jeweils vorliegenden bio logischen Typ des Patienten ergeben können. Er stellte anhand vieler eindrucksvoller Fälle Verfahren vor, mit denen diese Fak toren erfolgreich therapeutisch berücksichtigt werden können. Zusätzlich zeigte er sein Konzept, mit humaner Dermis anstelle von Bindegewebetransplantaten Rezessionen zu decken und damit dem Patienten einen chirurgischen Eingriff am Gaumen zu ersparen.

Veränderungen der Zahnmorphologie

Prof. Dr. Bernd Klaiber erläuterte, wie Veränderungen der Zahnform mittels direkt verarbeiteter Kompositmaterialien ästhetisch störende gingivale Weichgewebsdefekte ausgleichen können. Auch denen, die nicht am morgendlichen Workshop Prof. Klaibers hatten teilnehmen können, wurden hier die nahezu unbegrenzt erscheinenden Möglichkeiten vor Augen geführt, die direkte Komposittechniken für ästhetische Korrekturen bieten. Der Referent wies vor allem auf die Bedeutung einer geeigneten Matrizentechnik hin, stellte seine Verschalungstechnik vor und öffnete seine „Trickkiste“.

Vermeidung von Misserfolgen

Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Freiburg, eröffnete das Programm mit der brisanten Thematik „Misserfolge“. Sie thematisierte zunächst Risikofaktoren, zum Beispiel Nichtbeachtung von Wünschen und Erwartungen des Patienten, allgemeinmedizinische Aspekte, fehlende prächirurgische Diagnostik, falsch gewählte operative Verfahren oder unzureichende postoperative Nachsorge, und machte anschließend zahlreiche Lösungsvorschläge für die jeweiligen Komplikationen.

Kieferorthopädie und parodontale Ästhetik

Prof. Dr. Peter Diedrich, Aachen, verdeutlichte mittels beeindruckender Patientenfälle, wie die Kieferorthopädie dazu beitragen kann, durch Parodontitis und nach parodontaler Therapie aufgetretene ästhetische Probleme, wie pathologische Zahnwanderungen, Disharmonie im Gingivaverlauf sowie Verlust der Interdentalpapille, zu lösen. Ein optimales Therapieergebnis lässt sich oftmals nur über einen interdisziplinären Ansatz aus Parodontologie, Kieferorthopädie, Prothetik und restaurativer Zahnheilkunde erzielen.

Misserfolge vermeiden

Dr. Urs Brodbeck, Zürich, präsentierte anhand zahlreicher Patientenfälle ästhetische Problemfälle und deren Lösung. Besondere Bedeutung kommen der ästhetischen Anamnese und Diagnostik zu. Große Bedeutung hat es ebenso, individuelle Bedürfnisse der jeweiligen Patienten zu erkennen. Auch das Erkennen von Gefahrenpunkten und das Wissen um eigene Grenzen sind laut Dr. Brodbeck wichtige Aspekte, die den Erfolg einer Behandlung wesentlich beeinflussen. Zuletzt betonte der Referent, dass die sogenannte „pink esthetic“ am natürlichen Zahn wesentlich einfacher als am Implantat zu erzielen sei.

Live-Operationen

Parallel zum wissenschaftlichen Programm wurde live operiert: Prof. Dr. Giovanni Zucchelli versorgte eine Patientin mit multiplen Rezessionen, die zum einen die Ästhetik beeinträchtigten und zum anderen zu Zahnhalsüberempfindlichkeiten geführt hatten. Ein quadrantenweises Vorgehen war geplant. So hatte sich der Operateur für die Live-OP den ersten Quadranten vorgenommen. Er demonstrierte die von ihm mitentwickelte Schnittführung für einen koronalen Verschiebelappen. Bedingung für diese Technik ist das Vorhandensein von keratinisierter Gingiva. Bis zum Niveau des vestibulären Gingivarandes wurde ein Spaltlappen gebildet. Das Gewebe apikal der Rezession blieb dabei unangetastet. Anschließend wurde in etwa drei Millimetern Breite ein Vollschichtlappen mobilisiert. Schließlich wurden im Sinne eines Spaltlappens die Mukosa mobilisiert und Muskelansätze gelöst. Nach Instrumentierung und Konditionierung (EDTA) der Wurzeloberflächen wurde der Lappen mittels Schlingnähten nach koronal verschoben. Mit dieser Lappenbildungstechnik war es möglich, sämtliche Rezessionen im ersten Quadranten mit einer Operation zu decken.

Dr. Markus Schlee präsentierte das neuartige Verfahren der Rezessionsdeckung mit in Lösungsmitteln aufbereiteter humaner Dermis. Durch einen koronalen Verschiebelappen konnten mehrere Rezessionen gedeckt und mittels der humanen Dermis aufgepolstert werden.

Die erste Live-Operation des Nachmittags übernahm DDr. Stefan Hienz, Wien: Zum Ersatz des Zahnes 12 wurde unter Verwendung einer mit SimPlant®-Daten erstellten Schablone implantiert und anschließend zur Unterstützung des bukkalen Weichgewebes ein Bindegewebstransplantat eingebracht. Anschließend deckte Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger eine singuläre Rezession an Zahn 13. Zunächst wurde ein Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen palatinal der Zähne 13-15 entnommen. Mit diesem Gewebe konnte anschließend unter Anwendung der Envelope-Technik die Rezession gedeckt werden (Abbildung).

Fazit

ViennaPerio 2008 bot alles, was man zum Thema rot-weiße Ästhetik erwartet: instruktive Workshops zu restaurativen und chirurgischen Techniken, anschauliche Vorträge zu den relevanten Verfahren und begeisternde Live-Operationen. Parodontalchirurgisch versierte Tagungsteilnehmer konnten es sicher kaum abwarten, die vorgestellten Techniken selbst umzusetzen. ViennaPerio kann nur als Erfolg bewertet werden. Ob und wann es ein weiteres ViennaPerio geben wird, ist derweil nicht bekannt.

Dr. Katrin HimmerDr. Diana KrigarPoliklinik für ParodontologieZentrum der Zahn-, Mund-,und Kieferheilkunde (Carolinum)Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität FrankfurtTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt am Main

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