Die Arbeit der World Health Organisation

Eine moralische Verpflichtung

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Schlechtes Wasser, mangelnde Impfangebote, Seuchengefahr – wenn irgendwo in der Welt gesundheitliche Missstände angeprangert werden, taucht die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation – WHO) in der Berichterstattung auf. Dabei verläuft der größte Teil ihrer Arbeit im Hintergrund jenseits der medialen Beachtung. Doch was genau macht die WHO eigentlich?

Die WHO wurde 1948 als Sonderorganisation der Vereinten Nationen gegründet. Sie hat als einzige UN-Organisation ein Mandat für die Arbeit im Gesundheitsbereich. Die konkrete Politik der Weltgesundheitsorganisation wird im Rahmen der jährlichen Weltgesundheitsversammlung festgelegt. Diese setzt sich zusammen aus Regierungsdelegationen aller 193 Mitgliedsstaaten der WHO – 191 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen sowie zwei Nicht-Mitgliedstaaten: Niue und die Cookinseln. Jedes Land hat unabhängig von Größe oder Einwohnerzahl bei der Weltgesundheitsversammlung eine politische Stimme. Als globale Gesundheitsbehörde hat die WHO zwar großen Einfluss auf die politische Gestaltung der Gesundheitssysteme – doch ihre Resolutionen haben keine gesetzlich bindende Kraft, sondern eher den Charakter einer moralischen Verpflichtung.

Förderung des Gesundheitswesens

Hauptaufgabe der Weltgesundheitsorganisation ist es, den Regierungen bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Gesundheit ihrer Völker behilflich zu sein. Jedes einzelne Land soll dabei beratend unterstützt werden, seine eigene Gesundheits-politik zu verbessern, ein effektives Gesundheitssystem aufzubauen und eigene Gesundheitsprogramme zu entwickeln. Die WHO unterstützt die Länder darüber hinaus, gesundheitliche Gefährdungen der eigenen Bevölkerung zu verhüten – dabei können diese Gefährdungen von Land zu Land sehr unterschiedlich sein.

Generell finanziert die Weltgesundheitsorganisation selbst keine Gesundheitsprogramme, sondern tritt vor allem beratend auf. Um immer auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand zu sein, hat sie ein weltumspannendes Netzwerk von externen Kollaborationszentren aufgebaut. Allein in Deutschland gibt es derzeit 33 solcher Institutionen – beispielsweise Universitäten oder das Paul-Ehrlich-Institut – mit ganz unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Sie stellen der WHO ihr Wissen bei der Bearbeitung konkreter Probleme, Aufgaben und Fragestellungen zur Verfügung. Die so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzt die Weltgesundheitsorganisation für ihre Beratungstätigkeit und macht sie über Publikationen und Internetdatenbanken öffentlich zugängig. Damit die Publika- tionen kostenlos gelesen werden können, wurden in der europäischen Region 51 Bib-liotheken zu WHO-Dokumentationszentren ernannt. Über das Internet ist zudem der kostenlose Zugriff auf die Datenbanken der WHO möglich. Das integrierte System statistischer WHO-Datenbanken umfasst beispielsweise die Datenbank „Gesundheit für alle“ (GFA-Datenbank). Diese ermöglicht den schnellen und leichten Zugriff auf wichtige internationale Gesundheitsstatistiken für die Länder der europäischen Region. Die Datenbank enthält ausgewählte Indikatoren wie Sterblichkeit, Morbidität oder demografische Faktoren und bietet jeweils eine grafische Darstellung dieser Daten. Eine andere Datenbank, das elektronische Informationssystem für Infektionskrankheiten (CISID), enthält Informationen zu den wichtigsten Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder HIV sowie Länderangaben zum jeweiligen Durchimpfungsgrad.

Regionalisierung der Arbeit

Die Organisationsstruktur der WHO ist gekennzeichnet durch eine Regionalisierung ihrer Arbeit. So soll eine dezentrale und effektive Politikberatung möglich sein, die sich auf einen begrenzten Bereich von Ländern mit ähnlich gelagerten Problemen fokussiert. Das WHO-Regionalbüro für Europa ist eines von sechs in allen Teilen der Welt angesiedelten Regional-büros, die alle ein jeweils eigenes, auf die besonderen gesundheitlichen Probleme ihrer Mitgliedsländer abgestimmtes Programm haben.

Das WHO-Regionalkomitee für Europa setzt sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten der Europäischen Region zusammen und tagt einmal jährlich. Sein Sitz befindet sich in Kopenhagen. Es verfügt über fünf Außenstellen in Barcelona, Bonn, Brüssel, Rom und Venedig sowie über Länderbüros in 29 Mitgliedstaaten in der gesamten Region.

In dem von der WHO als europäische Region definierten Gebiet leben über 880 Millionen Menschen in einem Gebiet, das sich zwischen Nordpolarmeer und Mittelmeer und zwischen Atlantischem und Pazi-fischem Ozean erstreckt. In den 53 Ländern dieser europäischen Region gibt es zu Beginn dieses Jahrtausends immer noch über 165 Millionen Menschen, die unter der Armutsgrenze leben und keinen oder nur schlechten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung haben. In diesen Ländern engagiert sich die WHO auf politischer Ebene dafür, ein funktionierendes Gesundheits-system überhaupt erst zu etablieren oder die vorhandene Gesundheitsversorgung zu erweitern und zu verbessern.

Auch in den europäischen Ländern mit vergleichsweise gut organisierten Gesundheitssystemen engagiert sich die WHO. Hier verläuft ihre Arbeit eher im Hintergrund und dringt nur selten in die Medien. Die Weltgesundheitsorganisation bietet innerhalb jeder der sechs Weltregionen ein bestimmtes Portfolio an Gesundheitsprogrammen, an denen – je nach Bedarf – die Länder aktiv teilnehmen können. Rein länderspezifische Projekte der WHO gibt es nicht.

Impfprogramme

Die Bekämpfung von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten beispielsweise gehört zu den wichtigsten Gesundheitsprogrammen der WHO in der europäischen Region. Ziel ist etwa neben der Erhaltung der Poliofreiheit auch die Eliminierung von Masern und Röteln in der Region und damit einhergehend die Bekämpfung von vorgeburtlichen Schädigungen durch Röteln (Rötelnembryopathie). Bereits mehr als 60 Prozent der Mitgliedstaaten haben die 2005 festgelegte Zielvorgabe der Eliminierung von Masern und Röteln erreicht. 2005 wurde auch erstmals die Europäische Impfwoche durchgeführt. Sie wurde seitdem jährlich wiederholt, mittlerweile nehmen die meisten europäischen Länder daran teil. Ein weiteres Beispiel der WHO-Arbeit sind die Programme zur Eindämmung des Tabak- und Alkoholkonsum. Die öffentliche Unterstützung für eine rigorose Anti-Tabak-Politik und Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums ist mittlerweile groß und nimmt national und international weiter zu. Bis Ende 2007 waren 152 Vertragsparteien, darunter 41 Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO sowie die Europäische Gemeinschaft, dem Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC), dem ersten weltweit verbindlichen Vertrag im Bereich der öffentlichen Gesundheit, beigetreten.

Neben Impfung, Tabak- und Alkoholkonsum gibt es noch viele weitere Bereiche, in denen sich die WHO mit ihren Gesundheitsprogrammen für mehr Gesundheit in der europäischen Region engagiert. Dazu gehören die Aufklärung über und Bekämpfung von HIV/Aids oder die Eindämmung von Epidemien und Pandemien wie zurzeit bei der Schweinegrippe. Der Themenkomplex Adipositas, Ernährung und Bewegung ist ein weiteres Schwerpunktthema in Europa und in Deutschland.

Forschungsarbeit

Ein Beispiel für die Arbeit der 33 deutschen Kollaborationszentren in Deutschland ist die Universität Bielefeld mit ihrer Forschungsarbeit zur Kinder- und Jugendgesundheit. Hier forschen Wissenschaftler, welche gesundheitsrelevanten Einstellungen und Verhaltensmuster sich bereits im Kindes- und Jugendalter herausbilden und inwieweit sich diese im Laufe des Lebens verfestigen.

Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, wie sich bestimmte Faktoren – beispielsweise Sport, soziale Kontakte oder gemeinsame Mahlzeiten in der Familie – auf ein gesundes Aufwachsen der Kinder auswirken und welche Spätfolgen mit dem Fehlen dieser Faktoren verbunden sind.

Neben der Forschungsarbeit in den Kollaborationszentren gibt es in Deutschland noch das Europäische Zentrum für Umwelt und Gesundheit (ECEH) in Bonn. Mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung beschäftigt sich dieses WHO-Büro mit den Auswirkungen von Umweltgefahren auf die Gesundheit des Menschen und besonders der Kinder in den Staaten der europäischen Region. Rund ein Dutzend Experten werten aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus und entwickeln in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern Richtlinien und Empfehlungen als Grundlage für politische Entscheidungen. Schwerpunkte sind beispielsweise die Beeinträchtigung der Luftqualität durch Feinstaubbelastung im Straßenverkehr aber auch durch den Kontakt mit Tabakrauch als Passivraucher. Auch Studien über die Konsequenzen von Verkehrs- oder Fluglärm werden hier erstellt.

Bis heute gibt es in der europäischen Region zwischen den einzelen Ländern extreme Unterschiede in der Lebenserwartung. Und innerhalb eines jeden Landes ist ein deutliches gesundheitliches Gefälle zwischen den verschiedenen Sozialschichten zu erkennen. Wenn auch auf einem anderen Niveau als in den ärmeren Ländern dieser Welt, engagiert sich die WHO jedoch nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den westlichen, industrialisierten Staaten Europas. Oberstes Ziel der WHO-Arbeit ist allerdings, im Rahmen der Milleniumsziele der Vereinten Nationen (siehe Kasten) für alle Menschen in Europa und auf der ganzen Welt Mindeststandards der Gesundheitsversorgung zu erreichen und so zu einer langsamen Angleichung der Verhältnisse zwischen den ärmeren und den reicheren Ländern zu kommen.

Otmar MüllerGesundheitspolitischer FachjournalistNürburgstraße 650937 Köln

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