Der besondere Fall

Coxsackie-Virus-Infektion in der Zahnarztpraxis entdeckt

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Ein zweieinhalbjähriger Junge stellte sich mit seiner Mutter in unserer Praxis zur Routineuntersuchung vor. Dabei fand sich ein interessanter Nebenbefund.

Es wurde ein kariesfreies, vollständiges Milchgebiss vorgefunden, jedoch klagte der Junge bei seitlicher Berührung der Zunge über Schmerzen. Die daraufhin durchgeführte Inspektion der Zunge ergab zwei etwa linsengroße, rundliche Läsionen links und rechts am mittleren Zungenrand, die an Aphthen erinnerten. Die Mutter berichtete auf Nachfragen, dass sich das Kind seit vier Tagen nicht mehr die Zähne putzen wolle und auch das Nachputzen der Eltern nur gegen erhöhten Widerstand des Jungen möglich gewesen sei.

Die Läsionen waren im Zentrum schwach rötlich, zum Rand hin weißlich gefärbt.

Der Junge saß glücklicherweise in kurzen Hosen auf dem Behandlungsstuhl, so dass als Zufallsbefund kleine rote Flecken an beiden Knien auffielen, die in ihrer Größe an Flohbisse erinnerten. An beiden Händen konnten keine Läsionen gefunden werden, so dass nach vorheriger Zustimmung der Mutter die Füße des Jungen kontrolliert werden konnten. An beiden Fußsohlen waren ebenfalls kleine rote Flecken zu erkennen.

Fieber oder eine erhöhte Temperatur vor vier bis sieben Tagen konnte anamnestisch von der Mutter nicht bestätigt werden, jedoch das Fehlen der roten Flecken an den Armen und am Rumpf des Kindes.

Die Läsionen an den Füßen und an den Knien waren nicht schmerzhaft.

Durch das gemeinsame Vorkommen von Läsionen an Zunge, beiden Füßen und den Knien wurde die Verdachtsdiagnose der Hand-Fuß-Mund-Krankheit gestellt. Mit der Erklärung, dass es keine spezifische antivirale Therapie gegen Coxsackie-Viren gibt, eine symptomatische Schmerzbehandlung der oralen Läsionen nicht notwendig erschien und die Erkrankung selbstlimitierend verläuft, konnte die Mutter beruhigt werden, sie sollte sich jedoch noch am gleichen Tag zur Diagnosesicherung bei der behandelnden Kinderärztin vorstellen.

Ein Anruf bei der Mutter am nächsten Tag bestätigte die Diagnose der Hand-Fuß-Mund-Krankheit, die „bereits am Abheilen“ sei.

Differentialdiagnostik

Krankheitsbilder mit ähnlicher Klinik sollten als differentialdiagnostische Aspekte bei der Diagnosefindung unbedingt Beachtung finden.

So kommen als Differentialdiagnose der beschriebenen oralen LäsionenAphthenin Betracht, die grundsätzlich überall im Mund auftreten können.

Die ebenfalls von Coxsackie-Viren verursachteHerpanginaist in der Lokalisation der oralen Ulzera auf den posterioren Bereich des Mundes beschränkt (weicher Gaumen, Uvula, Pharynx).

EineHerpes-Virus-Infektion stellt sich bei Primärinfektion häufig ohne klinische Kennzeichen dar, seltener alsHerpetische Gingivostomatitis, die dann mit deutlichen Allgemeinsymptomen assoziiert ist. Auch ist die Zunge als Lokalisation fürHerpes-simplex-Bläschen nur sehr selten zu finden.

Als weiterer differentialdiagnostischer Aspekt der oralen Läsion kommen vor allem bei Kindern auchWindpocken(Varizellen) in Betracht, die durch das extraorale Bild jedoch eindeutig gekennzeichnet sind.

Bei erwachsenen (männlichen) Patienten muss auch dasBehçet-Syndromals Differentialdiagnose in Erwägung gezogen werden. Dabei bestehen die oralen aphthösen Läsionen über einen deutlich längeren Zeitraum und sind mit okulo-kutanen Begleitsymptomen assoziiert.

Differentialdiagnostisch sollten die extraoralen Läsionen gegen mechanische Irritationen abgeklärt werden, wie sie beispielsweise durch das Herumkrabbeln in kurzen Hosen an den Knien oder durch das Barfußlaufen an den Fußsohlen auf ungünstigem Untergrund entstehen können.

Parasitäre Ursachensollten bei entsprechender Klinik (Juckreiz, Schmerz) ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, um ein mögliches Übertragungsrisiko minimieren zu können. Als möglicher Parasit wärePulex irritans(Floh) zu nennen, der jedoch für ihn geeignetere Körperregionen als die Fußsohlen befällt.

Die vonTunga penetrans(Sandfloh) an den Fußsohlen verursachten stark juckenden Läsionen können ohne eindeutige Anamnese des Aufenthalts in entsprechenden Risikoländern in Mitteleuropa ausgeschlossen werden und sollen nur der Vollständigkeit halber hier Erwähnung finden.

Friedrich MüllerZahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. MüllerZur Baumwolle 2609557 FlöhaFriedrich.Mueller@gmx.de

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