Gastkommentar

PKV auf Abwegen

Die Forderung privater Krankenversicherer nach – wenn auch nur partieller – Gleichstellung mit der GKV kann zum Systembruch führen, meint FAZ- Berlin-Korrespondent Andreas Mihm.

Kostensenkungen, die die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) künftig bei neuartigen Präparaten aushandelt, sollen auch der Privaten Krankenversicherung (PKV) zugute kommen. Im Gegenzug beteiligt sich die PKV an Aufwendungen, die für die Bewertung von Kosten und Nutzen neuer Präparate und die Preisverhandlungen entstehen.

Die Koalition erfüllt damit der PKV einen großen Wunsch. Verbandschef Reinhold Schulte hatte schon im Sommer gewettert, wenn sich der Gesundheitsminister für alle Bürger zuständig fühle, dann könne er „die Arzneimittelpreise nicht nur für 90 Prozent der Betroffenen regeln und zulassen, dass die Kosten bei den Übrigen umso heftiger ausschlagen.“ Schulte verlangte eine Übertragung der Sparregeln auf die PKV. Nun hat er sie.

Doch ob das der PKV langfristig nützen wird, muss bezweifelt werden. Kurz- und mittelfristig werden die privaten Versicherer davon finanziell profitieren. Schon lange hatte sich die PKV als Zahlmeister gesehen, der ohnmächtig zusehen musste, wie Ärzte ihren Kunden teure Präparate verschreiben, die die Kassen längst aussortiert hatten.

Ohnmächtig deshalb, weil die PKV kaum über Steuerungselemente verfügt. Sie unterhält keine Vertragsbeziehungen mit Pharmaherstellern, Apothekern oder Ärzten sondern nur mit ihren Kunden. Für Vertragsverhandlungen mit Herstellern sind die einzelnen Anbieter zu klein. Ihr Verband darf aus kartellrechtlichen Gründen für zehn Prozent der Bevölkerung zum Beispiel nicht tun, was die AOK für mehr als 30 Prozent der Versicherten macht: Rabattverträge abschließen. Die Zahlen sprechen für sich: Von 2007 bis 2008 stiegen die PKV-Ausgaben für Arzneien und Verbandmittel um 7,6 Prozent, die der GKV um 5,4 Prozent.

Dass das den Privatpatienten geholfen hat, ist zu hoffen. Dass es der Pharmaindustrie geholfen hat, ist sicher. Deren Proteste gegen die Neuregelung fallen entsprechend heftig aus. Seit Jahren kämpfe die PKV gegen eine gesetzliche Angleichung an die GKV. „Jetzt verhöhnt sie ihre eigene Politik und fordert – wo es den eigenen Gewinnen dient – genau das“, schimpft der Chef des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Bernd Wegener. Selbst wenn man das Beharren der Industrie auf dem Schlupfloch PKV in Betracht zieht – falsch ist das Argument Wegeners nicht. Wie groß muss der wirtschaftliche Druck sein, damit die Privatversicherung für sich die gleichen Rechte wie für die GKV reklamiert? Kursierten in der Versicherungswirtschaft nicht schon Strategiepapiere, in denen die Überlebensfähigkeit des Modells der PKV in Zweifel gezogen wurde? Hatte die Branche nicht argumentiert, auch sie habe Anspruch auf einen Steuerzuschuss, wenn die GKV einen bekomme? Schließlich zahlten erstens auch Privatver- sicherte Steuern, und zweitens sei der milliardenschwere Zuschuss ja eigentlich zur Finanzierung der Kinderversicherung gedacht gewesen. Ging der Streit um die Gebührenordnung im Kern nicht um die Frage Anpassung an oder Abgrenzung von der GKV?

So nachvollziehbar das Verlangen klingt, es führt zum Systembruch, wenn privat geführte, gewinnorientierte Versicherungs- firmen eine – wenn auch partielle – Gleichstellung mit der gesetzlichen Versicherung verlangen. Ob die PKV den Weg aus freien Stücken nimmt oder dazu aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen wird, ändert nichts am Befund: Es ist der falsche Weg. Es wäre besser gewesen, die Koalition hätte ihr Instrumente in die Hand gegeben, mit denen die Privatversicherer in Preisverhandlungen mit Pharmafirmen, Ärzten und Krankenhäusern selbst hätten nachweisen können, dass sie eigenständig eine gute, vielleicht sogar bessere Versorgung auf die Beine stellen können. Nun laufen sie Gefahr, Anhängsel der GKV zu werden.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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