Helfen statt heilen
„Unzufriedene Ärzte, Ärztemangel, steigender Behandlungsbedarf trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen, noch unzufriedenere Ärzte, noch mehr Ärztemangel: Ein Teufelskreis zeichnet sich ab in der ambulanten ärztlichen Versorgung – und nicht nur da –, wenn es uns nicht mit vereinten Kräften gelingt, ihn zu durchbrechen.“ Dr. Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), umschrieb auf der Vertreterversammlung am Vortag des Deutschen Ärztetages im Mai in Dresden mit drastischen Worten den wachsenden Druck in der ärztlichen Versorgung. Ein ganzes Maßnahmenbündel sei notwendig, mahnte Müller, um den Arztberuf wieder attraktiver zu machen.
Mit dem Ärztemangel rückt die Rolle Gesundheitsberufe verstärkt in den Mittelpunkt politischer Betrachtungen. So sah beispielsweise der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD von 2005 vor, zu prüfen, inwieweit nicht-ärztliche Heilberufe stärker in Versorgungskonzepte mit einbezogen werden können. Die schwarz-gelbe Regierung hat im Koalitionsvertrag von 2009 die Erweiterung der Delegationsmöglichkeiten ärztlicher und anderer Tätigkeiten zur Entlastung von Ärzten vorgesehen.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen monierte in seinem Gutachten 2007 eine nicht immer effektive Arztzentriertheit bei der Versorgung und Ausbildungsmängel. Nichtärztliche Gesundheitsberufe sollten stärker einbezogen, Prävention solle auf nichtärztliche Berufe übertragen werden und die Pflege solle größere Handlungsautonomie erhalten. Hinzu kommen solle die Profilierung der Ausbildung aller Gesundheitsberufe als kommende Aufgabe der medizinischen Fakultäten.
Neuen Drive in diese Diskussion brachte das 2008 verabschiedete Pflege-Weiterenwicklungsgesetz. Seit dieser Zeit ist die Substitution ärztlicher Leistungen möglich, das heißt, Pflegepersonal kann im Rahmen von Modellprojekten nicht mehr ausschließlich unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden, sondern darf in bestimmten Fällen eigenständig an Stelle des Arztes handeln ( § 63 Absatz 3 c SGB V). In Bezug auf die nichtärztliche Leistungserbringung geht die Regelung damit weit über das hinaus, was bisher möglich war. Gerade im Pflegebereich wächst aufgrund der demografischen Entwicklung der Versorgungsdruck und Handlungsbedarf.
Grünbuch Gesundheitsberufe
Auch auf europäischer Ebene sind die Gesundheitsberufe im Fokus. 2008 erschien das Grünbuch der EU-Kommission über Arbeitskräfte des Gesundheitswesens in Europa. Damit will die Kommission angesichts einer alternden Gesellschaft die Diskussion über die Herausforderungen für Arbeitskräfte des Gesundheitswesens anstoßen. Ziel ist es, wegen des wachsenden Personalbedarfs alle zur Verfügung stehenden Ressourcen grenzüberschreitend zu nutzen. Der Diskussionsprozess soll 2010 intensiviert und die Problematik soll unter belgischer Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2010 vom Rat der Gesundheitsminister aufgegriffen werden.
Akademisierung wächst
Akademisierung bei nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen ist ein wachsendes Thema. Zu unterscheiden ist zwischen der Akademisierung an Fachhochschulen und Hochschulen sowie dualen Ausbildungswegen, wobei letztere einen Durchstieg bei bestimmten Hochschulstudiengängen zulassen. Mitte 2009 hatte der Bundestag mit einer Novellierung der Berufsgesetze für die therapeutischen Gesundheitsfachberufe und für das Hebammenwesen eine weitere Öffnung zu akademischen Ausbildungsgängen geschaffen. Für Pflegestudiengänge gibt es dies schon seit 2003. Bereits in den 70er Jahren wurden in Deutschland die ersten Pflegestudiengänge in Pflegemanagement und Pflegepädagogik eingeführt, inzwischen existieren mehr als 50 breit gefächerte Angebote mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Seit Ende der 90er Jahre haben sich zunehmend auch Studiengänge für therapeutische Gesundheitsfachberufe entwickelt. Abgeschlossen wird mit einem Bachelor-Examen, es gibt auch weiterführende Studienangebote mit Masterabschluss.
Auch die Gesundheitsberufe selbst sind daran interessiert, ergänzend zur Fachschulausbildung eine akademische Ausbildung anzustreben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von wachsenden Anforderungen aufgrund sich wandelnder Krankheitsspektren bis hin zu höheren Anforderungen in Punkto Qualität und Evidenzbasierung. Hinzu kommt, dass in vielen Ländern Europas und darüber hinaus eine akademische Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen gängig ist und man in Deutschland befürchtet, auf dem internationalen Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig zu sein. Beispiele aus Großbritannien, den Niederlanden, Kanada oder den USA machen hier Schule.
Gesundheitscampus NRW
Ein ambitioniertes Projekt in dieser Richtung ist die neu gegründete Fachhochschule für Gesundheitsberufe in Bochum auf dem Gesundheitscampus NRW. Dort startet – sozusagen als gesundheitswissenschaftliches Neuland – zum Wintersemester 2010/11 das Studienangebot der bundesweit ersten „Hochschule für Gesundheit (HSG)“ in den Fächern Ergotherapie, Hebammenkunde, Logopädie, Pflege und Physiotherapie. Vor kurzem sind die Modellstudiengänge, bei denen Absolventen einen akademischen Abschluss erhalten und auch eine Berufsbildung abschließen, vom Land genehmigt worden. Bis 2013 soll auch ein eigener Neubau stehen. Vorgesehen ist ein Bachelor-Studium, zu einem späteren Zeitpunkt sind Master-Studiengänge geplant.
Prof. Dr. Anne Friedrichs, Präsidentin der HSG, beschrieb auf dem Gesundheitskongress des Westens am 10. und 11. März 2010 in Essen ausführlich das Konzept der neuen Hochschule. Die Umsetzung werde mit hohem Engagement und viel positivem Feedback vorangetrieben. Sie verwies auch auf noch offene Fragen bei der strukturellen Ausgestaltung. Dazu gehöre – neben bürokratischen und rechtlichen Problemstellungen – die Klärung, welche konkrete künftige Arbeitsmarktsituation die akademisch ausgebildeten Absolventen vorfinden (unter anderem seien die Tarifstrukturen unklar), welche Kompetenzen zukünftig im Gesundheitsbereich benötigt würden, wie sich die Berufsgesetze mit den Anforderungen an eine wissenschaftliche Ausbildung vereinbaren ließen oder woher der wissenschaftliche Nachwuchs an der Hochschule kommen solle.
Doctor Light
Kritische Aufmerksamkeit in der Fachöffentlichkeit erhielt der „Arztassistent – Physician Assistant (B.Sc.)“ der Dualen Hochschule Baden Württemberg DHBW Karlsruhe. Der Studiengang startet ab Oktober 2010 und entspricht dem Studiengang zum Physician Assistant, wie er bereits unter anderem in den USA, Großbritannien und den Niederlanden angeboten wird. Ärzte sollen durch die Entlastung von Routinetätigkeiten mehr Freiräume in der ärztlichen Arbeitszeit erhalten. Gleichzeitig soll die Effizienz des Personaleinsatzes im OP und der Ambulanz gesteigert werden.
Auf scharfe Kritik der Ärzteschaft („Schmalspur-Ärzte“ und „Discount-Studium“) stieß der für 2011/12 geplante europäische Modellstudiengang Medizin-Bachelor und Master in Oldenburg im Verbund mit der holländischen Universität Groningen. Das Angebot soll dem Bologna-Prozess entsprechen. Gegründet werden soll die European Medical School Oldenburg-Groningen. Der Wissenschaftsrat hat seine zunächst für Mai anberaumte Empfehlung dazu auf den Sommer vertagt.
Die Einführung einer Bachelor-Master-Struktur in der Medizin lehnen die Ärzte entschieden ab und sprechen sich für den Abschluss mit einem Staatsexamen aus. Dies bekräftigte erneut der 113. Deutsche Ärztetag in Dresden. Außerdem begrüßte er die Positionierung von Bundesgesundheitsminister Philip Rösler, der dort ebenfalls deutlich gegen die Umsetzung des Bologna-Prozesses in der Medizin ausgesprochen hatte. Der wissenschaftliche Anspruch an das Medizinstudium und die gestiegenen Anforderungen an ein komplexes Krankheitsverständnis und multimodale Therapiekonzepte seien mit einer eventuellen Umstellung auf eine Bachelor-Master-Struktur nicht vereinbar.
Was die Akademisierung der Gesundheitsberufe angeht, so hat die Ärzteschaft diese laufenden Entwicklungen fest im Blick: „Ich begleite diesen Prozess mit Interesse“, unterstreicht die Vizepräsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Cornelia Goesmann, gegenüber den zm. „Sicher ist es sinnvoll, dass einige Gesundheitsberufe einen Teil ihrer Mitglieder zu einer Hochschullaufbahn qualifizieren, um auch hier Forschung und Lehre zu ermöglichen und zu forcieren. Das Gros der Angehörigen dieser Berufsbilder wird aber für die Tätigkeit am Patienten kein universitäres Studium benötigen.“ Ob eine Zusammenführung der Ausbildung aller Gesundheitsberufe an zum Beispiel Fachhochschulen weg von den bisher sehr unterschiedlichen Ausbildungsgängen (duales System der MFA/Krankenpflegeschulen an Krankenhäusern und weitere) sinnvoll wäre, müsse – auch im Hinblick auf andere Modelle im Ausland – politisch diskutiert werden.
Delegationsprinzip
Entschieden wehren sich die Ärzte gegen die Aufweichung des Delegationsprinzips. Die Gretchenfrage ist die saubere Trennung zwischen Delegation und Substitution. Die Ärzte wollen die zunehmende Vermischung rechtlicher Zuständigkeiten bei der Ausübung der Heilkunde verhindern und die Schnittstellen zwischen den Aufgaben des Arztes und der Gesundheitsberufe klar definieren. Der 113. Deutsche Ärztetag 2010 in Dresden machte das noch einmal ganz deutlich und forderte von der Politik klare Zuständigkeiten der Gesundheitsberufe.
Dennoch kann die Delegation durchaus weit gefasst sein, wie Goesmann erläutert: „Im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für den diagnostischen und therapeutischen Prozess der Patientenbetreuung können Ärzte Einzeltätigkeiten an andere Berufsgruppen delegieren, wenn sie sich von deren fachlichen Können überzeugt haben. Die Fachberufe tragen dann die Durchführungsverantwortung für die delegierten Aufgaben. Eine umfangreiche Delegation an entsprechend qualifizierte Vertreter anderer Berufe (Pflege, MFA) kann zu einer starken Entlastung von Ärztinnen und Ärzten im Arbeitsalltag und zu einer gelungenen Kooperation aller Gesundheitsberufe in der Patientenberatung beitragen.“
Wichtig ist den Ärzten auch, dass die Kompetenzen und Zuständigkeiten der verschiedenen Gesundheitsberufe synergetisch abgestimmt und interprofessionell zusammengeführt werden. Nicht zuletzt dazu dient die seit 20 Jahren regelmäßig von der Bundesärztekammer einberufene Fachberufekonferenz, an der rund 30 Berufsvertretungen teilnehmen, als ein wichtiges Instrument. In den letzten Jahren haben sich Unterarbeitsgruppen insbesondere mit Fragen der respektvollen Kooperation in der Patientenbetreuung, der Delegation von ärztlichen Aufgaben und der möglichen Übernahme (Substitution) von heilkundlichen Tätigkeiten durch andere Gesundheitsberufe befasst. Arbeitsergebnisse sollen demnächst veröffentlicht werden.
Rolle der Pflege
Der Präsident des Deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus, sieht die Frage von Delegation oder Substitution eher ideologisch besetzt. Ihm gehe es darum, die Versorgungsleistungen der Zukunft neu zu definieren und dabei den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Was derzeit fehle, seien klare Rechtssicherheiten und transparente Strukturen, erklärte er im Gespräch mit den zm. Hier sei der G-BA aufgefordert, aktiv zu werden. Wer Eigenverantwortung übernehme, müsse dazu auch qualifiziert sein, dazu diene das Angebot der akademischen Grundqualifizierung. Der Deutsche Pflegerat strebe als Ziel rund 20 Prozent akademisch qualifizierten Fachkräften an, parallel dazu seien weitere Formen der Qualifizierung auf allen Stufen notwendig. Dazu gehöre es auch, im niedriger qualifizierten Bereich die Tätigkeitsfelder klar zu beschreiben. „Vorsicht vor zu vielen Schnittstellen“, warnte Westerfellhaus. „Es geht darum, Kompetenzen festzumachen.“ Die Rolle der Ärzte sei fest definiert, währen das Tätigkeitsspektrum der Pflege noch nicht genau umrissen sei. Hier erhoffe man sich Klarheit durch das geplante neue Berufsgesetz.
Versorgungsaspekte
Aus Versorgungsaspekten sei es notwendig, dass ein Teil der ärztlichen Leistungen vor allem in unterversorgten Regionen delegiert werden müsse, hieß es auf Anfrage der zm bei der KBV-Pressestelle. Allerdings müsse der Arzt immer die Weisungsbefugnis behalten, allein schon aus Gründen der Qualitätssicherung und Behandlungssteuerung. Erforderlich sei zudem eine klare Grenzziehung darüber, wer für was haftet. Darüber hinaus habe man in den Regionen Abrechnungsvereinbarungen für die delegierbaren Leistungen getroffen.
Der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Köhler sprach sich auf der Vertreterversammlung in Dresden dafür aus, dass delegationsfähige Leistungen künftig deutlich stärker an nichtärztliche Gesundheitsfachberufe delegiert werden müssten. Dazu führe die KBV derzeit Gespräche mit der Bundesärztekammer und den Pflegeverbänden. Ziel sei es, einen Katalog delegationsfähiger Leistungen zu erstellen, zu erproben und zu evaluieren. Sein Vize Carl-Heinz Müller verwies auf die besondere Rolle der Pflegeberufe. Die KBV und die Pflegeverbände hätten Gespräche aufgenommen, um Eckpunkte für die Stärkung der Kooperation zwischen Pflege und vertragsärztlicher Versorgung zu entwickeln. Sie sollen in Kürze der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Müller verwies auch auf die Unterarbeitsgruppe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu diesem Thema, auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag zum Stand der Umsetzung der Modellvorhaben gemäß § 63 Abs. 3 b und c SGB V und auf den Einsatz von Praxismitarbeiterinnen für Hausbesuche bei Patienten.
Konzepte zur Arztentlastung
Um Lücken vor allem in der ambulanten hausärztlichen Versorgung zu füllen, existieren die unterschiedlichsten Modelle zur Entlastung des Arztes. Dazu gehören:
• AGnES = Arztentlastende, Gemeindenahe E-healthgestützte Systemische Intervention:
AGnES-Fachkräfte sollen – per Delegation – Hausärzte unterstützen. Das Angebot richtet sich an Pflegekräfte, aber auch MFA. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt fanden Modellprojekte statt, das Konzept kann seit 2009 bundesweit umgesetzt werden. Zu den Leistungen gehören die Betreuung von Patienten, die Überwachung von Therapien, zum Teil unter Einsatz telemedizinischer Ausrüstung.
• VERAH = Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis:
Ein Fortbildungskonzept des Instituts für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband für Medizinische Fachangestellte und Praxismitarbeiter. Die berufsbegleitenden Ausbildung qualifiziert für eigenständige Aufgaben, die den Hausarzt unterstützen sollen.
• MOPRA = Mobile Praxisassistentin:
Das Projekt MOPRA wurde in Sachsen-Anhalt zu Beginn des Jahres 2008 gestartet. Es richtet sich primär an Arzthelferinnen/MFA, aber auch an Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, die auf Hausbesuche vorbereitet werden sollen. Ihre Tätigkeiten umfassen Behandlung, Koordination, Diagnostik, Zuwendung, Prophylaxe und Beratung.
• MoNi = Modell Niedersachsen:
Das auf drei Jahre angelegte Modell (von VERAH in Niedersachsen) soll in den Regionen Vechta und Schnevendingen MFA so weit ausbilden, dass sie bei Hausbesuchen delegierbare Tätigkeiten selbstständig ausführen können. MoNI wird – im Gegensatz zur AGnES – in enger Abstimmung mit dem Praxischef aktiv. Zu den Tätigkeiten gehören zum Beispiel Fäden ziehen, Blutdruck- und Blutzucker messen, Medikamente nach Verordnung verabreichen oder Gesundheitsberatungen anbieten.
• Nicht-ärztliche Praxisassistentin:
Im Januar 2010 hat die Bundesärztekammer ein neues Curriculum „Nicht-ärztliche Praxisassistentin“ vorgelegt. Hausbesuche sollen in unterversorgten Regionen unter Verantwortung des Arztes an speziell fortgebildete MFA delegiert werden.
Verteilungsprobleme
Aus Sicht der Krankenkassen existiert in Deutschland kein Ärztemangel, sehr wohl aber ein ärztliches Verteilungsproblem. Während in Ballungszentren eine Arztpraxis neben der anderen liege, gebe es in einigen ländlichen und wirtschaftlich schwachen Regionen teilweise zu wenig niedergelassene Ärzte, so der GKV-Spitzenverband. Um Versorgungsprobleme zu vermeiden, wäre es aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen konsequent, die stationäre und ambulante Bedarfsplanung zu verzahnen und bestimmte Aufgaben an medizinisch geschultes nicht-ärztliches Personal wie zum Beispiel an Gemeindeschwestern zu delegieren, erklärt die stellvertretende Pressesprecherin Ann Marini gegenüber den zm. Insgesamt könnten die Ärzte in unterversorgten Regionen durch den Einsatz von Gemeindeschwestern und Arztstationen entlastet und gleichzeitig die medizinische Basisversorgung der Versicherten verbessert werden. „Die demografische Entwicklung verlangt von Krankenkassen und Ärzten heute neue, flexible Versorgungskonzepte jenseits des auf der Einzelpraxis beruhenden Kassenarztsystems“, so Ann Marini.
Zahnärzte üben kritische Distanz
Anders als bei der ärztlichen Versorgung gibt es bei den Zahnärzten keine Versorgungsengpässe. Mit kritischer Distanz und nach Berufsgruppen differenziert beobachtet die Zahnärzteschaft deshalb die Entwicklungen bei den Gesundheitsberufen. Eine Akademisierung lehnen die Zahnärzte zumindest für ihren Bereich strikt ab und verweisen auf die bewährten Aufstiegsfortbildungen für ZFA (Der Bachelor und Master im Zahnmedizinstudium wird ebenfalls strikt abgelehnt).
Der Berufsstand betrachtet das Thema aus einer übergeordneten Sichtweise. Mit Blick auf Entwicklungen in Europa warnte Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, auf der letzten BZÄK-Vorstandssitzung im Juni erneut eindringlich vor einer „Pseudoakademisierung“, bei der die Grenzen von ärztlichem und nicht-ärztlichem Tun zunehmend verwischen. „Der Bachelor und Master hat bei den Heil- und Hilfsberufen nichts zu suchen, ich warne eindringlich vor einem Missbrauch der Begrifflichkeiten“, erklärte er. Pläne zur Schaffung eines BA-Studienganges für Dentalhygienen an der Steinbeis-Hochschule Berlin und der Semmelweis-Universität in Budapest seien diesbezüglich sehr kritisch zu sehen. Die Vergleichbarkeit von Strukturen bei Studiengängen in Europa, wie sie der Bologna-Prozess zum Ziel habe, greife hier nicht. Engel verwies auf ein Gespräch in Brüssel mit Jürgen Tiedje, Referatsleiter der Generaldirektion Markt der Europäischen Kommission, der diese Auffassung teile.
Die Zahnärzteschaft wehrt sich gegen eine Verselbstständigung und selbstständige Leistungserbringung der Gesundheitsberufe. Engel: „Die Delegierbarkeit muss bleiben. Wichtig ist es, hierbei die Schnittstellenproblematik im Auge zu behalten und die Grenzen zwischen ärztlichem Handeln und Delegation sauber zu definieren.“
Mehr zu den Positionen der Zahnärzteschaft im nachfolgenden Beitrag Seite 38.