DGP und ARPA Herbsttagung

Exzellenz in Forschung und Praxis

Heftarchiv Zahnmedizin
Die DGP und die ARPA-Wissenschaftsstiftung veranstalteten Mitte September mit gut 600 Tagungsteilnehmern eine Herbsttagung im World-Conference-Center-Bonn (WCCB). Der historische Plenarsaal, der zwischen 1992 und 1999 dem Bundestag diente, bot ausreichend Platz für die Vorträge im Rahmen des wissenschaftlichen Hauptprogramms.

Die Beantwortung der Frage „Lokale Antibiotika – Wozu?“ war Ziel des Hereus– Symposiums, mit dem der Kongress startete. Prof. Peter Eickholz, Frankfurt, referierte einführend über die anhaltend hohe Manifestationshäufigkeit von behandlungsbedürftiger Parodontitis in der deutschen Bevölkerung, einem nach wie vor ungelösten gesundheitspolitischen Problem. Dabei machte er die Rolle der regelmäßigen unterstützenden Parodontaltherapie (UPT) als Schlüssel des Erfolgs für Zahnerhalt deutlich und gab einen Einblick in die unterstützende Antibiotikatherapie. Prof. Ti-Sun Kim aus Heidelberg nahm diesen roten Faden in ihrem Vortrag zum Thema „Lokale Antibiotikagabe in der Parodontologie – eine Alternative zur systemischen Antibiose?“ auf. Zum Abschluss des morgendlichen Programms berichtete Prof. Eickholz über die klinischen Effekte der subgingivalen Applikation eines 14-prozentigen Doxycyclin-Gels in der Parodontitistherapie.

Bioaktive Peptide

Privatdozent Dieter Bosshardt, Bern, erörterte in seinem Vortrag „Bioaktive Faktoren für die parodontale Regeneration“, die er durch oftmals histologisch beobachtete Spaltbildungen zwischen Dentin und neugebildetem Zement illustrierte.

Dr. Otto Zuhr, München, thematisierte in seiner Präsentation das Problem der Geweberemodellation nach Extraktionen. Unabhängig von Sofort- oder verzögerter Implantation tritt Knochenverlust ein. Ein möglicher Lösungsansatz ist die Socket-Seal-Technik, bei der ein Teil der vestibulären Zahnwurzel auch während der Implantatversorgung in der Alveole als Resorptionsschutz verbleibt.

Parodontale Regeneration mit Stammzellen

Dr. Christian Morsczek, Regensburg, referierte zu den zukünftigen „Perspektiven der parodontalen Stammzelltherapie“. Prof. Heinz Hans Topoll, Münster, bearbeitete das Thema „Therapie fazialer Rezessionen. Schmelzmatrixproteine oder Bindegewebstransplantate?“. Mit vielen Fallbeispielen und Studienergebnissen machte er deutlich, dass die Deckung freiliegender Wurzeloberflächen bis zwölf Monate nach Therapie mit beiden Verfahren gleich gut gelingt. Basierend auf eigenen Beobachtungen geht er allerdings von einem Trend hin zur besseren Rezessionsdeckungen bei Verwendung von Bindegewebstransplantaten aus.

Warnsignal Schmerz beim Paro-Patienten

Das Gaba-Symposium wurde von Privatdozentin Bettina Dannewitz, Heidelberg/Frankfurt, mit einem Vortrag über Charakteristika und Behandlungsmöglichkeiten nekrotisierender Parodontalerkrankungen eröffnet. Die Aachenerin Dr. Said Yekta widmete sich der subjektiven Schmerzwahrnehmung im Allgemeinen und den Möglichkeiten, die zahnärztliche Behandlungssituation im Hinblick auf ein Minimum an Schmerzentstehung zu optimieren. Einen Überblick über Prävalenz, Ursachen und Behandlungsmethoden schmerzempfindlicher Zähne gab Prof. Nicole Arweiler, Marburg. Der Präsident der DGP, Prof. Ullrich Schlagenhauf, Würzburg, legte in einem abschließenden Referat aktuelle klinische Daten zur Interferenz antibakterieller Spüllösungen mit der Ausheilung intraoraler Wunden dar.

Periimplantitis und Oberflächen

In seinen Vortrag „Periimplantitis - a question of surfaces?“ machte Prof. Tord Berglundh aus Göteborg den Zusammenhang zwischen der Oberflächenbeschaffenheit von Implantaten, insbesondere Rauhigkeit und Beschichtung, und der Progression der Periimplantitis klar. Unter dem Titel „Periimplantitis – a clinical challenge“ wies Dr. Jean-Louis Giovannoli, Paris, darauf hin, dass die optimale Reinigung von Implantatoberflächen, unabhängig von der Vorgehensweise, Ziel jeder Behandlung ist. Illustriert durch eine große Zahl eindrucksvoller klinischer Fallbeispiele, machte er aber auch deutlich, dass evidenzbasierte Vorgehensweisen mit vorhersagbaren Ergebnissen noch keineswegs etabliert sind. Zur Reosseointegration, die in tierexperimentellen Studien gezeigt werden kann, fehlen entsprechende Resultate beim Menschen.

Parodont und biomechanischer Stress

Prof. James Deschner und Prof. Andreas Jäger, beide Bonn, referierten über die Einflüsse von kieferorthopädischer Belastung auf den Parodontalzustand sowie die Möglichkeiten von Knochengewinn mittels KFO-Therapie. Prof. Deschner wies darauf hin, dass im Rahmen von In-vitro-Modellen schon geringe biomechanische Kräfte das Ergebnis von regenerativen Verfahren mit EMD negativ beeinflussen können.

Die theoretischen und experimentellen Grundlagen für die mögliche Knochengewinnung durch kieferorthopädische Maßnahmen wurden im Anschluss von Prof. Dr. Dr. Peter Diedrich, Aachen, mit beeindruckenden Fallbeispielen untermauert.

Kieferorthopädin trifft Parodontologen

Der Workshop „Orthodontic treatment of periodontitis patients – rationale and treatment approaches“ von Prof. Mariano Sanz, Parodontologe und seiner Ehefrau Prof. Alvaro Martin, Kieferorthopädin, beide Madrid, erwies sich als Geheimtipp. Basierend auf aktueller Evidenz präsentierte das Team eindrucksvoll die Lösung komplexer Behandlungsfälle unter Ausschöpfung aller modernen Möglichkeiten (Regenerative Parodontalchirurgie, Miniimplantate und mehr) mit dem Ziel eines maximalen Zahnerhalts zur Wiederherstellung von Ästhetik und Funktion.

Dr. Arne Schäfer, Kiel, berichtete, dass bereits vier neue Risikogene entdeckt wurden. Er dankte allen niedergelassenen Kollegen, die bereits zur Rekrutierung von Patienten mit aggressiver Parodontitis beigetragen haben. Nun gelte es, die Funktion dieser neu identifizierten Gene aufzuklären.

Schnittstelle Parodont und Gesamtorganismus

Prof. Bruno Loos, Amsterdam, bezog Stellung zur „Perio-systemic connection“ und machte sehr eindrücklich deutlich, über welche Pathomechanismen die parodontale Infektion kardiovaskuläre Erkrankungen beeinflusst. Er wies ebenfalls auf die Wechselwirkungen zwischen Parodontitis und Diabetes hin und beschrieb anhand einer eigenen aktuell publizierten Meta-Analyse, wie parodontale Therapie den Blutzuckerspiegel bei Diabetes günstig beeinflussen kann. Er schloss seinen Vortrag mit der eindringlichen Aufforderung an alle anwesenden Kollegen: „Treat periodontitis“.

Antimikrobielle Peptide

Privatdozent Henrik Dommisch, Bonn, maß den antimikrobiellen Peptiden als „körpereigenen Antibiotika“ eine wichtige Rolle bei der Parodontitis zu und arbeitete ihr großes Potenzial für zukünftige therapeutische Anwendung heraus. Prof. Benjamin Ehmke aus Münster berichtete über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum adjunktiven Nutzen systemischer Antibiotika. Weiterführende aktuelle Ergebnisse zu diesem „Dauerbrenner“ werden aus einer groß angelegten multizentrischen Studie erwartet, die demnächst abgeschlossen wird.

Regeneration statt Extraktion

Parallel zum wissenschaftlichen Hauptprogramm stellte Dr. Frank Bröseler, Aachen, im Straumann-Symposium am Beispiel seines Praxiskonzepts den Therapieerfolg regenerativer Parodontalchirurgie vor. Anhand eines Leitschemas präsentierte er eine interdisziplinär strukturierte Therapie, die sowohl Parodontologie als auch Kieferorthopädie und restaurative Schwerpunkte umfasst. Im Anschluss berichtete Dr. Mario Roccuzzo, Turin, über regenerative Techniken zum Erhalt von Funktion und Ästhetik. Er machte sich dafür stark, Zähne so lange wie möglich zu erhalten und zeigte, geleitet von zahn- und patientenbezogenen Risikofaktoren, Therapiepfade dafür auf. Kritisch betrachtete er das Regenerationspotenzial von furkationsbefallenen Molaren.

Fazit

Wenn man bedenkt, dass die Ressourcen für die deutschen Universitäten seit Jahren stetig schrumpfen und dennoch durch Verwaltungsgerichte zunehmend Studenten für den Studiengang Zahnmedizin zugelassen werden, ist es erstaunlich und bemerkenswert, wie viel exzellente Forschung die Parodontologen vorzuweisen haben. Kaum vorstellbar, was die Parodontologie in Deutschland leisten könnte, wenn sie an jeder Universitätszahnklinik angemessen repräsentiert wäre. Die Gemeinschaftstagung stellte die Bedeutung des Fachs Parodontologie in der Zahnmedizin eindruckvoll dar und schlug eine Brücke von aktuellen Forschungsergebnissen zur täglichen klinischen Praxis. Unterstrichen wurde dieses auch durch ein umfangreiches Mitarbeiterinnenprogramm, das auf der Tagung großen Zuspruch erfuhr.

ZÄ Milena HoppZA Hendrik SchulzeDr. Martin HagnerPoliklinik für Parodontologieund ZahnerhaltungZentrum fürZahn-, Mund- und KieferheilkundeWelschnonnenstr. 1753111 Bonneickholz@med.uni-frankfurt.de

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