Berufsausübungsgemeinschaft

Freie Mitarbeiter können teuer werden

sg
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem neuen Urteil entschieden, dass die KZV in großem Umfang Honorar zurück fordern kann, wenn einer der Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft in Wirklichkeit ein Angestellter ist. Die Praxisverträge sollten umgehend geprüft werden.

Das BSG hat in einem Urteil eine Honorarrückforderung einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gegen einen Radiologen in Höhe von 880 578,27 Euro bestätigt. Die darin vertretene Rechtsauffassung ist ohne Weiteres auf Vertragszahnärzte übertragbar. Im konkreten Falle ging es darum, dass der Radiologe mit einem anderen Arzt einen „Kooperationsvertrag“ schloss, nach dem dieser als „freier Mitarbeiter“ der „Gemeinschaftspraxis“ tätig werden solle. Nach beiderseits befriedigendem Ablauf einer Probezeit sollte er „partnerschaftlich eingebunden werden, und zwar bei Herstellung paritätischer Gesellschaftsanteile“. Außerdem wurde unter anderem ein Festgehalt vereinbart. In der Präambel wurde bestimmt, dass ein „gegebenenfalls dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag“ zwischen den Vertragsparteien keine eigene Rechtswirkung entfalten solle, und schließlich, dass der freie Mitarbeiter bei seinem Ausscheiden seinen Vertragsarztsitz unentgeltlich zu übertragen habe. Es kam nie zu dessen Einbindung nach einer Probezeit.

Im streitgegenständlichen Zeitraum rechnete die so genannte Gemeinschaftspraxis Honorarzahlungen in Höhe von über zwei Millionen Euro ab. Nach einiger Zeit hob die KV für diesen Zeitraum die Honorarbescheide auf und setzte das Honorar im Wege der Schätzung unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnittes neu fest und forderte Honorar in Höhe von 880 578,27 Euro zurück, da die beiden Ärzte die Genehmigung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung durch vorsätzlich falsche Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt hätten. Die dagegen von dem Radiologen erhobene Klage wies das BSG in letzter Instanz zurück, das heißt die Honorarrückforderung muss geleistet werden.

Scheinpartnerschaft

Das BSG stellte zwar fest, dass die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis nicht rückwirkend zu beseitigen ist. Jedoch sei die KV auch dann zur sachlichrechnerischen Richtigstellung und damit zu Honorarrückforderungen berechtigt, wenn „der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat.“ Mit anderen Worten: Selbst Leistungen, die indiziert waren und korrekt erbracht und an sich richtig abgerechnet wurden, können unhonoriert bleiben, wenn eine so genannte Scheinpartnerschaft betrieben wird und ein Teil der Leistungen von einem Arzt erbracht wurde, der faktisch nicht selbstständiger Partner sondern Angestellter ist. Eine solche Honorarrückforderung könne neben Disziplinarmaßnahmen oder einer Zulassungsentziehung vorgenommen werden.

Das BSG führt aus, aus welchen Gründen der weitere Arzt im konkreten Falle Angestellter des Radiologen und nicht selbstständig war.

• Das Vertragsarztrecht kenne den Begriff des freien Mitarbeiters nicht, es gebe nur Selbstständige und Angestellte.

• Der weitere Arzt bezog ein Festgehalt, er trug also kein wirtschaftliches Risiko und war nicht am Erfolg der Praxis beteiligt.

• Die Praxis und deren Ausstattung wurden von einem anderen zur Verfügung gestellt, der sich erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Praxisausstattung und den Praxisbetrieb vorbehält.

• Der weitere Arzt habe keine Chance auf Verwertung des von ihm mit erarbeiteten Praxiswertes, da er diesen unentgeltlich zu übertragen hatte.

Da also der weitere Arzt nicht selbstständig „in freier Praxis“ tätig war, hätten die Voraussetzungen einer Gemeinschaftspraxis zur Zeit der Leistungserbringung nicht vorgelegen, deshalb sei eine sachlichrechnerische Richtigstellung mit der Folge einer Honorarrückforderung rechtmäßig. Zwar war die vierjährige Ausschlussfrist teilweise überschritten, jedoch habe der Radiologe „grob fahrlässig“ gehandelt, deshalb sei die Honorarrückforderung auch nach Ablauf dieser Frist möglich.

Es soll an dieser Stelle offen bleiben, ob das Urteil des BSG überzeugend ist. Hiergegen spricht, dass zahlreiche indizierte und korrekt erbrachte Leistungen unhonoriert bleiben und nicht nur die Leistungen des Scheinselbstständigen sondern auch die des unzweifelhaft selbstständigen Radiologen teilweise gekürzt wurden.

Nur noch Angestellte oder selbstständige Partner

Worauf muss also geachtet werden, um ein solches Desaster zu vermeiden? Zunächst sollten sich alle Vertragszahnärzte endgültig vom Begriff des „freien Mitarbeiters“ verabschieden. Sie können andere Zahnärzte nur als selbstständige Partner oder als Angestellte aufnehmen. In beiden Fällen müssen sie die Konsequenzen tragen: Ein Selbstständiger hat gleiche Rechte bei der Führung der Praxis, ein Angestellter kann alle Rechte des Arbeitsrechts für sich in Anspruch nehmen. Wenn der andere Zahnarzt selbstständig sein soll, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

• Er muss gleichberechtigt sein. Das bedeutet unter anderem, dass er gleichberechtigt an Entscheidungen über Praxisorganisation, Praxisablauf und Arbeitszeiten beteiligt sein muss.

• Er muss das volle wirtschaftliche Risiko, also auch einen eventuellen Verlust, tragen. Damit verträgt sich kein Festgehalt, auch nicht, wenn es als „Tätigkeitshonorar“ oder „Gewinnentnahme“ bezeichnet wird.

• Er darf nach einer Probezeit von höchstens drei Jahren nicht gekündigt werden können.

• Er muss spätestens nach drei Jahren am immateriellen Wert beteiligt und im Falle seines Ausscheidens entsprechend abgefunden werden.

Das BSG hat in dem Urteil allerdings bestätigt, dass der andere Arzt nicht unbedingt am materiellen Vermögen der Gemeinschaftspraxis beteiligt sein muss. So könne zum Beispiel ein alteingesessener Arzt einen jungen Arzt, „der in fernerer Zukunft die Praxis übernehmen soll“, aufnehmen und mit diesem eine Gemeinschaftspraxis bilden, in der die gesamte Praxisausstattung dem alteingesessenen Arzt gehört.

Es kann nur jedem Vertragszahnarzt, der mit einem anderen Zahnarzt eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) bildet, dringend geraten werden, den Praxisvertrag umgehend von einem spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Wenn nämlich tatsächlich eine Scheinpartnerschaft vorliegt, drohen schwere Sanktionen: Honorarkürzungen, wie im geschilderten Fall, Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Ruhen der Zulassung, Zulassungsentziehung oder Strafverfahren.

BSGUrteil vom 23. Juni 2010Az.: B 6 KA 7/09 R

Dr. med. dent. Wieland SchinnenburgFachanwalt für MedizinrechtLerchenfeld 322081 Hamburg

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