Gerinnungsstörung

Ungewollt kinderlos durch Faktor-XIII-Mangel

Die Bedeutung eines Faktor-XIII-Mangels wird weithin noch unterschätzt. Zwar ist die schwere Verlaufsform selten, vergleichsweise häufig aber ist der milde Mangel des Gerinnungsfaktors. Hinweisend darauf ist eine erhöhte Blutungsneigung nach Zahnextraktionen und leichteren Verletzungen – möglicherweise aber auch eine ungewollte Kinderlosigkeit. Denn der Faktor XIII ist unter anderem für den Erhalt der Schwangerschaft verantwortlich.

Ein Faktor-XIII-Mangel wird häufig nur zufällig entdeckt und das nicht selten durch den Zahnarzt: Denn die Gerinnungsstörung manifestiert sich bei der leichten Krankheitsform oft nur in Form einer allgemein erhöhten Blutungsneigung, die sich zum Teil lediglich durch vermehrte Nachblutungen nach operativen Eingriffen oder Zahnextraktionen klinisch manifestiert. Das Bewusstsein dafür, dass es sich bei einem solchen Phänomen um eine Gerinnungsstörung handelt, die möglicherweise auch in anderen Lebensbereichen weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen hat, ist nach Prof. Johannes Oldenburg aus Bonn noch zu wenig ausgeprägt. „Es gibt zudem noch viele ungeklärte Aspekte hinsichtlich des Faktor-XIII-Mangels“, mahnte der Mediziner beim Welthämophilietag.

Zu selten diagnostiziert

Das dürfte aus seiner Sicht ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die Diagnoserate noch gering ist: „Es wird immer noch die Meinung vertreten, eine Faktor-XIIIAktivität von zehn Prozent sei ausreichend“, betonte Oldenburg. Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten widersprechen dem jedoch: So ist neuen Erkenntnissen zufolge bereits ein Defekt in einer der vier Untereinheiten des Gerinnungsfaktors ausreichend, um die Funktion des Gesamtkomplexes zu beeinträchtigen.

Erhebliche Gesundheitsstörungen können die Folge sein – von Wundheilungsstörungen über eine überstarke Narbenbildung bei Verletzungen und operativen Eingriffen bis hin zur ungewollten Kinderlosigkeit. Denn der Faktor XIII hat verschiedene biologische Funktionen: „Er fördert die Wundheilung und ist mitentscheidend für den Erhalt der Schwangerschaft. Außerdem moduliert der Faktor XIII Entzündungsreaktionen sowie die endotheliale Permeabilität und spielt auch eine Rolle bei der Zelladhäsion, der Zellproliferation und der angiogenen Aktivität“, berichtete Oldenburg bei einem Pressegespräch in Bonn.

Das letzte Glied in der Gerinnungskaskade

Der Faktor XIII ist dabei das letzte Glied in der Kette der Gerinnungskaskade. Er katalysiert nach der Aktivierung durch Thrombin und Kalziumionen die Bildung kovalenter Peptidbindungen im Gerinnsel und sorgt damit dafür, dass diese Vernetzungen stabilisiert werden, das Gerinnsel also richtig fest wird. Fehlt der Fibrin-stabilisierende Gerinnungsfaktor, so resultiert daraus ein erhöhtes Blutungsrisiko, das direkt mit der Ausprägung des Mangels korreliert.

Dieser kann angeboren oder auch erworben sein, wobei zwei Krankheitsformen unterschieden werden: Bei der schweren homozygoten Erkrankung handelt es sich um eine seltene, weltweit verbreitete, autosomalrezessiv vererbte Gerinnungsstörung, die durch eine Faktor-XIII-Aktivität unter fünf Prozent charakterisiert ist. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen, wobei die Rate hierzulande insgesamt auf 1:4 Millionen geschätzt wird, was etwa 20 Patienten in Deutschland entspricht. Häufiger ist die Inzidenz nach Oldenburg in Ländern, in denen Ehen zwischen Blutsverwandten häufig sind und auch bei Palästinensern, bei denen die Prävalenz einer Leu6660Pro-Mutation überproportional hoch ist.

Ganz anders sieht das beim leichten Faktor-XIII-Mangel aus, wobei Oldenburg die Rate der heterozygoten Merkmalsträger auf rund 1:1 000 bezifferte. „Damit dürften etwa 80 000 Menschen hierzulande betroffen sein, sodass es sich doch um eine vergleichsweise häufige Gerinnungsstörung handelt“, sagte der Mediziner in Bonn.

Als erstes klinisches Anzeichen eines kongenitalen Faktor-XIII-Mangels nannte er Nabelschnurblutungen oder Blutungen nach der Beschneidung eines Neugeborenen. Es besteht dabei lebenslang ein erhöhtes Risiko für schwere Hämatome, Muskelhämatome, Hämarthrosen und intrakranielle Blutungen sowie eine erhöhte Blutungsneigung bei operativen Eingriffen und Traumata. Denn die Gerinnselbildung beginnt zwar völlig normal und die Blutung wird zunächst gestillt, aufgrund der fehlenden Faktor-XIIIAktivität aber bleibt die Fibrinvernetzung unzureichend. Die Folge: Das Gerinnsel hat nicht genügend Festigkeit und Beständigkeit gegenüber der Fibrinolyse, was typischerweise zu einer Nachblutung rund zwölf bis 48 Stunden nach dem Trauma führt.

Behandlung bald mit rekombinantem Faktor XIII

Behandelt wird der Faktor-XIII-Mangel üblicherweise bedarfsentsprechend im Falle einer akuten Blutung, bei chirurgischen oder zahnchirurgischen Eingriffen und beim Kinderwunsch oder bei einer Schwangerschaft. Es erfolgt eine Substitutionstherapie mit Faktor-XIII-Konzentrat, das inzwischen über Hefezellen auch gentechnisch hergestellt werden kann. „Ein erstes rekombinantes Präparat wird derzeit im Rahmen einer Phase-III-Studie klinisch geprüft“, sagte Oldenburg. In schweren Fällen rät er außerdem zu einer prophylaktischen Behandlung, nicht zuletzt, um das Risiko intrakranieller Blutungen zu minimieren. Der Faktor XIII hat dabei eine mit sieben bis zehn Tagen lange Halbwertszeit, was Dosierungsintervalle von vier Wochen erlaubt.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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