Leitartikel

Der Wert der Werte

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Zahnärzteschaft ist ein homogener Berufsstand, der fest auf dem Boden der Freiberuflichkeit verwurzelt ist und flexibel und sensibel auf neue Herausforderungen reagiert. Dies belegt nicht zuletzt mit harten Fakten die aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) über Anforderungen, Bewertungen und Entwicklungspotenziale zahnärztlicher Berufsausübung in Deutschland (ANFO-Z), die gerade publiziert wurde (mehr dazu Seite 18 ff.). Der Zahnarzt steht im Zentrum sozialer, politischer, ökonomischer und kultureller Konflikte – und stellt sich den Veränderungen auch aktiv. Diese Veränderungen des zahnärztlichen Berufsbildes sind bedingt durch neue Berufsausübungsformen, Qualitätsförderung, Evidence Based Dentistry, den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, veränderte Versorgungsbedarfe und Erwartungshaltungen von Patienten, aber auch durch die Feminisierung sowie weitere Diversifizierungen des Berufsstandes. Diese Tendenzen werfen Fragen auf, die nicht nur die reine Wissenschaft interessieren. Vielmehr ist hier die Standespolitik gefordert, ihre berufspolitischen Standpunkte neu zu überdenken, – wenn nötig – zu justieren und den aktuellen Erfordernissen anzupassen.

Die Wettbewerbssituation wird von den Kollegen immer stärker wahrgenommen. Sie reagieren beispielsweise mit geänderten Öffnungszeiten, Werbung oder flexiblen Preisgestaltungen. Sie bilden Arbeitsschwerpunkte oder gründen neue Praxisformen, um sich gegenüber anderen Kollegen zu positionieren. Oder sie gehen ins Angestelltenverhältnis statt in die freie Niederlassung.

Das alles birgt zwar Chancen und ebnet neue Wege, aber es deckt auch Risiken auf. Eine große Gefahr liegt in der Deprofessionalisierung des Berufsstandes und der Aufsplittung der Homogenität. Unsere Berufsgruppe hat eine große Stärke, das ist unsere Freiberuflichkeit. Das heißt unabhängiges und eigenverantwortliches Handeln, das am Gemeinwohl orientiert ist. Brechen diese Faktoren auf, so werden wir gegenüber der Politik angreifbar. Dann bewegen wir uns in Richtung Vergewerblichung und wirtschaftlicher Beteiligungsmodelle. Mehr Wettbewerb bewirkt auch, dass die Grenzen hin zu Wellness, Kosmetik und zum Preisdumping aufbrechen können. Und je mehr sich das Fachgebiet diversifiziert, umso größere Unsicherheiten entstehen beim Patienten hinsichtlich der fachlichen Autorität des Zahnarztes in seinem medizinischen Selbstverständnis. Wir lassen auf diese Weise immer mehr Wasser auf die Mühlen derjenigen fließen, die versuchen, uns mit Selektivverträgen zu ködern und auseinanderzudividieren.

Da hilft nur eines: rechtzeitig gegenzusteuern und sich auf unsere ethischen Grundwerte zu besinnen. Und zwar nicht völlig losgelöst mit theoretischen Diskussionen im Elfenbeinturm, sondern ganz konkret heruntergebrochen auf den Versorgungsalltag. Das sollte zum einen „top down“ erfolgen: indem wir beispielsweise eine Wertediskussion führen, uns mit einem ethischen Code in den gesellschaftlichen Diskurs mit einbringen. Dazu gehört ferner die Definition des Rollenverständnisses als Freier Beruf und dessen Umsetzung im Berufsalltag, aber auch die wissenschaftliche Begleitung unseres Tuns durch Versorgungsforschung. Gleichzeitig sollte die Diskussion auch aus dem Berufsstand selbst heraus („bottom up“) geführt werden: mittels basisdemokratischer Diskussionsplattformen, Qualitätszirkelarbeit, gezielter Fortbildung oder auch Öffentlichkeitsarbeit.

Wir Kammern werden mit geballter Kraft weiter daran arbeiten, auf Basis der Freiberuflichkeit eine einheitliche Professionsauffassung zu gestalten und diese auch mit Leben zu erfüllen. Der einzelne Zahnarzt muss sich mit dem Gesamtbild des Berufsstandes identifizieren können, nicht nur um des eigenen Erfolges willen, sondern im Sinne einer positiven öffentlichen Wahrnehmung der gesamten Zahnärzteschaft in der Gesellschaft.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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