Erneuerbare Energien

Neue Chancen für die Wende

Die Katastrophe von Fukushima wird die Energiepolitik in Deutschland gewaltig verändern. Kernkraft ist out und die Erneuerbaren Energien rücken wieder in den Vordergrund. Umweltbewusste Anleger wittern jetzt große Chancen. Sie setzen vor allem auf Solarstrom und Windkraft. Doch sollten sie dabei die Risiken nicht aus den Augen verlieren.

Der Schock sitzt tief. Der GAU von Fukushima rückte die Unwägbarkeiten der Kernkraft wieder in den Vordergrund. Die Wahlergebnisse von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zwingen die Regierung in Berlin zum Umdenken. Die Bürger sind nicht mehr gewillt, die Risiken der Kernkraft zu tragen. Strom aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse bekommt eine neue Chance und zumindest den älteren Kernkraftwerken droht die endgültige Abschaltung am Ende des dreimonatigen Moratoriums, währenddessen die Regierung ihre Energiepolitik neu überdenken will.

Rein theoretisch ist der Ausstieg aus der Atomkraft während der kommenden 20 Jahre möglich. „Bis 2020 können die Erneuerbaren Energien bereits 47 Prozent der deutschen Stromversorgung sichern“, so der Bundesverband Erneuerbare Energien als Reaktion auf den GAU in Japan. Auch die jetzige Abschaltung der sieben alten Meiler erfordert keine Einsparungen beim Stromverbrauch, im Gegenteil: Deutschland exportiert weiterhin Strom.

Mithilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes rückten die Deutschen weltweit an die Spitze der Umwelttechnologie. Die großzügige Förderung von Solarstrom machte Unternehmen wie Solarworld zu absoluten Börsenlieblingen. Windräder des dänischen Herstellers Vestas drehen sich auf den Höhen der Eifel und an und vor den Küsten der Nordsee. In 2010 ist der Anteil der Erneuerbaren Energien an der deutschen Stromversorgung auf 17 Prozent gestiegen – so die Rechnung des Bundesumweltministeriums. Die Statistiker meldeten, dass der Anteil der Windenergie mit sechs Prozent am höchsten war, die Photovoltaik lag bei zwei Prozent. Der Einsatz der umweltfreundlichen Techniken verhinderte, dass 120 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangten. Dazu benötigten die Unternehmen rund 26 Milliarden Euro im vergangenen Jahr und den Arbeitseinsatz von 370 000 Beschäftigten – mehr als doppelt so viele wie 2004 (rund 160 500 Beschäftigte).

Die umweltfreundlichen Techniken erlebten einen Auftrieb – vor allem solange er politisch gewollt war und mit vielen Subventionen gefördert wurde. Doch die Regierung unter Angela Merkel wollte sparen und gab den Forderungen der vier großen Stromerzeuger nach. Die Laufzeit der Kernkraftwerke wurde verlängert, die Subventionen vor allem für Solarenergie gekürzt. Jetzt soll sich alles wieder ändern. Denn Öl dürfte in naher Zukunft unbezahlbar werden. So ergab die Studie des auf nachhaltige Geldanlage spezialisierten, schweizerischen Bankhauses Sarasin in Basel, dass der Ölpreis zwischen 1890 und 1970 im Schnitt bei 14 Dollar je Barrel lag. Bis 2020 – so schätzen Experten – dürfte er auf 200 Dollar steigen. „Schon heute“, so die Studie, „liegen die Fördervollkosten für manche neue Erdölvorkommen bei 140 Dollar je Barrel.“ Mit anderen Worten: Öl wird so teuer, dass die Erneuerbaren Energien in absehbarer Zeit konkurrenzfähig werden. So ist die Lage:

Solarenergie

Die Photovoltaik-Industrie sieht sich zurzeit mit großen Unsicherheiten konfrontiert. So steht die Subventionierung zum Beispiel in Italien, Tschechien, Frankreich und Italien in der Diskussion, in Deutschland wurde sie bereits gesenkt. Besonders im vergangenen Jahr erlebte die Branche einen Boom, wollten doch möglichst viele Hausbesitzer noch schnell an der großzügigen Förderung teilhaben, bevor sie gekappt wurde. In diesem Jahr werden die Umsätze wohl nicht mehr so üppig ausfallen. Die Billigproduktionen aus China dämpfen die Nachfrage und sorgen für niedrigere Preise. Die Gewinner heißen dort Yingli Green Energy oder Trina Solar. Sie sorgen allerdings auf der anderen Seite dafür, dass Solarenergie der Wettbewerbsfähigkeit näher rückt. Die Sarasin-Studie geht davon aus, dass dieses Ziel in Italien und Kalifornien bereits in diesem oder im nächsten Jahr erreicht werden kann. Dr. Mathias Fawer, Analyst für Erneuerbare Energien bei Sarasin, erklärt: „In diesen Ländern gleichen sich Produktion und Verbrauch aus.“

Als Beispiel führt er den Gebrauch von Klimaanlagen an. Wenn der meiste Strom produziert wird, nämlich um die Mittagszeit, ist der Verbrauch dank der Klimaanlagen am höchsten. Diesen Idealfall gibt es hier nicht. Das Problem bei der Solarenergie in Ländern wie Deutschland ist, dass sie an vielen Stellen in kleinen Mengen produziert, aber nicht verbraucht wird. Sie müssen ins Netz eingespeist werden. Das treibt die Kosten. Mit sinnvollen sogenannten Insellösungen wartet Solarworld auf. Dabei wird der produzierte Strom gespeichert und kann zum Verbrauch abgerufen werden. Eine Lösung, die sich besonders für den Einsatz in wenig erschlossenen Gebieten lohnt. Das Unternehmen konnte seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 29 Prozent steigern.

Windenergie

Die Zukunft der Windenergie liegt offshore. Nur vor der Küste lassen sich Windparks in Größenordnungen realisieren, wie sie für eine ausreichende Stromversorgung nötig sind. Offshoreparks gehören zu den Lieblingskindern der großen Stromerzeuger. Das gilt zumindest für Deutschland. In China gehört die Windkraft zu den attraktivsten Alternativen herkömmlicher Energie. Dort profitieren Unternehmen wie Goldwind, Sinovel oder Dongfang. In den USA zeigt die Windenergie ein solides Wachstum. Vor allem die unabhängigen Stromversorger treiben diese Technik voran.

In Deutschland bremst vor allem die schlechte Ausstattung mit Stromnetzen das Wachstum bei der Windenergie. Der Strom wird im Norden des Landes produziert. Die größten Verbraucher aber sitzen weit entfernt im Westen und im Süden der Republik. Die dringend benötigte Stromautobahn gibt es nicht. Denn Bürgerinitiativen verhindern häufig den Bau oberirdischer Leitungen, die unterirdische Verlegung aber ist dreimal so teuer. Darüber hinaus erfordern die Erneuerbaren Energien den Einsatz von großen Speicherkapazitäten, die bislang nur rudimentär oder gar nicht zur Verfügung stehen.

Dazu benötigt man Pumpspeicherkraftwerke mit zwei Stauseebecken in unterschiedlicher Höhe. Der überzählige Ökostrom treibt die Pumpen an, die das Wasser nach oben hieven. Wird der Strom benötigt, läuft das Wasser über Turbinen wieder nach unten und erzeugt wiederum den geforderten Strom. Doch bislang befinden sich nur zwei dieser Kraftwerke im Bau – allerdings ebenfalls von Bürgerinitiativen bekämpft. Einen Ausweg aus dieser Situation bieten die Norweger an. Führend in Speichertechnik ist das norwegische Unternehmen NorGer KS. Es wollte Deutschland und Norwegen mit einer Stromautobahn verbinden. So könnte deutscher Strom in Norwegen gespeichert und wieder eingespeist werden. Bislang verhindert das Wirtschaftsministerium eine Änderung der entsprechenden Verordnung.

Biomasse

Neben den Hauptenergiequellen Wind und Sonne steht auch die Biomasse in der Diskussion für Kraftwerke und als Treibstoff. Ein Stichwort heißt E 10. Der von deutschen Autofahrern abgelehnte Kraftstoff beinhaltet zehn Prozent Biosprit. Die meisten Deutschen lehnen ihn ab, weil sie um ihr Auto fürchten. Schwerwiegender sind die begrenzte Verfügbarkeit der Anbauflächen und der zweifelhafte ökonomische Nutzen. Landwirtschaftliche Anbauflächen, die bisher der Nahrungsmittelproduktion dienten, müssen für die Spritherstellung umgewidmet werden. Mehr Aussichten auf Erfolg dürfte laut der Sarasin-Studie die zweite Generation der Biokraftstoffe haben: „Um mit Zellulose-Ethanol im Jahr 2030 rund zehn Prozent des Kraftstoffverbrauchs zu decken, genügt ein Viertel der land- und forstwirtschaftlichen Abfälle. Allerdings erfordert dieses Ziel effizientere Prozesse. Neben Zellulose räumen die Experten auch der Kraftstoffproduktion aus Algen große Chancen ein.

Eigentlich verwundert es, dass Meerwasser als Energierohstoff nicht mehr genutzt wird. Die Stromproduktion mithilfe von Gezeitenkraftwerken scheint derzeit noch zu teuer. Das britische Beratungsinstitut Carbon Trust schätzt, dass Gezeitenenergie rund 0,18 Euro pro Kilowattstunde kosten würde, Offshorewindenergie liegt bei elf Cent und Energie aus Meereswellen würde bei 30 Cent liegen. Derzeit sind in Großbritannien circa fünf Meereskraftwerke in Betrieb. Wie überall hängt die Weiterentwicklung auch vom politischen Willen und der finanziellen Unterstützung ab.

Umdenken erforderlich

Um einen schnelleren Umstieg auf Erneuerbare Energien zu erreichen, muss ein Umdenken stattfinden. Sich auf ein oder zwei Energiequellen mithilfe von Subventionen zu konzentrieren, reicht es nicht aus, um den 23-prozentigen Anteil der Atomenergie zu ersetzen. Dazu Vanyo Walter, Mitglied der Geschäftsleitung von Pictet Deutschland: „Um den Ausfall atomarer Energieträger aufzufangen, müsste die installierte Kapazität für Erneuerbare Energien unmittelbar mehr als verdoppelt werden. Der wahre Gewinner der aktuellen Entwicklungen wird Erdgas sein. Dieser Brennstoff ist günstig und flächendeckend verfügbar und setzt nur 50 Prozent des CO2-Anteils von Kohle und Erdöl frei.“

Allerdings handelt es sich auch dabei um einen importabhängigen Energieträger, dessen Preis an den von Öl gekoppelt ist. Gaskraftwerke werden wohl bis auf Weiteres zu einem Mix aus verschiedenen umweltfreundlicheren Energiequellen gehören. Dr. Mechthild Upgang, Spezialistin für nachhaltige Geldanlage in Bonn und Autorin des Ratgebers „Gewinn mit Sinn“, hält sich an eine einfache Formel: „Am Ende wird sich immer das durchsetzen, was ökonomisch sinnvoll ist.“ Ihrer Meinung nach muss man den Begriff der Erneuerbaren Energien weiter fassen. Dazu gehören unter anderem die Erweiterung der Speicherkapazitäten, ohne die Erneuerbare Energien nicht auskommen, sowie der Ausbau der Stromnetze.

Anlage mit Risiken

Fukushima und der Auftrieb der Grünen werden den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben – an manchen Orten auch gegen den Bürgerwillen. Daran gibt es keinen Zweifel. Für Anleger könnte der Einstieg jetzt zu früh sein. Upgang hält die Erneuerbaren Energien als Geldanlage für problematisch, weil sie mit zu vielen Unsicherheiten verbunden und die involvierten Unternehmen bei ihren Entscheidungen zu abhängig von politischen Entscheidungen sind. Fawer schränkt ebenfalls seine Empfehlung ein: „Es ist riskant, sich auf ein Thema festzulegen. Aber jetzt haben wir eine neue globale Situation, es gibt Rückenwind für die Erneuerbaren Energien. Dennoch: Anleger sollten diversifizieren.“

Wer in die Erneuerbaren Energien investieren will, muss sich des großen Risikos bewusst sein. Vor allem vor geschlossenen Fonds, wie sie häufig für Wind- und Solarprojekte angeboten werden, warnt Beraterin Upgang. Damit lässt sich der Anleger auf ein unternehmerisches Wagnis ein, das er so gut wie gar nicht kontrollieren kann. Aktienfonds, die in diese Techniken investieren, erlauben dem Anleger zwar jederzeit den Ein- oder Ausstieg aus dem Investment. Doch erfordert auch ein solches Engagement dauerhafte Beobachtung. Dazu Vanyo Walter über den hauseigenen Fonds Pictet Clean Energy Fund: „Damit haben die Anleger globalen Zugriff auf börsennotierte Unternehmen aus den Bereichen CO2-freie Energiegewinnung, CO2  arme Energieerzeugung und Energieeffizienz mit langfristigen Perspektiven. Der Anleger muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass er in Aktien investiert, die naturgemäß hohen Schwankungsbreiten unterworfen sind.“ Das gilt auch für die Fonds der anderen Anbieter wie wie SAM (Sustainable Asset Management, SAM Smart Energy Fund) oder Sarasin (Sarasin New Power Fund).

Investoren zögern

Allgemein halten sich die Investoren derzeit zurück. Ein Vergleich des Nachhaltigkeitsspezialisten Ecoreporter zeigt, dass die in Deutschland zugelassenen Erneuerbaren-Energien-Fonds trotz Atomkatastrophe bei weitem nicht so stark zugelegt haben wie erwartet. Am besten entwickelt hat sich im Februar der DnB NOR Eco Absolute Return, ein Fonds des norwegischen Finanzdienstleisters DnB NOR Asset Management. Der Fonds investiert weltweit breit gestreut in Unternehmen, die sich mit Erneuerbaren Energien beschäftigen. Dazu gehören der Ökostromprojektierer Iberdrola Renovables (Spanien) oder der Solarausrüster GT Solar. 38 Prozent des Kapitals ist in den USA investiert, 14 Prozent in China. Geeignet ist eine Anlage in diese Fonds nur für Überzeugungstäter. Wer Geld in nachhaltige Anlagen stecken will, sollte sich auf einen kleinen Teil seines Vermögens beschränken und diesen in Nachhaltigkeitsfonds investieren, die möglichst breit investieren.

Marlene EndruweitWirtschaftsjournalistinm.endruweit@netcologne.de

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