Interview zum GOZ-Entwurf

Novelle light

Der GOZ-Referentenentwurf liegt vor – jetzt geht es an die interne standespolitische Bewertung. Der Präsident der BZÄK, Dr. Peter Engel, und der Vorsitzende des BZÄK-Senats für privates Gebührenrecht, Dr. K. Ulrich Rubehn, geben erste Einschätzungen ab. Sie skizzieren im zm-Interview die Knackpunkte der Novelle und erläutern, worauf sich die Kollegenschaft einstellen sollte.

zm: Herr Dr. Engel, wie beurteilen Sie den vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Referentenentwurf?

Dr. Engel:Zunächst halten wir es für positiv, dass das BMG auf die Öffnungsklausel verzichtet. Damit wird einer unserer wichtigsten Forderungen Rechnung getragen. Ansonsten aber macht sich bei uns Enttäuschung breit: Die Novelle orientiert sich viel zu wenig am wissenschaftlichen Fortschritt und am heutigen Stand der Zahnheilkunde, und nach 23 Jahren Nullrunde werden die Kostenentwicklungen der letzten Jahre schlichtweg unter den Teppich gekehrt. Eine gerade einmal sechsprozentige Anhebung ist für uns betriebswirtschaftlich nicht akzeptabel.

zm: Herr Dr. Rubehn, ein Blick auf die fachliche Seite: Schwarz-Gelb hatte seinerzeit im Koalitionsvertrag das Ziel vereinbart, eine GOZ-Novellierung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft umzusetzen. Ist das nun gelungen?

Dr. Rubehn:Mitnichten. Wir können allenfalls von einer „Novelle light“ sprechen. Die Zahnärzteschaft hatte dem Ministerium damals die Honorarordnung der Zahnärzte (HOZ) vorgelegt, die den aktuellen Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft abbildet und nach betriebswirtschaftlichen Grundlagen durchkalkuliert ist. Das BMG sah sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die HOZ in ihrer Gesamtheit umzusetzen. Jetzt haben wir eine Light- Version, die lediglich die wesentlichen Problemfälle aufgreift. Von einer durchgreifenden Reform sind wir noch weit entfernt, hier wird die BZÄK weiterhin kämpfen müssen.

zm: Warum misst die BZÄK dem Verhindern der Öffnungsklausel einen so hohen Stellenwert zu, Herr Dr. Engel?

Dr. Engel:Weil damit Schlimmes für den Berufsstand und auch für die Patienten verhindert wird. Die Klausel begünstigt Selektivverträge, die das Recht auf freie Arztwahl einschränken. Fairer Wettbewerb wird verhindert, stattdessen wären ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen Zahnärzten und ein immenser Kostendruck die Folge. Die Qualität der Behandlung würde beeinträchtigt, außerdem würden Konzentrationsprozesse die flächendeckende zahnmedizinische Versorgung gefährden. Last, but not least würde sich die Marktmacht einseitig zulasten der PKV verschieben.

zm: Aber die Verträge werden doch freiwillig geschlossen – kein Kollege ist gezwungen, Knebelverträge mit der PKV abzuschließen. Warum halten Sie die Klausel trotzdem für so gefährlich?

Dr. Engel:Weil sie die Qualität der Leistung in Gefahr bringt – so etwas passiert immer dann, wenn die Leistung unter Wert angeboten wird. Gebührenordnungen sollen sicherstellen, dass die Leistungsqualität gegenüber dem Patienten auch erbracht werden kann, sie bringen Schutz vor Preisund Qualitätsdumping. Wenn man jedoch meint, die Risiken der Öffnungsklausel durch höhere Honorare ausgleichen zu wollen, so macht man eine Milchmädchenrechnung auf: Die Klausel lässt im Kern die Zahnärzte nur um den günstigsten Preis, nicht aber um die Qualität der Leistung konkurrieren.

Gebührenordnungen sollen sicherstellen, dass die Leistungsqualität gegenüber dem Patienten auch erbracht werden kann, sie bringen Schutz vor Preis- und Qualitätsdumping.Dr. Peter Engel

Es ist auch müßig, zu spekulieren, dass das BMG möglicherweise zu einem größeren Honorarzuwachs bereit gewesen wäre, wenn die Zahnärzteschaft die Öffnungsklausel akzeptiert hätte. Solche Überlegungen gab es nicht. Ich kann übrigens nur eindringlich unterstreichen, dass ein Mehr an Honorar die Nachteile einer Öffnungsklausel nicht aufwiegen kann. Das zeigt sich jetzt schon in anderen Bereichen. So haben beispielsweise die Rechtsanwälte seit 2004 eine der Öffnungsklausel vergleichbare Regelung, die sogenannten „Vergütungsvereinbarungen“ mit bestimmten Rechtsschutzversicherungen. Die Anwälte kämpfen inzwischen mit Honorareinbußen von bis zu 60 Prozent und die Bundesrechtsanwaltskammer warnt die Berufsangehörigen vehement vor solchen Klauseln.

zm: Herr Dr. Rubehn, der Koalitionsvertrag sah damals eine Novellierung unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung vor. Sind die jetzt in Aussicht gestellten sechs Prozent wenigstens ein echter Zuwachs?

Dr. Rubehn:Wir haben keine Veränderung des Punktwerts, nur einen sechsprozentigen Honorarzuwachs. Die fehlende Punktwertanhebung kann man nur als satte Ohrfeige für die Zahnärzteschaft und als handfesten Skandal bezeichnen. Damit wird die Kostenentwicklung völlig missachtet – für den Berufsstand eine absolute Enttäuschung. Bei den sechs Prozent handelt sich aber in der Tat um einen echten Zuwachs. Dabei handelt es sich um übereinstimmende Ergebnisse nach den Berechnungen der BZÄK und der Firma BASYS, die für das BMG gerechnet hat, und zwar unter Einbeziehung der Leistungsfrequenzen und der bisherigen empirischen Abrechnung der Zahnärzte. Bei Leistungen, die eine neue Punktzahl erhalten haben, wurde anstelle des bisherigen empirischen Steigerungsfaktors jetzt der Durchschnittsfaktor 2,3 als neuer empirischer Faktor zugrunde gelegt. Neue Leistungen, die kein konkretes Pendant in der alten GOZ finden und auch nicht als Analogieleistungen zu identifizieren sind, wurden nicht in die Ermittlungen des Honorarvolumens einbezogen. Summa summarum ist natürlich klar, dass die sechs Prozent bei Weitem nicht die Kostensteigerung von über zwei Jahrzehnten ausgleichen können. Übrigens: Das BMG hat hier ohne rechtliche Grundlage für die privatzahnärztlichen Leistungen ein virtuelles Budget ausgerufen: Die Gesamtausgaben dürfen nur minimal steigen.

Die fehlende Punktwertanhebung kann man nur als satte Ohrfeige für die Zahnärzteschaft und als handfesten Skandal bezeichnen.Dr. K. Ulrich Rubehn

zm: Aber war da nicht der alte GOZReferentenentwurf von 2008 besser? Er sah doch immerhin eine Erhöhung um zehn Prozent vor.

Dr. Rubehn:Das ist ein schwerer Trugschluss. Es handelte sich damals um eine Novellierung auf Grundlage des Bema, mit allen Restriktionen. Nicht umsonst hatte der Berufsstand den Entwurf unisono abgelehnt, und wir können froh sein, dass das Papier schließlich in den Schubladen des BMG verschwand. Wir erinnern uns: Es gab dort eine Öffnungsklausel und eine Umrelationierung aus Bema-Positionen. Die vermeintliche Steigerung auf die damals avisierten rund 10,4 Prozent entpuppten sich als Fallstrick. Durch eine Punktwertanhebung von lediglich 0,46 Prozent ging das Ganze noch ins Minus, weil man versäumt hatte, nach dem Stillstand seit 1988 den GOZ-Punktwert dem tatsächlichen Preisindex anzupassen. •

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.