Kronen und Brücken

Korrekte Modellierung von Zirkoniumdioxidgerüsten

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Heftarchiv Zahnmedizin
Vollkeramische Restaurationen kamen in der zahnärztlichen Prothetik in den letzten Jahren umfangreich zum Einsatz. Die Einführung von hochfesten Strukturkeramiken wie Yttrium-stabilisiertem Zirkonoxid (3Y-TZP) hat die Indikation von Keramik in der Zahnmedizin stark ausgeweitet. Vollkeramikkronen und Brücken sind so auch im stärker belasteten Seitenzahnbereich möglich [1,2].

Während eine Reihe klinischer Studien die erfolgreiche Verwendung von Zirkonoxid für Brücken belegt [3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13], existieren so gut wie keine Studien zu Einzelkronen. Gerüstfrakturen wurden in diesen Studien nicht beobachtet, allerdings finden sich unterschiedlich hohe Chippingraten von 0 Prozent [7] bis zu teilweise 25 Prozent nach drei Jahren [10,14].

Chipping

Als „Chipping“ werden kohäsive Frakturen innerhalb der Verblendkeramik bezeichnet (Abbildung 1). Im Mittel ergibt sich aus den genannten Studien eine durchschnittliche Häufigkeit von etwa 4 Prozent pro Jahr. Allerdings ist diese hohe Zahl insofern zu relativieren, da sich die Angaben jeweils auf die Anzahl der untersuchten Brücken beziehen. Das Frakturereignis betrifft dadurch drei oder mehr Einheiten. Hätte es sich um Einzelkronen gehandelt, so wären von drei benachbarten Kronen, zwei unversehrt geblieben. Unter der Annahme, dass zwar in einigen Fällen, mehrfache Frakturen je Brücke aufgetreten sein können, dass aber andererseits auch mehr als dreigliedrige Brücken untersucht wurden, kann dieser Wert in etwa gedrittelt werden. Daraus lässt sich eine ungefähre Größenordnung von 1,8 Prozent pro Jahr für Einzelkronen ableiten. Diese ist eindeutig höher als bei Metallkeramik. Für Metallkeramik wird eine geschätzte Verblendfrakturhäufigkeit von circa 0,6 Prozent bis 2,2 Prozent pro Jahr mit einer Vielzahl möglicher Ursachen angegeben [15,16,17]. Diese Angaben sind wiederum unter Vorbehalt zu sehen, da die Datenlage recht dünn ist und daneben wichtige Parameter nicht bekannt sind. Bei geringer Fallzahl kann zum Beispiel ein einziger Bruxer den Prozentsatz vervielfachen [18]. Sind solche Patienten von vorneherein ausgeschlossen, so sind die Raten deutlich geringer.

„Gefühlt“ und aus anekdotischen Berichten war in den letzten Jahren dennoch ein eindeutiger Trend einer gegenüber Metall - keramik erhöhten Häufigkeit im klinischen Alltag erkennbar. Allerdings scheint es ebenso wie in der wissenschaftlichen Literatur auch in der allgemeinen Praxis deutliche Unterschiede von Zahnarzt zu Zahnarzt zu geben. Eine aktuelle Studie belegt das Vorhandensein ausgeprägter praxisindividueller Unterschiede (Abbildung 2) [19].

In der eigenen Praxis – mit seit dem Jahr 2003 mehreren hundert eingesetzten Zirkonoxidkronen und -brücken – spielt das Chippingproblem in den letzten Jahren mit zunehmendem Erkenntnisgewinn und fortschreitender Materialverbesserung inzwischen keine größere Rolle als bei Metallkeramik. Dabei fiel auf, dass sich 80 Prozent der eigenen Chippings auf wenige Patienten und auf Arbeiten von wenigen unerfahrenen Zahntechnikern konzentrierten. Die Problempatienten waren funktionell nicht ausreichend vorbehandelt, hatten multiple Implantate und in der Mehrzahl Parafunktionen. Hinzu kam häufig eine ungenügende funktionelle zahntechnische Umsetzung ohne eine korrekte Front-Eckzahnführung. Daneben spielten aber ganz offensichtlich auch weitere laborseitige Faktoren eine besondere Rolle, bei deren Berücksichtigung sich die Chippingraten stark reduzieren lassen. Auf diese Kriterien soll im Folgenden genauer eingegangen werden.

Anatomische Unterstützung

Infolge einer zu raschen Abkühlung der aufgetragenen Krone nach dem Verblenden im Keramikofen kommt es zu inneren Spannungen im vollkeramischen Gerüst und innerhalb der Verblendschicht. Entscheidend für das Chipping sind Zugspannungen im Kern der Verblendung. Nach diesem Prinzip erfolgt zum Beispiel auch die Herstellung von Sicherheitsglas, das zerspringt, sobald ein einwirkender Riss in die innere – in Zug - spannung stehende – Zone vordringt. Aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit des Zirkonoxids ist dieser Effekt gegenüber metallkeramischen Restaurationen sehr stark erhöht (Abbildung 3). Dieser Unterschied verringert die Verarbeitungsbandbreite und die Fehlertoleranz bei Zirkonoxid und die in der Verarbeitungsanleitung beschriebenen Prozesse müssen genau eingehalten werden.

Dieser Effekt ist umso ausgeprägter, je schneller die Keramik abgekühlt wird. Aus diesem Grund ist es von allergrößter Bedeutung, Zirkonoxidarbeiten besonders langsam abzukühlen. Dieser Effekt ist außerdem umso größer, je dicker die Verblendung ist (Abbildungen 4 und 5).

Eine anatomische Höckerunterstützung wird seit Längerem nicht zuletzt wegen der besseren mechanischen Stabilisierung der Verblendung gegen abscherende Kräfte propagiert. Dies erstreckt sich zum Teil bis hin zu kompletten oralen Zirkonanteilen unterhalb des Kronenäquators oder zu Approximalkontakten in Zirkonoxid [20]. Grundsätzlich nehmen die Zugspannungen in der gesamten Krone bei dickeren Gerüsten ab [21].Die erhöhte Steifigkeit eines massiven Gerüsts hat dabei ebenfalls einen Einfluss auf die Verblendung, da es Biegemomenten unter Last besser widerstehen kann. Laborversuche haben gezeigt, dass Kronen mit anatomisch unterstützenden Zirkonoxidgerüsten deutlich weniger Chippings aufweisen [22,23].

Eine kontrollierte Steuerung der Gerüstund Verblendkeramikstärke ist am besten mittels einer exakten dreidimensionalen Berechnung der Reduktion bezüglich der späteren vollanatomischen Form möglich. Moderne dentale Modellationssoftwares leisten eine solche Berechnung auf Knopfdruck (Abbildung 6).

Brückenverbinder

Bei der Gestaltung von Brückengerüsten ist vor allem eine ausreichende Dimensionierung der Verbinder zu beachten. Allerdings sind die Angaben in der Literatur nicht immer einheitlich. Studien von Studart [24] ergaben, dass mit einer zunehmenden Zahl von benachbarten Brückengliedern, die Verbinderquerschnitte deutlich ansteigen müssen, um eine mindestens 20-jährige Lebensdauer sicherzustellen. Für ZrO 2 werden als Empfehlung folgende Minimaldurchmesser für zylindrische Verbinder bei Seitenzahnbrücken angegeben [25]:

Es konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass viergliedrige Brücken mit Verbinderstärken von 7,3 mm2 (rechteckige Querschnitte 2,7 mm x 2,8 mm) bei Belastungen von 500 N mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent brechen werden [26]. Konservative Empfehlungen liegen bei 9 mm2 (rechteckige Querschnitte 3 mm x 3 mm) für dreigliedrige und 16 mm2 (4 mm x 4 mm) für vierglied rige Seitenzahnrücken [27, 28]. Nicht in allen klinischen Fällen sind solche Platzverhältnisse gegeben, dass diese sicheren Vorgaben immer erfüllt werden können. Aus diesem Grund wurden Untersuchungen durch - geführt, um zu ermitteln, bis zu welchem Maße verringerte Konnektor-Querschnitte bei viergliedrigen Brücken eine hinreichende Stabilität gewährleisten [29]. Die Kombi - nation 9/12/9 erwies sich dabei als aus - reichend. Basierend hierauf finden sich in der Herstellerempfehlung zum LAVA-System folgende Minimalangaben [30]:

Es ist zu beachten, dass Schwebebrückenglieder grundsätzlich eine größere Dimensionierung des Verbinderelements erfordern. Dauerschwingversuche zeigen, dass die Werte aus Tabelle 1 ausreichend sind [31]. Der inzwischen mehrjährige erfolgreiche Einsatz von ZrO 2 nach diesen Vorgaben belegt, dass sie im Rahmen der bisherigen Beobachtungsdauer den klinischen Bedingungen genügen. Da ein häufiges typisches Frakturgeschehen von vollkeramischen Brücken im Verbinderbereich dadurch charakterisiert ist, dass sich der Bruchverlauf auch auf das benachbarte, deutlich dünnere Kronenkäppchen erstreckt (Abbildung 7), sollten Gerüstkappen auf Brückenpfeilern okklusal immer zusätzlich verstärkt werden. Nach den Vorgaben des Herstellers Ivoclar Vivadent sollten dabei folgende Mindestwerte eingehalten werden [32]:

Die Werte für die Verbinderquerschnitte entsprechen hierbei mit wenigen gering - fügigen Abweichungen denen des LAVASystems, so dass diese als allgemeingültig angesehen werden können. Die in der AG Keramik vertretenen Keramikhersteller haben folgende Empfehlungen für die Verwendung von ZrO 2 für Brücken erarbeitet: „Verbinderstellen im Frontzahnbereich benötigen als Querschnittsfläche 7 bis 9 mm2, bei mehrgliedrigen Brücken 7 bis 12 mm2, abhängig von der Anzahl der Einzel- und Zwischenglieder. Verbinderstellen im Seitenzahnbereich benötigen 8 bis 12 mm2, bei mehrgliedrigen Brücken 9 bis 12 mm2, abhängig von der Anzahl der Einzel- und Zwischenglieder. Besonders Zwischen- und Schwebebrückenglieder erfordern 12 bis 16 mm2“ [33]. Es verbleibt demnach je nach Situation ein gewisses Maß an individueller Einschätzung. Ungünstige Situationen müssen erkannt werden und grundsätzlich sollte, sofern Platz vorhanden ist, immer angestrebt werden, die Verbinder so stabil wie möglich zu gestalten.

Eine Schwierigkeit in der labortechnischen Umsetzung solcher Empfehlungen liegt darin, dass die Fläche des Querschnitts in Abhängigkeit von der Kontur des Querschnitts deutlich variiert (Abbildung 8).

Bei einem runden Querschnitt sind eine Höhe und eine Breite von 3,4 mm notwendig um eine Fläche von 9 mm2 zu erhalten. Ovale oder unregelmäßige Konturen lassen sich noch schwieriger berechnen oder abschätzen. Da Seitenzahnbrücken hauptsächlich aus okklusaler Richtung belastet werden, spielt die minimale Höhe des Konnektors eine größere Rolle als dessen horizontale Ausdehnung. Da die größte Zugspannung an der Basalfläche der Konnektoren auftritt, sollte deren Höhe einen Wert von 3 mm nie unterschreiten [34]. Wegen der basalen Zugbelastung muss die Verbinderunterseite daher immer gut abgerundet sein (Abbildung 9).

Eine sichere Einhaltung von Mindesthöhen, -breiten oder -flächen ist nur über eine numerische Modellierung am Computer möglich. Dies erlaubt außerdem eine dokumentierte und auch im Nachhinein nachvollziehbare Dimensionierung. Im Falle von Frakturen können so mögliche Ursachen eruiert werden. Bei freihändig gestalteten und über Kopierfrässysteme hergestellten Gerüsten sind sichere Mindeststärken nicht immer gewährleistet.

Dr. Jan HajtóPraxis für ästhetische ZahnheilkundeWeinstr. 480333 Münchendr.jan.hajto@t-online.de

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