Gastkommentar

Versorgungs- oder Versorgergesetz

Heftarchiv Meinung
Das geplante Versorgungsgesetz ist eher ein Versorgerstrukturgesetz. Patientenund Versicherteninteressen, Gesundheitsziele, Qualitätsverbesserungen und vieles andere mehr bleiben außen vor, meint die Berliner gesundheitspolitische Fachjournalistin Dr. Jutta Visarius.

In den vielen Reden der letzten Wochen hören wir von den gesundheitspolitischen Spitzen der Koalition, sie hätten im letzten Jahr erst einmal die Finanzen in Ordnung gebracht und einen „Pharmaersatzmarkt“ geschaffen. Jetzt sei die Versorgung an der Reihe.

Da denkt der – nicht durch langjährige gesundheitspolitische Erfahrungen ständig skeptische – Normalbürger, es gehe um eine verbesserte, langfristig zu sichernde Versorgung der Patienten, um Gesundheitsziele, um ein Mehr an überprüfbarer und überprüfter Qualität. Aber vermutet er richtig?

Der 1. Arbeitstitel lautete Versorgungsstrukturgesetz, jetzt soll es Versorgungsgesetz heißen. Ziel des Gesetzes ist aber nicht, die Versorgung selbst zu verbessern, sondern ausschließlich deren Struktur, was zu einer Verbesserung der Versorgung führen soll.

Dahinter stehen konkret eine Reform der Bedarfsplanung, neue gesellschaftsrechtliche Regelungen für MVZ, Regelungen zur Entspannung des Konflikts an den Sektorengrenzen, neue Vorgaben für die vertragszahnärztliche Versorgung, erweiterte Satzungsleistungsoptionen und Gruppentarife für die Krankenkassen, und so weiter. Der Themenkreis innovative Behandlungsmethoden ist noch nicht bearbeitet.

Die Reform der Bedarfsplanung spielt sich im Umfeld der Auseinandersetzung der Akteure ab: Die KBV will Regelungen, um die Fehlverteilung der Arztsitze abzumildern, mehr regionale Flexibilität, um örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen zu können. Sie will aber nicht das Heft aus der Hand geben, sondern mehr Einfluss nehmen.

Das Letztere wollen auch die Länder, die sich mit Vehemenz auf der gesundheitspolitischen Bühne nach Jahren der Zurückgezogenheit zurückgemeldet haben.

Auch die Vorstellungen der Union unterscheiden sich von denen des BMG, aber nicht soweit, dass kein Kompromiss zu finden wäre. Die KBV hatte schon im Vorfeld die wichtigsten Punkte der Koalition in die Feder diktiert.

Problematisch werden für Philipp Rösler die Verhandlungen mit den Ländern. Sie sind sich untereinander einig wie selten und werden für ihre Zustimmung im Bundesrat dem BMG einiges abverlangen.

Auch ein Ausbalancieren zwischen den Interessen von KBV und DKG dürfte nicht einfach werden. Die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften für MVZ, Regelungen der Bedarfsplanung, Ermächtigung, der Komplex um ambulante Leistungen im Krankenhaus, nicht zuletzt die innovativen Behandlungsmethoden sind heiß umkämpft. Hier spielen auch die Interessen der Industrie eine wichtige Rolle. Die „Weiterentwicklung“ der vertragszahnärztlichen Versorgung ist klug aus der Schusslinie genommen. Sicher ist: Preiswerter wird die Versorgung nicht. Wahrscheinlich wird die Versorgung auch nicht dramatisch verbessert. Ob sie in ländlichen Gebieten gesichert wird, bleibt abzuwarten, ebenso, ob eine Regionalisierung der Planung zielgenauer agieren wird.

Der GKV-Spitzenverband hält sich zumindest in der Öffentlichkeit weitgehend zurück und bekämpft nach wie vor den Mythos vom Arztmangel, der sich längst in den Köpfen als Fakt verfestigt hat. Er steht damit auf verlorenem Posten. Zu den ureigenen Krankenkassenthemen sind die Reaktionen noch verhalten.

Aber noch ist nichts im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, das BMG hat noch nicht einmal Eckpunkte vorgelegt, geschweige denn einen Arbeits- oder Gesetzentwurf. Eckpunkte sollen erst kurz vor Ostern öffentlich werden.

Ob wir in dieser Legislaturperiode auch noch ein Gesetz für Versicherte und Patienten mit Gesundheits- und Qualitätszielen erleben dürfen?

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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