Tag der Zahngesundheit 2011

Keine Zeit verlieren

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Heftarchiv Zahnmedizin
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Es ist (fast) nie zu früh für die tägliche Zahnpflege. Wann genau der richtige Zeitpunkt ist und wie es grundsätzlich um die Mundgesundheit der Kleinsten in Deutschland steht, beleuchteten Vertreter aus Standespolitik, Wissenschaft sowie von Seiten der Krankenkassen auf der zentralen Pressekonferenz des Aktionskreises zum Tag der Zahngesundheit in Berlin.

„Gesund beginnt im Mund – je früher desto besser“. So lautet das diesjährige Motto, das in einem ganzheitlichen Zusammenhang steht. „Denn mittlerweile ist unstrittig, dass am Lebensanfang der Grundstein für eine gute Mundgesundheit gelegt wird und damit, wie wir heute wissen, für einen optimalen gesundheitlichen Lebenslauf“, konstatierte Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK).

Im Grundsatz könne die Zahnärzteschaft deutliche Erfolge in der Prävention verzeichnen. Gerade bei den 12-Jährigen liege der Kariesrückgang in den letzten 25 Jahren bei 80 Prozent. Deutschland sei damit an die Weltspitze aufgerückt. Die zahnärztliche Prävention habe zudem eine Vorbildfunktion für das gesamte deutsche Gesundheitswesen, so Oesterreich. Nichtsdestotrotz gäbe es noch zahlreiche Baustellen.

Stichwort „Nuckelflaschenkaries“: Die tiefgreifenden Zerstörungen, insbesondere in den oberen Frontzähnen führten nicht selten zu massiven Beschwerden bis hin zu aufwendigen Entfernungen unter Vollnarkose. Auffällig sei die numerisch kleine Gruppe, die eine vergleichsweise hohe Karieslast trage.

Kleine Gruppe trägt große Karieslast

Die Analyse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts zum Mundgesundheitsverhalten (KiGGS) habe gezeigt, dass gesundheitliche Risiken nicht nur in Abhängigkeit vom Sozialstatus stehen, sondern auch in Abhängigkeit vom Migrationshintergrund ungleich verteilt sind. Die Polarisierung des Erkrankungsrisikos sei immer noch eine immens große Herausforderung für alle Akteure. Doch auch der Grad der Sanierung sei noch defizitär. „47,4 Prozent der kariösen Milchzähne sind noch nicht mit intakten Füllungen versorgt“, sagte der BZÄK-Vize. Ursächlich sei in erster Linie die zu späte Vorstellung der Kinder beim Zahnarzt. Dies geschehe vielfach aus Unwissen, vor allem hinsichtlich der Bedeutung der Mundgesundheit für die gesamte Kindesentwicklung.

Der Berufsstand müsse darüber hinaus selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, dass die Sanierung der Milchzähne nicht bei allen Kollegen den geforderten hohen Stellenwert habe. Lösungsansätze gäbe es bereits: Generell gelte es, das Wissen um die Mundgesundheit und die Zusammenhänge mit der Allgemeingesundheit zu verbreiten. Dazu dienten auch alle Aktivitäten rund um den Tag der Zahngesundheit. „Die Bedeutung des regelmäßigen Zahnarztbesuches ab Durchbruch des ersten Milchzahnes sollte bekannter werden“, so Oesterreich. Mit dem Durchbruch müsse auch die Mundhygiene einsetzen. Die Kinder sollten frühzeitig, spielerisch und angstfrei an die Zahnarztpraxis herangeführt werden.

Aber auch die Kollegen anderer Fachgruppen seien gefragt. Gynäkologen und Hebammen etwa könnten die Schwangere rechtzeitig über die Bedeutung der eigenen Mundgesundheit für die Kindesentwicklung aufklären und gegebenenfalls zum Zahnarzt überweisen. Die Länderkammern haben dazu zahnärztliche Kinderpässe herausgegeben. Neben der Darstellung der Befunde und Kontrolltermine dienen diese auch zur Vermittlung von Informationen. Verbessert werden müsste die Vernetzung mit den Pädiatern, forderte Oesterreich. Generell sollte die Zahnmedizin auch mit Unterstützung der medizinischen Fachdisziplinen in alle Belange der Gesundheitsförderung integriert werden.

Kinderärzte als Wissensvermitter

Dr. Ulrich Fegeler, Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V. ergänzte: „Da Kinder und Jugendärzte im Rahmen der gesetzlichen Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten Zugang zu fast allen Säuglingen und Kleinkindern haben, können sie in diesem Rahmen Eltern anleiten“. Ganz im Sinne der verstärkten Aufklärung über das Thema Mundgesundheit leiste die Fachgruppe so einen wichtigen primärpräventiven Beitrag zur Vermeidung von Karies. Denn intensive Beratungen der Eltern seien gerade in den ersten Lebensjahren der Kinder ganz entscheidend. Einerseits für die Senkung der Häufigkeit von Karies, andererseits aber auch für die Erkennung und Behandlung von Zahnfehlstellungen. Allerdings lasse die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in Beratungsleistungen für Eltern bis heute auf sich warten, kritisierte Fegeler.

Einblick hinter die biologischen Kulissen gab Prof. Ralf J. Radlanski von der Charité. „Schon die Entwicklung eines Zahnes stellt höchste Ansprüche an die Leistungsfähigkeit und Koordination jeder einzelnen der mehr als 100 000 beteiligten Zellen.“ Radlanski rief Eltern und Betreuer von Kindern bis zu drei Jahren dazu auf, mehr auf einen korrekten Mundschluss und die richtige Ruhelage der Zunge am Gaumen statt im Mundboden zu achten: „Je früher man sich darum kümmert, dass das physiologisch korrekte Gleichgewicht zwischen Zunge und Mund-Muskulatur eingestellt, geübt und beibehalten wird, desto besser“ (Siehe Artikel S. 102). Radlanski formulierte sechs Forderungen für eine gesunde Entwicklung von Zähnen und Kaufunktion:

Gesunde Ernährung der Schwangeren

- alle Zellen des Fetus müssen störungsfrei leben können

Gesunde Ernährung des Kindes

- alle Zellen müssen einen gesunden Stoffwechsel aufrechterhalten können

Mundhöhlenniveau bakteriell in Balance

- schädliche Keime werden etwa beim „Sauberlecken“ von den Eltern auf das Kind übertragen

Tägliche Mundhygiene mit den Kindern

- Zähneputzen soll als tägliches Ritual verinnerlicht werden; die Eltern sollten immer korrigieren und loben

Zeitgerechter Zahndurchbruch und physiologisch korrekte Zahnstellung

- Kontrolle des Zahnwechsels sollte mit sechs Jahren erfolgen; Kontrolle der Zuordnung der Kiefer sollte mit zehn Jahren erfolgen

Regelmäßige Kontrollbesuche beim Zahnarzt beginnend mit dem 1. Jahr

Die Krankenkassen begrüßten die Intention des Mottos ausdrücklich, betonte Dr. Michael Kleinebrinker, Referent für die vertragszahnärztliche Versorgung beim GKVSpitzenverband. Das finanzielle Engagement der Kassen für die zahnmedizinische Prophylaxe sei von 373 Millionen Euro im Jahr 2000 auf mehr als 500 Millionen Euro im Jahr 2010 gestiegen. Wichtig sei es, mit der systematischen Betreuung der Kinder früher und zielgruppengerichteter zu beginnen und alle Akteure stärker zu vernetzen. Notwendig wäre zudem eine wissenschaftliche Evaluierung von Maßnahmen zur Senkung der frühkindlichen Karies sowie die Vermeidung „rivalisierender Konzepte“.

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