Medikamentöse Sekundärprävention

Weltweite Unterversorgung nach Herzinfarkt und Apoplex

Menschen nach einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt erhalten zu selten Medikamente, die einem erneuten Ereignis vorbeugen. Zwar wird die Möglichkeit der medikamentösen Sekundärprävention in Ländern mit hohem Einkommensstatus häufiger genutzt als in einkommensschwachen Ländern, weltweit aber gibt es noch massive Versorgungslücken, so das Ergebnis einer groß angelegten Untersuchung, die Prof. Dr. Salim Yusuf, Hamilton/Kanada, beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Paris vorgestellt hat.

Die Daten der sogenannten PURE-Studie, in der die Situation von 154 000 Erwachsenen aus 17 verschiedenen Ländern mit unterschiedlichem Bruttosozialprodukt analysiert wurde, signalisieren laut Yusuf eine „globale Tragödie“. Denn obwohl effektive und preiswerte Medikamente zur Verfügung stehen, mit denen sich nachweislich die Risiken eines erneuten Infarkts oder Schlaganfalls senken lassen, erhalten die meisten Menschen diese Medikamente nicht. So bekam nur ein Viertel der rund 8 000 Studienteilnehmer, die angaben, an einer KHK zu leiden oder bereits einen Schlaganfall erlitten zu haben, einen Thrombozytenaggregationshemmer. Nur 17 Prozent wurden mit einem Betablocker, nur 19 Prozent mit einem ACE-Hemmer oder einem Sartan und nur 14 Prozent mit einem Statin behandelt, obwohl für alle diese Wirkstoffe präventive Effekte eindeutig dokumentiert sind. „Wir müssen somit weltweit von einer massiven Unterversorgung der Patienten ausgehen“, monierte Yusuf in Paris.

Wirtschaftliche Stituation beeinflusst Prävention

Ob eine protektive medikamentöse Behandlung erfolgt oder nicht, hängt – wie erwartet – vor allem von der wirtschaftlichen Situation des jeweiligen Landes ab. So wird in Industrienationen wie Kanada und Schweden 62 Prozent der Patienten ein Plättchenhemmer wie Acetylsalicylsäure verordnet. In Ländern mit mittlerem Einkommen wie Brasilien, Polen oder China werden jedoch nur 20 bis 25 Prozent der Patienten entsprechend behandelt und in einkommensschwachen Ländern wie Pakistan oder Simbabwe erhalten nur neun Prozent der Patienten ein Medikament, das einen weiteren Event verhindern könnte.

Selbst wenn die Situation in Nationen mit hohem Einkommensstatus generell besser aussieht, besteht auch dort noch deutlicher Verbesserungsbedarf: Denn neben den 62 Prozent, die nach Infarkt oder Schlaganfall einen Plättchenhemmer bekamen, erhielten lediglich 40 Prozent einen Betablocker, 49 Prozent einen ACE-Hemmer oder ein Sartan und 66 Prozent ein Statin.

Eine kolossale Tragödie

Zudem werden Stadtbewohner im Allgemeinen besser versorgt als Menschen, die in ländlichen Regionen leben. Bei diesen wird weltweit im Mittel deutlich seltener eine medikamentöse Sekundärprävention eingeleitet.

Besonders erschreckend ist laut Yusuf, dass jeder zehnte Patient in den reichen Ländern und jeder zweite Patient in Schwellenländern kein einziges wirksames Präparat zur Risikoreduktion erhält. In den armen Nationen ist dies sogar bei 80 Prozent der Betroffenen der Fall. „Das ist eine kolossale menschliche Tragödie“, sagte der Mediziner.

Die PURE-Studie belegt nach seinen Worten unter anderem, dass Sekundärprophylaxe nicht länger nur in den Händen der Ärzte ruhen darf. „Wir müssen auch Nicht-Mediziner mit entsprechenden Aufgaben betrauen“, forderte der Epidemiologe. Ähnlich wie bei HIV und AIDS sollten auch andere Berufsgruppen wie etwa Krankenschwestern und -pfleger und sogar Sozialarbeiter in die Sekundärprävention einbezogen werden.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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